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MKMietrecht kompakt

EigenbedarfEigenbedarfskündigung eines DDR-Altmietvertrags mit Kündigungsbeschränkung

Abo-Inhalt31.03.20258 Min. LesedauerVon VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

| DDR-Altmietverträge beschäftigen die Rechtsprechung (inzwischen) eher selten, werden aber immer noch auch an den BGH herangetragen. Vor Kurzem hatte der BGH durch eine Entscheidung aus Dresden Gelegenheit, der Frage der Schließung einer (vertraglichen) Regelungslücke in einem unter Geltung des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB) abgeschlossenen Mietvertrags nachzugehen (BGH 22.2.22, VIII ZR 38/20, MK 23, 108). In einem Fall aus Berlin hat er sich mit den Rechtswirkungen der (nicht ganz eindeutigen) Bezugnahme auf das ZGB in einem Altmietvertrag befasst. |

Sachverhalt

Die Beklagten sind aufgrund eines am 10.7.90 mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg geschlossenen Formularmietvertrags Mieter einer 3-Zimmer-Wohnung im früheren Ost-Berlin. Der Mietvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. In Ziffer IX des Mietvertrags ist bestimmt: „Das Mietverhältnis endet durch: a) Vereinbarung der Vertragspartner, b) Kündigung durch den Mieter, c) gerichtliche Aufhebung“.

Der Kläger, der selbst zur Miete wohnt, ist aufgrund Eigentumserwerb an der Wohnung in das Mietverhältnis eingetreten. Am 31.7.20 erklärte er die Kündigung wegen Eigenbedarfs zum 30.4.21. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5.4.20 sprach er sie erneut aus. Mit der Klage verfolgt er die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das AG hat der Klage nach Beweisaufnahme über den geltend gemachten Eigenbedarf stattgegeben. Das LG hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat das Bestehen des Eigenbedarfs offengelassen. Die Kündigungen seien bereits unwirksam, weil die Mietvertragsklausel die Geltendmachung von Eigenbedarf zwar nicht vollständig ausschließe, aber konkludent auf §§ 120 ff. ZGB Bezug nehme. § 122 Abs. 1 ZGB ordne als weitere Wirksamkeitsvoraussetzung an, dass die Wohnung vom Vermieter „dringend“ benötigt werde. Die vom Kläger eingelegte Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 13.11.24, VIII ZR 15/23, Abruf-Nr. 246605).

Entscheidungsgründe

Der BGH sieht es anders. Er arbeitet sorgfältig heraus, aus welchen Gründen eine Anwendung des § 122 Abs. 1 ZGB ausgeschlossen ist.

Beachten Sie | § 122 Abs. 1 S. 1 ZGB besagte, dass ein Mietverhältnis auf Verlangen des Vermieters auch aufgehoben werden kann, wenn der Vermieter aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen die Wohnung dringend benötigt (Eigenbedarf).

Anwendung des § 122 Abs. 1 ZGB ausgeschlossen

Die Regelung ist nicht mehr anzuwenden, denn nach Art. 232 § 2 EGBGB richten sich Mietverhältnisse aufgrund von Verträgen, die – wie hier – vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik geschlossen worden sind, von diesem Zeitpunkt an nach dem BGB. Ziel der Regelung war es, bestehende Mietverträge zur Herstellung und Bewahrung der Rechtseinheit in den Regelungsbereich des BGB überzuleiten (BT-Drucksache 11/7817, S. 38). Die Folge der Regelung ist, dass für nach dem 3.10.90 entstandene Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien das BGB heranzuziehen ist, für davor abgeschlossene Sachverhalte das in der DDR geltende Recht (so schon: BGH 13.6.07, VIII ZR 387/04; 22.2.22, VIII ZR 38/20). Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigungen richtet sich demnach (allein) nach den mietrechtlichen Vorschriften des BGB (§ 542 Abs. 1, §§ 568, 573 ff. BGB), der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Beachten Sie | Das LG hat das Recht des Klägers zur Eigenbedarfskündigung wegen Ziffer IX Buchst. c des Mietvertrags unter die weitere Wirksamkeitsvoraussetzung des § 122 Abs. 1 S. 1 ZGB gestellt. Es hat angenommen, dass die ZGB-Vorschrift „konkludent“ in Bezug genommen werde und die Regelung im Mietvertrag damit in ihrer Wirkung einer „gesetzesverstärkenden Bestandsschutzklausel“ entspreche (wird ausgeführt). Eine vergleichbare Rechtslage liegt hier jedoch nicht vor. Der erhöhte Bestandsschutz ergibt sich – auch nach Auffassung des LG – nicht aus der Klausel selbst, sondern aus einer Bezugnahme auf eine gesetzliche Regelung, die nicht mehr anwendbar ist. Einer etwaigen Fortgeltung der Regelung in Ziffer IX Buchst. c des Mietvertrags steht hier – so der BGH – die spezielle gesetzliche Vorschrift in Art. 232 § 2 EGBGB (abschließend) entgegen. Das gelte selbst dann, wenn die vertragliche Regelung nicht nur deklaratorischen Charakter habe, wofür aus Sicht des BGH vieles spreche, sondern als eigenständige vertragliche Bestimmung anzusehen wäre.

