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WohnraummieteInflation kein Grund für Mieterhöhung über Mietspiegelwerte hinaus
| Das Gericht darf zur Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, wenn zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt werden. Eine „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ im vorstehenden Sinn kann grundsätzlich nicht bereits mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex begründet werden (LG München I 17.7.24, 14 S 3692/24, Abruf-Nr. 243848). |
Die Inflation treibt derzeit die Kosten in die Höhe. Doch können Vermieter sie als Argument für eine Mieterhöhung nutzen, die über die Werte des Mietspiegels hinausgeht? Das LG München verneint dies.
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. U. a. argumentierte er, es müsse ein sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addiert werden. Der Verbraucherpreisindex (VPI) habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund drei Prozent erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht einerseits auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des VPI gestützt werden. Bei der Berechnung des VPI werde ein sog. Warenkorb verwendet, der rund 700 Güterarten umfasse und sämtliche von privaten Haushalten in Deutschland gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentiere. Dem VPI könne für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und erst recht für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine belastbare Aussage entnommen werden.
Zwar habe der BGH (15.3.17, VIII ZR 295/15) seinerzeit den Gerichten bei der Beurteilung eines Mieterhöhungsverlangens in Fällen einen weiten Beurteilungsspielraum eingeräumt, in denen zwischen dem Erhebungsstichtag eines Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens nachträglich „ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete“ festzustellen sind. Dieser sei jedoch eingehalten worden. Ein Anstieg nach dem Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als drei Prozent bedeute ebenfalls keinen außergewöhnlichen Mietanstieg. Ferner würde die Einführung einer „Stichtagspraxis“ zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die bedeutsame Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könnte.
Beachten Sie | Es handelt sich um eine Grundsatzentscheidung zum sog. Stichtagszuschlag. Ob gerade in Zeiten hoher Inflation eine Berücksichtigung der Stichtagsdifferenz sachgerecht erscheint, wird unterschiedlich beurteilt. Sollten andere Gerichte einen solchen Zuschlag für berechtigt halten, wäre in der Tat das gesamte Mietspiegelsystem gefährdet.
AUSGABE: MK 6/2025, S. 99 · ID: 50409681