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Direktversorgung mit Strom und GasPraxisprobleme bei unbezahlten Rechnungen
| Strom und Gas werden immer teurer. Das liegt nicht nur an einer Preisbeschleunigung durch Inflation und Energiekrise, sondern auch – im Hinblick auf Gaspreise – an politischem Willen. Denn der Ausstieg aus fossilen Energieträgern soll insbesondere zur Wärmegewinnung im Gebäudebereich forciert werden. Die staatlich verordnete „Preisschraube“ soll zum Umstieg auf erneuerbare Energien motivieren. Dieser und folgende Beiträge widmen sich daraus resultierenden Praxisproblemen zwischen Mieter und Vermieter. |
1. Wer haftet, wenn Mieter die Rechnungen nicht bezahlen?
Mit dem Hintergrund einer drastischen Preisbeschleunigung wird ein eigentlicher „Problemklassiker“ aktueller denn je: Mieter können (oder wollen) ihre verbrauchsverursachten Energiekosten nicht mehr aufbringen. Eingehende Energierechnungen bleiben unbezahlt. Kann der Vermieter dafür „zur Kasse gebeten“ werden, wenn der Mieter als Selbstversorger z. B. Gas von einem kommunalen Energielieferanten bezieht? Dazu das folgende Beispiel:
Das LG Amberg wies die Zahlungsklage gegen den Vermieter in einem solchen Fall ab (6.9.21, 22 O 828/20, IMR 22, 244). Denn der Vermieter sei nicht Vertragspartner, folglich schulde er auch nicht den Ausgleich der daraus entstandenen Forderungen. Wenn ein Versorgungsvertrag auch durch Annahme einer sog. „Realofferte“ zustande kommen könne (§ 2 Abs. 2 GasGVV), sei diese nicht an den Vermieter gerichtet gewesen, der sie folglich auch durch die Entnahme und den Verbrauch des gelieferten Gases nicht habe annehmen können. Denn nur die Mieter hätten die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt gehabt.
Entscheidend sei, wer die Energie verbrauche. Nähere Vorstellungen des Anbieters hierzu blieben ohne Belang (zu Gaskosten: AG Schöneberg 21.11.19, 106 C 400/18, IMR 20, 163 – ebenfalls keine automatische Haftung des Vermieters für die vom Mieter verursachten Energiekosten; vgl. aber OLG Hamm 15.1.18, I-2 U 127/17, IMR 18, 206 – Vermieter ist ohne klare Zuordnung eines Energieverbrauchs zum Mieter zahlungspflichtig; zur Stromversorgung: BGH 27. 11. 19, VIII ZR 165/18, IMR 20, 124 – Mieter ist Adressat der Realofferte bei Wohnung mit eigenem Zähler; zur Stromsperre: BGH 17.6.21, I ZB 68/20, NZM 22, 289).
Der BGH wies die Zahlungsklage ab (27.11.19, VIII ZR 165/18, NZM 20, 213). Denn die Wohnung verfüge über einen eigenen Stromzähler. Sei dieser Stromzähler ausschließlich der Mietwohnung zugeordnet, komme ein Stromlieferungsvertrag mit entsprechender Zahlungspflicht ausschließlich zwischen dem Mieter und dem Energieversorger zustande.
Der Energieversorger biete den Abschluss des Versorgungsvertrags dem an, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt habe und der die Energie dann abnehme, so der BGH. Auf die Eigentümerstellung komme es dabei nicht an (Realofferte). Verfüge die Wohnung über einen eigenen Stromzähler, sei Adressat des Vertragsangebots der Mieter.
Entnehme er dem Leitungsnetz Strom, nehme der Mieter mit dieser Handlung das Vertragsangebot „zwischen den Zeilen“ an (konkludente Annahme). Zwar habe der Eigentümer die Verfügungsgewalt, doch komme auch der Mieter als Vertragspartner in Betracht, weil ihm diese Verfügungsgewalt aufgrund des Mietvertrags übertragen worden sei. Abzustellen sei letztendlich auf die tatsächliche Stromentnahme in den Mieträumen und nicht auf die bloße Bereitstellung von elektrischer Energie am Hausanschluss. Denn das in § 2 Abs. 2 Strom GVV genannte Elektrizitätsversorgungsnetz „der allgemeinen Versorgung“ ende nicht am Netzanschluss nach § 5 NAV („Hausanschluss“), sondern stelle auf die Kundenanlage mit ab, d. h., auf die einzelnen Entnahmeeinrichtungen in den Wohnungen (ebenso bereits für den Stromlieferungsvertrag: KG 21.1.20, 27 U 139/19; LG Köln 11.7.18, 18 O 18/17; LG Itzehoe 8.5.18, 1 S 116/17, MietRB 18, 259; a. A. OLG Hamm 15.1.18, I-2 U 127/17, IMR 18, 206 und LG Saarbrücken 20.5.16, 10 S 13/16, IMR 17, 37 – ohne klare Zuordnung der Energieverbräuche (hier Strom und Gas) zahlt der Hauseigentümer; ebenso über die Realofferte einen Gaslieferungsvertrag zwischen dem Mieter als Verfügungsberechtigten über die Energieentnahmestelle und dem Energieversorger kraft Realofferte annehmend: LG Aachen 29.10.20, 2 S 52/20, ZMR 21, 170).