Wille des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber wollte mit dem Wirksamwerden des Beitritts und der damit nach Art. 230 Abs. 2 EGBGB verbundenen Geltungserstreckung des BGB die im Beitrittsgebiet bestehenden Mietverträge in das bundesdeutsche Mietrecht der §§ 535 ff. BGB überleiten. Zu diesem Zweck ordnete er in Art. 232 § 2 Abs. 1 EGBGB ausdrücklich an, dass für solche Altmietverträge ab diesem Zeitpunkt die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften gelten sollen. Diese Überleitung sollte allerdings sozialverträglich gestaltet werden (BT-Drucksache 11/7817, S. 39), weshalb der Gesetzgeber für eine Übergangszeit – u. a. auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhende – besondere Schutzvorschriften für das Beitrittsgebiet als erforderlich ansah (BT-Drucksache 12/2758, S. 5). Deshalb hat er in weiteren – später mehrfach geänderten und erst mit Wirkung zum 1.5.04 vollständig entfallenen – Absätzen des Art. 232 § 2 EGBGB Sonderbestimmungen getroffen, die die nach den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des BGB für den Vermieter bestehenden Möglichkeiten zur ordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses für diese Übergangszeit modifizierten. So war nach Art. 232 § 2 Abs. 2 EGBGB bis zu dessen Aufhebung mit Wirkung zum 1.5.04 eine Verwertungskündigung nach § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F.) gänzlich ausgeschlossen. Der Ausschluss wurde damit begründet, dass das ZGB einen solchen Kündigungstatbestand nicht kannte und seine Einführung weder zur Herstellung der Rechtseinheit noch aus wohnungswirtschaftlichen oder rechtspolitischen Gründen geboten erscheine (BT-Drucksache 11/7817, S. 38).

Die Kündigung wegen Eigenbedarf nach § 564b Abs. 2 Nr. 2 S. 1 BGB a. F. (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F.) war gemäß Art. 232 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB für eine mehrjährige Übergangszeit (Wartefrist) bis zum 31.12.95 ausgeschlossen. Die ausdrücklich als Schutzvorschrift gegen Eigenbedarfskündigungen bezeichnete Bestimmung (BT-Drucksache 12/3254, S. 10, 20; 12/3605, S. 1) sollte vermeiden, dass das Beitrittsgebiet „unmittelbar nach dem Wirksamwerden des Einigungsvertrags von einer Welle von Eigenbedarfskündigungen überrollt wird“ (BT-Drucksache 11/7817, S. 39; 12/2758, S. 5; 12/3254, S. 19 f.). Die Mieter in den östlichen Bundesländern sollten durch die Wartefrist die Möglichkeit erhalten, sich zunächst mit dem Inhalt und auch den Schutzvorschriften des sozialen Mietrechts so vertraut zu machen, dass dieses seine Schutzwirkungen im gleichen Maße wie in den westlichen Bundesländern entfalten kann (BT-Drucksache 12/3254, S. 20). Die allgemeinen Vorschriften des sozialen Mietrechts nach dem BGB sollten dort zudem erst dann anwendbar sein, wenn die Wohnraumversorgung zumindest nicht mehr wesentlich hinter der in den alten Bundesländern zurückbleibt (BT-Drucksache 12/2758, S. 5).

