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WEG-NovelleBauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum: Erste Entscheidungen des BGH aus 2024 (Teil 2)
| Der BGH hat seine Entscheidung vom 9.2.24, die wir im ersten Teil des Beitrags dargestellt haben (MK 25, 69), in weiteren Urteilen konkretisiert, die Gegenstand des Teil 2 des Beitrags sind. Hier geht es um privilegierte Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG und um solche nach § 20 Abs. 1 WEG. |
1. Terrasse nebst Zufahrtsrampe
a) Sachverhalt
Die Kläger und die Streithelferin der Beklagten vor dem BGH (9.2.24, V ZR 33/23, Abruf-Nr. 240022) sind Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft, die aus drei Häusern mit jeweils vier Wohnungen besteht. Zwei Wohnungen sind jeweils im Erdgeschoss (Hochparterre) und zwei weitere Wohnungen jeweils im ersten Obergeschoss gelegen. An der Gartenfläche bestehen Sondernutzungsrechte, die mit dem Sondereigentum an den Erdgeschosswohnungen verbunden sind. Nach der Teilungserklärung dürfen auf den Gartenflächen Terrassen in der Größe von maximal einem Drittel der Fläche des jeweiligen Sondernutzungsrechts errichtet werden. Zu jeder Wohnung gehört eine auf der Rückseite der Häuser befindliche Loggia. In den Erdgeschosswohnungen führt von der Loggia eine aus vier Stufen bestehende Treppe in den Garten. Die Wohnungseigentümer gestatteten der Streithelferin per Beschluss nach § 20 Abs. 2 WEG, auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreien Zugang sowie eine etwa 65 cm aufzuschüttende Terrasse zu errichten und das Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür zu ersetzen. Die Kläger wendeten sich mittels Anfechtungsklage gegen den Gestattungsbeschluss. Das AG erklärte den Beschluss für ungültig. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der Revision verfolgte die Streithelferin die Abweisung der Klage.
b) Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Anders als bei der Entscheidung des BGH (9.2.24, V ZR 244/22, Abruf-Nr. 239774) zum Außenfahrstuhl als privilegierte Maßnahme, bei der der Eigentümer seinen Anspruch auf Gestattung mit der Beschlussersetzungsklage geltend machte, kommt es bei der Anfechtungsklage auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG, vor allem auf die Frage nach der Angemessenheit, nicht an. Der BGH begründet dies mit dem mit § 20 WEG eingeführten Regelungskonzept. Dieses sieht für die gerichtliche Prüfung eines Beschlusses über bauliche Maßnahmen einen einheitlichen Maßstab vor. Es kommt nicht darauf an, ob die Eigentümer die bauliche Maßnahme aus eigenem Antrieb beschlossen haben oder in Erfüllung eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 oder 3 WEG. Der Beschluss ist nur für ungültig zu erklären, wenn die beschlossene Maßnahme die Wohnanlage grundlegend umgestaltet, einen Eigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt oder der Beschluss an einem anderen (allgemeinen) Beschlussmangel leidet. Der Prüfungsmaßstab ist somit beschränkt auf die Frage, ob die Grenzen des § 20 Abs. 4 Hs. 1 WEG eingehalten wurden.
Die von den Wohnungseigentümern beschlossene Baumaßnahme „Terrasse nebst Zufahrtsrampe“ dient dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG. Damit ist nach dem Willen des Gesetzgebers eine Umgestaltung der Wohnanlage typischerweise nicht anzunehmen (BT-Drucksache 19/18791, S. 66). Der BGH sieht in der Errichtung eines Anbaus an ein bestehendes Gebäude einer Mehrhausanlage keinen außergewöhnlichen Umstand, der die Annahme einer grundlegenden Umgestaltung rechtfertigt. Die Errichtung der Terrasse war nach der Teilungserklärung erlaubt. Der Charakter der gesamten Anlage geht nach Ansicht des Gerichts bei Durchführung der baulichen Veränderung nicht verloren.