Mit alldem hat der BGH nun „aufgeräumt“. Folge: Der Mieter zahlt, wenn er über einen eigenen Zähler verfügt und alleiniger Inhaber der Verfügungsmacht über die Energieentnahmestellen ist.
2. Nachtrag zum Ausgangsfall
Zu unterscheiden ist zunächst, ob es einen direkt abgeschlossenen Versorgungsvertrag über die Entnahmestellen gibt, deren Verbrauchsrechnungen offengeblieben sind.
a) Ausdrücklicher Vertrag zwischen Vermieter und Versorger
Besteht der Versorgungsvertrag zwischen Versorger und Vermieter, muss der Vermieter selbstverständlich auch dann zahlen, wenn er selbst das Geld vom Mieter nicht zurückerhält. Weil der Mieter dann auf Kosten seines Vermieters lebt, stellt sich die Frage, ob der Vermieter die Energieversorgung unterbrechen kann, um den Mieter so zur Zahlung zu veranlassen (sog. „ausfrieren“, s. u. unter d)).
b) Ausdrücklicher Vertrag zwischen Mieter und Versorger
Hat der Mieter direkt mit dem Versorger kontrahiert und zahlt er nicht, kann der Versorger auch durch Wegnahme des Stromzählers die Energiezufuhr unterbrechen. Der Eigentümer und Vermieter muss dann nicht für seinen Mieter dessen Schulden beim Versorger begleichen.
Vollstrecken lässt sich eine entsprechende darauf lautende Gerichtsentscheidung allerdings erst, wenn der Mieter zumindest Mitgewahrsam an dem Raum hat, in dem sich der Stromzähler befindet. Hat der Mieter diesen Mitgewahrsam nicht, weil er keinen Schlüssel zu dem Raum besitzt und deshalb auch den Raum selbst nicht betreten könnte, muss eine Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher scheitern (BGH 17.6.21, I ZB 68/20, Abruf-Nr. 224051). Freilich darf der Vermieter in diese Versorgungsbeziehung nicht eingreifen, die der Mieter direkt mit dem Versorger unterhält. Anders ist dies nur, wenn damit eine Gefahr für das Gebäude einhergeht (Streyl, Vorprozessuale Strategien und Vorbereitung eines Mietprozesses, NZM 14, 1, 10).
c) Fehlender ausdrücklich abgeschlossener Vertrag
Bleibt letztlich unklar, ob und wer ausdrücklich mit dem Energieversorger kontrahiert hat, und/oder hat der Mieter schlicht Wasser, Strom, Gas oder auch Fernwärme entnommen, beurteilt § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die allgemeinen Bedingungen für die Grundversorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) und hieran anknüpfend die Rechtsprechung dies als Realofferte und nach bisher vorherrschender Ansicht als konkludente Abnahme im Zweifel des Eigentümers, wenn der Mieter nicht den alleinigen Zugriff auf die Übergabepunkte (!), nicht auf die Entnahmestellen, hat. Der Eigentümer bzw. der Vermieter soll dann für den Wasser- und Energieverbrauch seines Mieters zahlen müssen (LG Saarbrücken 20.5.16, 10 S 13/16; LG Hildesheim 10.3.17, 7 S 173/16). Diese Ansicht überzeugt nicht. Denn soll in der Entnahme von Wasser und Energie die konkludente Annahme des Vertragsangebots durch den Versorger liegen, müsste die Zugriffsmöglichkeit auf die Entnahmestellen stets ausschlaggebend sein.
Hat dagegen der Mieter die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss, wurde er bisher als Empfänger der Realofferte eingeordnet, damit auch Vertragspartner bei Entnahme von Energie oder Wasser und schließlich auch zahlungspflichtig (BGH 2.7.14, VIII ZR 316/13, NZM 14, 705; 22.7.14, VIII ZR 313/13, NZM 14, 702; 25.2.16, IX ZR 146/15, NZM 16, 676). Das bedeutete dann in der Praxis, dass der Vermieter immer „zur Kasse gebeten“ wurde, wenn er nicht darlegen und nachweisen konnte, dass der Mieter die alleinige Zugriffsmöglichkeit auf den Übergabepunkt (nochmals: nicht auf die Entnahmestellen) hat.