In der Gesamtschau der Vorschriften und der diesbezüglichen Erwägungen des Gesetzgebers ergibt sich für den BGH, dass die in Art. 232 § 2 EGBGB geregelten speziellen Bestimmungen i. V. m. den allgemeinen Vorschriften der §§ 564b, 565 BGB a. F. (§§ 573 ff. BGB n. F.) eine vollständige und abschließende gesetzliche Regelung der Befugnis von Vermietern zur Beendigung bestehender Altmietverträge gegen den Willen der Mieter im Beitrittsgebiet darstellen sollten. Der Gesetzgeber hat sowohl die mietrechtlichen Vorschriften des BGB als auch die nach dem ZGB der DDR für den Vermieter bestehenden Möglichkeiten einer Aufhebung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen in den Blick genommen. Er hat die Belastungen, die sich aus der Überleitung der Altmietverhältnisse in das neue Rechtssystem für beide Mietvertragsparteien ergaben, einer als sozialverträglich und verfassungsrechtlich geboten angesehenen (Gesamt-)Regelung zuführen wollen.

Mit dieser Regelungssystematik sowie mit dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck der gesetzlichen (Übergangs-)Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, wäre gleich- oder sogar vorrangig zu diesen eine aus der Zeit vor dem Beitritt stammende, in einem Altmietvertrag enthaltene Regelung der Parteien zur Beendigungsbefugnis des Vermieters maßgeblich, die – wie Ziffer IX Buchst. c des Mietvertrags – auf die Vorschriften des ZGB der DDR abstellt. Demzufolge sind seit dem Wirksamwerden des Beitritts die vom Gesetzgeber mit Art. 232 § 2 EGBGB i. V. m. §§ 564b, 565 BGB a. F. bzw. §§ 573 ff. BGB getroffenen speziellen Bestimmungen zum Kündigungsrecht des Vermieters zwingend anzuwenden und hiervon abweichende vertragliche Regelungen in DDR-Altmietverträgen unwirksam (geworden).

Beachten Sie | Abschließend lässt der BGH einmal mehr offen, ob auch ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Wohnraummietvertrag in entsprechender Anwendung des § 544 BGB nur gekündigt werden kann, wenn das Kündigungsrecht für eine Partei vertraglich vollständig – und nicht nur teilweise – ausgeschlossen ist (bereits offengelassen: BGH 8.5.18, VIII ZR 200/17). Auf die Beantwortung der Frage kam es nicht an, weil die Befugnis des Klägers zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrags allein nach den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des BGB zu beurteilen ist.

Relevanz für die Praxis

Die unmittelbare rechtliche Relevanz der Entscheidung ist naturgemäß begrenzt. Sie zeigt, dass das auch daran liegt, dass vertragliche Regelungen in DDR-Altmietverträgen, die die äußerst begrenzten Möglichkeiten eines Vermieters, einen Mietvertrag gegen den Willen des Mieters zu beenden, kaum denkbar sind. Nimmt ein Altmietvertrag nur auf das ZGB der DDR Bezug, kann diesem nicht über den Umweg des Vertrages entgegen der Überleitungsregelung in Art. 232 § 2 EGBGB zur Geltung verholfen werden.

Der BGH nutzt die Gelegenheit, um die – unbekannten und/oder in Vergessenheit geratenen – ungewöhnlichen Abwägungsentscheidungen des Gesetzgebers bei der Herstellung der Rechtseinheit und der Überleitung der im Beitrittsgebiet fortbestehenden Wohnraummietverhältnisse in den Regelungsbereich des BGB zu rekapitulieren. Die Härtefallregelungen zugunsten von Vermietern in der Übergangszeit verdeutlichen in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte und damit verbundener, bundesweit zu beobachtender Zunahme von Eigenbedarfskündigungen, dass – auch in der Vergangenheit – nicht nur Mieter Betroffene der schwierigen Wohnungsmarktsituation waren und aktuell sind.

AUSGABE: MK 4/2025, S. 67 · ID: 50350600

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