Durch die Gestattung der baulichen Veränderung wird nach Ansicht des BGH auch kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt. Der Umstand, dass die Eigentümer der im Obergeschoss gelegenen Wohnungen nicht die Möglichkeit haben, ihre Wohnungen in vergleichbarer Weise aufzuwerten, begründet keine unbillige Benachteiligung. Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass der Gestattungsbeschluss weder die von den Klägern geltend gemachten Anfechtungsgründe aufweist, noch, dass er nichtig ist.
2. Errichtung von Gartenhütten
a) Sachverhalt
Der Kläger im Verfahren des BGH (19.7.24, V ZR 226/23, Abruf-Nr. 244319) ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus drei Wohneinheiten. Die Wohnungseigentümer fassten einen Beschluss über die Genehmigung zur Errichtung von Gartenhütten für Fahrräder und Abstellen von Gartenwerkzeugen. Finanziert werden sollte dies auf eigene Kosten der Eigentümer, die eine solche Gartenhütte auf dem Allgemeineigentum errichten möchten. Diese Eigentümer sollten an die anderen, nicht beteiligten Eigentümer eine monatliche Nutzungsentschädigung zahlen. Im Jahr 2016 hatten die Eigentümer jedoch eine Nutzungsvereinbarung anderer Art beschlossen. An die Stelle, an der die Gartenhütten errichtet werden sollten, waren ursprünglich Stellplätze für Mülltonnen vorgesehen. Mit der nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingegangenen Klage beantragt der Kläger, die Nichtigkeit des Beschlusses festzustellen. Das AG hat diese abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgte er seinen Klageantrag weiter.
b) Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Der BGH stellt zunächst fest, dass die Errichtung von Gartenhütten über die ordnungsmäßige Erhaltung nach § 20 Abs. 1 WEG hinausgeht und somit eine bauliche Veränderung ist. Die Eigentümer konnten per Beschluss entscheiden. Die Folge des Beschlusses, nämlich ein ausschließliches Nutzungsrecht einzelner Eigentümer, führt nicht zu dessen Nichtigkeit. Der BGH nimmt Bezug auf seine Entscheidung zum Außenfahrstuhl (9.2.24, V ZR 244/22), wonach eine bauliche Veränderung auch beschlossen werden kann, wenn die Zuweisung zu einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum für bestimmte Wohnungseigentümer führt. Das gilt auch für bauliche Veränderungen, die keine privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG darstellen. Der Gesetzgeber hat keine Differenzierung zwischen § 20 Abs. 2 WEG und sonstigen baulichen Veränderungen nach § 20 Abs. 1 WEG vorgenommen.
Der BGH: Die Nutzungsvereinbarung aus 2016 steht der Beschlusskompetenz der Eigentümer nicht entgegen. Eigentümer können eine bauliche Veränderung gemäß § 20 Abs. 1 WEG auch beschließen, wenn diese dazu führt, dass die in einer Vereinbarung vorgesehene Nutzung nicht mehr möglich ist. Zum einen enthält § 20 Abs. 1 WEG – anders als § 19 WEG – keinen Vorbehalt einer Vereinbarung. Zum anderen verweist der BGH auf die Zielsetzung des Gesetzgebers, der mit der WEG-Reform bauliche Veränderungen erleichtern wollte. § 20 Abs. 1 WEG würde weitgehend ins Leere laufen, wenn diese Vorschrift nur für Bauteile anwendbar wäre, für die es keine Nutzungsvereinbarung gibt, so der BGH.
Die Eigentümer konnten jedoch nicht über die Nutzungsentschädigung beschließen. Ihnen fehlt die Kompetenz, durch Beschluss Zahlungen festzulegen, die die Wohnungseigentümer, denen eine bauliche Veränderung gestattet wird, an die übrigen Eigentümer leisten sollen. Die Nichtigkeit der Entgeltregelung hat entsprechend § 139 BGB zur Folge, dass der Beschluss insgesamt nichtig ist.