Der BGH hat diese frühere Rechtsprechung inzwischen für Mehrfamilienhäuser korrigiert (27 11.01, VIII ZR 165/18, IMR 20, 124) und bezieht jetzt die Kundenanlage in seine Wertung mit ein. Er sieht deshalb auch hier den Energie verbrauchenden Mieter einer Wohnung mit eigenem Zähler als Empfänger der Realofferte und weist die Zahlungsklage des Energieversorgers gegen den Vermieter und Hauseigentümer ab.
Wird mit Zwischenzählern gearbeitet, gilt nach dem LG Köln (11.7.18, 18 O 18/17): Versorgt der Zwischenzähler allein die Wohnung des Mieters, hat der Mieter auch die letzte Entscheidung darüber, ob und wie viel Strom entnommen wird. Dann ist er der Vertragspartner des Versorgers. Läuft aber zusätzlich über einen Zwischenzähler neben dem Stromverbrauch für die Mietwohnung auch „Allgemeinstrom“, wird der Vermieter insgesamt Vertragspartner des Energieversorgers. Denn er hat die endgültige Entscheidungsbefugnis über Leitungsführung, Verkabelung und Zählerbelegung und damit auch über die Stromentnahme. Bei einem komplett an den Mieter vermieteten Einfamilienhaus oder in sonstigen Fällen einer ihm allein zur Verfügung stehenden Mieteinheit ergeben sich keine Neuerungen. Denn hier war der Mieter bereits nach alter Ansicht stets zahlungspflichtig. Der Vermieter blieb außen vor.
d) Theorie trifft Praxis: Der Mieter muss zahlen, zahlt aber trotzdem nicht.
In dieser Situation wird der Vermieter trotzdem für seinen Mieter einspringen müssen, will er die Sperrung des Energieanschlusses und den Ausbau der Zählereinheit – wieder mit Folgekosten – vermeiden. Das Forderungsbeitreibungsrisiko gegenüber seinem Mieter liegt dann bei ihm. Will der Vermieter dies vermeiden, zahlt er ebenfalls nicht „und lässt es drauf ankommen“. Zu untersuchen bleibt dann, ob er selbst gegen seine mietvertragliche Pflicht verstößt, sicherzustellen, dass der Mieter mit Energie versorgt wird. Der BGH hatte im Fall einer Energiesperre, hervorgerufen durch den Zahlungsverzug des Mieters mit einem Direktversorgungsvertrag zum Energieanbieter, ein Minderungsrecht wegen des weggefallenen Energiebezugs zu Recht abgesprochen (BGH 15.12.10, VIII ZR 113/10, NZM 11, 198).
Allerdings ist der Anspruch des Mieters auf Herstellung und Aufrechterhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB davon unabhängig zu sehen. Hier kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Wohnung über die Möglichkeit zum Bezug von Energie (Gas und Strom) sowie Wasser verfügen muss, um ein zeitgemäßes Wohnen darstellen zu können. Der Vermieter darf deswegen zunächst nicht eigenmächtig die Energiezufuhr sperren (Verbot des „Ausfrierens“: AG Berlin-Schöneberg 26.4.10, 5 C 49/10, NZM 11, 72; BGH NJW 09, 1947; KG NZM 11, 778). Auch wenn der Vermieter sich weigert, für den Mieter einzuspringen, und es so schließlich zur Energiesperre kommt, liegt der hier betrachtete Fall völlig anders als der Tatbestand des „Ausfrierens“. Denn der Mieter selbst ist aufgrund seines Direktlieferungsvertrags mit dem Energieversorger diesem gegenüber zahlungspflichtig. Diese Pflicht hat er zum Nachteil des Vermieters (Folgekosten mit Schadenersatzfolge) verletzt. Dieses Faktum steht in Gestalt des Einwandes unzulässiger Rechtsausübung einem Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen.
Einzelne kommunale Versorgungsunternehmen ziehen daraus Konsequenzen: Sie gehen dazu über, mit Mietern abgeschlossene Direktlieferungsverträge für den Energie- und Wasserbezug schlicht zu ignorieren und den Immobilieneigentümern und Vermietern die Rechnungen für ihre Mieter zu präsentieren. Dazu berufen sie sich auf kommunale Satzungen, die den Immobilieneigentümer als Schuldner für entstandene Gebührenpflichten sehen. Dabei wird zum Ausdruck gebracht, dass man bei Mietern häufiger mit Zahlungsausfällen rechnen müsse und sich daher an den Eigentümer wende. Die rechtliche Würdigung dieses Verwaltungshandelns ist dabei ein eigenes Thema.
AUSGABE: MK 4/2025, S. 75 · ID: 50350601