3. Gedenkstein im Ziergarten
a) Sachverhalt
Die Klägerin im Verfahren des BGH (11.10.24, V ZR 22/24, Abruf-Nr. 245128) ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft, deren Anlage im hinteren Außenbereich über einen gemeinschaftlichen Garten verfügt. Nach der Gemeinschaftsordnung ist dieser als Ziergarten angelegt und soll zur Schönheit des Hausgrundstücks beitragen sowie Erholung, Spiel und Ruhe der Hausbewohner und ihrer Gäste dienen. Dort soll ein privater Gedenkstein für einen ehemaligen Bewohner der Anlage und zwischenzeitlich verstorbenen Oberbürgermeister aufgestellt werden. Der Gedenkstein ist ein von einem Künstler umgestalteter Grabstein. Die Klägerin fühlte sich beeinträchtigt, da die nahe gelegene Kirche im Zusammenspiel mit dem grabähnlichen Gedenkstein dem Ziergarten einen friedhofsähnlichen Gesamteindruck verleihe. Sie wandte sich mit einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss, die erfolglos blieb.
b) Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Der BGH sieht in der Aufstellung eines Gedenksteins eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG. Die Eigentümer haben insoweit Beschlusskompetenz. Wie bei seiner Entscheidung zum Aufstellen von Gartenhütten (BGH 19.7.24, V ZR 226/23), komme es auch hier nicht darauf an, ob die bauliche Veränderung mit den Nutzungsvorgaben in der Gemeinschaftsordnung vereinbar sei. Der BGH musste sich mit der Frage eines faktischen Widerspruchs zu einer Nutzungsvereinbarung nicht beschäftigen, da er das Aufstellen des Gedenksteins mit den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung als vereinbar ansieht. Ein künstlerisch gestalteter Gedenkstein stehe nicht im Widerspruch zum Charakter eines Ziergartens, zumal der Gedenkstein nur eine kleine Fläche des 160 Quadratmeter großen Gartens einnimmt und die Bepflanzungen weiter im Vordergrund stehe. Auf die Kirche in der Nachbarschaft komme es nicht an, da diese ohnehin vorhanden sei und ihr Anblick den Eindruck des Gartens auch unabhängig von dem nun aufgestellten Gedenkstein präge.
Der BGH sieht in dem Aufstellen des Gedenksteins keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage nach § 20 Abs. 4 WEG. Der künstlerisch gestaltete Gedenkstein stehe nicht im Widerspruch zu dem Charakter eines Ziergartens. Zum einen könne der Garten unverändert zur Erholung genutzt werden, zum anderen geht von dem Gedenkstein auch keine provokante künstlerische oder politische Aussage aus, die im Widerspruch zu der vereinbarten Nutzung und Gestaltung des Gartens stehen könnte.
Der BGH verneint eine unbillige Benachteiligung der Klägerin nach § 20 Abs. 4 Hs. 1 Alt. 2 WEG. Wie bereits in seinem Urteil zum Außenfahrstuhl dargelegt (9.2.24, V ZR 244/22), reicht es nicht aus, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar beeinträchtigt fühlen kann. Auch Umstände, die zwangsläufig mit der Maßnahme verbunden sind, genügen nicht, um einen unbilligen Nachteil anzunehmen. Voraussetzung für eine unbillige Benachteiligung eines Eigentümers ist, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Eigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden darf. Die Klägerin beruft sich nicht auf einen Nachteil, der sie im Vergleich zu anderen Eigentümern besonders trifft, wie z. B. eine Verschattung. Vielmehr stört sie sich an dem aus ihrer Sicht „friedhofsähnlichen“ Gesamteindruck, den sie aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation als bedrückend empfindet. Hierin sieht der BGH keine unbillige Benachteiligung.
Rechtsprechung des BGH zu § 20 WEG
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AUSGABE: MK 5/2025, S. 92 · ID: 50377971