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WEG-NovelleDuldungsanspruch gegen Drittnutzer
| § 15 WEG n. F., der die Pflichten Dritter regelt, ist im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG n. F. zu lesen. Nach § 13 Abs. 1 WEG n. F. kann der Eigentümer sein Sondereigentum vermieten. Vor der WEG-Novelle kam es zu Spannungen zwischen Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Daher verfolgte der Gesetzgeber eine Harmonisierung, vor allem bei Baumaßnahmen in der Anlage. Gerade dort haben Eigentümer ein schutzwürdiges Interesse, nicht behindert zu werden, weil Wohnungen vermietet sind. Umgekehrt hat jeder Mieter ein berechtigtes Interesse, über Baumaßnahmen rechtzeitig informiert zu werden, um sich auf diese einzustellen (BT-Drucksache 19/18791, S. 29). Der neue § 15 WEG n. F. regelt somit erstmals die Rechtsbeziehungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einzelner Eigentümer gegen Drittnutzer (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1588). Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten. |
1. Allgemeines
Konkret begründet § 15 WEG n. F. einen Anspruch der Gemeinschaft und einzelner Eigentümer gegen Drittnutzer auf Duldung von Erhaltungs- und baulichen Maßnahmen. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass solche Maßnahmen nicht an Gebrauchsrechten Dritter scheitern. Vor allem die Durchsetzung der nach dem WEG bestehenden Ansprüche eines Eigentümers auf bestimmte bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 und 3 WEG n. F. sollen nicht dadurch erschwert werden, dass ein anderer Eigentümer den Gebrauch seiner Wohnung einem Dritten überlassen hat (BT-Drucksache, a. a. O., S. 54). Ob § 15 WEG n. F. ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Dritten und dem Bauherrn begründet, ist umstritten (bejahend MüKo / Skauradszun, BGB, § 15 WEG Rn. 6; a. A. Bärmann/Suilmann, WEG, § 15 Rn. 7).
§ 15 WEG n. F. dient dem Schutz der Gemeinschaft sowie einzelner Eigentümer, weil der Drittnutzer verpflichtet ist, unmittelbar und unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen bauliche Maßnahmen zu dulden. Er ist dabei aber nicht schutzlos, sondern ähnlich wie ein Mieter geschützt. So muss die Maßnahme angekündigt werden. Zudem kann sich der Drittnutzer u. U. auf einen Härteeinwand berufen (BT-Drucksache 19/18791, S. 54). § 15 WEG n. F. gilt für alle Personen, die Wohnungseigentum gebrauchen, ohne Wohnungseigentümer zu sein. Dies sind vor allem Mieter, aber auch der Untermieter, Hausangehörige, Angestellte, dinglich Wohnungsberechtigte, Nießbraucher und alle anderen Personen, denen der Gebrauch überlassen wurde (Grüneberg / Wicke, BGB, 84. Aufl., § 15 WEG Rn. 1).
Die Duldungspflicht besteht gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und gegenüber einzelnen Eigentümern, je nachdem, wer die Maßnahme durchführt. Sie besteht dagegen nicht gegenüber dem Eigentümer, von dem der Drittnutzer sein Gebrauchsrecht ableitet, typischerweise also seinem Vermieter. Denn § 15 WEG n. F. hat nicht die Funktion, die Rechte des überlassenden Wohnungseigentümers aus dem Rechtsverhältnis zu modifizieren, das der Überlassung zugrunde liegt. Dafür besteht auch kein Bedürfnis, weil der überlassende Eigentümer auf die Gestaltung dieses Rechtsverhältnisses Einfluss nehmen kann (BT-Drucksache 19/18791, S. 54). Der Anwendungsbereich von § 15 Nr. 1 WEG n. F. bezieht sich daher auf Erhaltungsmaßnahmen anderer Eigentümer an ihrem Sondereigentum, wodurch der Drittnutzer beeinträchtigt ist (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 1615).
2. Erhaltungsmaßnahmen
Nach § 15 Nr. 1 WEG n. F. hat der Drittnutzer die Pflicht, Erhaltungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum und Sondereigentum zu dulden. Der Begriff Erhaltung ist in § 13 Abs. 2 WEG n. F. sowie § 555a Abs. 2 BGB legaldefiniert und meint die ordnungsgemäße Instandhaltung und -setzung. Dabei sind unter Instandhaltung alle Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, gebrauchsbedingte Abnutzungserscheinungen zu beseitigen und vor drohenden Schäden zu schützen. Bei der Instandsetzung geht es um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (Hügel/Elzer, WEG, § 15 Rn. 5). Voraussetzung für die Duldungspflicht ist die rechtzeitige Ankündigung der Erhaltungsmaßnahme.
3. Ankündigung
Die Ankündigung muss Beginn und Dauer der Maßnahmen angeben. Eine genaue Baubeschreibung ist nicht erforderlich (Lehmann-Richter / Wobst, a. a. O., Rn. 1619). Sie ist weder an eine bestimmte Form noch an eine Frist gebunden (Hügel / Elzer, a. a. O., Rn. 7) und daher auch mündlich möglich (MüKo / Skauradszun, a. a. O., Rn. 16). Sie ist Fälligkeitsvoraussetzung des Duldungsanspruchs (BT-Drucksache 19/18791, S. 54). Einer Ankündigung bedarf es stets, wenn das zum Gebrauch überlassene Wohnungseigentum zur Ausführung der Arbeiten, Feststellung von Mängeln oder für wiederkehrende Routinekontrollen, wie Errichtung eines Heizkostenzählers, betreten werden muss (Bärmann / Suilmann, a. a. O., Rn. 12).
Merke | Die Maßnahme ist von demjenigen anzukündigen, zu dessen Gunsten die Duldungspflicht besteht. Das ist abhängig davon, wer die Maßnahme durchführen will, also die Gemeinschaft, die nach § 9b Abs. 1 WEG n. F. vom Verwalter vertreten wird oder der einzelne Eigentümer (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 9). |
Beachten Sie | Fehlt die Ankündigung oder ist sie nicht rechtzeitig, ist der Drittnutzer nicht zur Duldung verpflichtet (Bärmann/Suilmann, a. a. O., Rn. 25). § 555a Abs. 2 BGB gilt entsprechend. Die Rechtzeitigkeit ist deshalb wie dort zu verstehen und richtet sich vor allem nach Dringlichkeit und Umfang der Maßnahme. So ist z. B. der Austausch von Heizkörpern in den Wintermonaten dringlicher und kann mit einer kürzeren Frist einhergehen als der Austausch im Sommer (MüKo/Skauradszun, a. a. O., Rn. 17). Letztendlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Eine Ankündigung ist entsprechend § 555c Abs. 4 BGB entbehrlich, wenn die Maßnahme nur mit einer unerheblichen Einwirkung verbunden oder ihre sofortige Durchführung zwingend erforderlich ist (BT-Drucksache 19/18791, S. 54). Zwingend erforderlich ist z. B. eine dringende Reparatur nach einem Rohrbruch oder bei einem durch ein Unwetter zerstörten Dach (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 10). Eine unerhebliche Einwirkung liegt vor, wenn für die Maßnahme der Zutritt zur Wohnung des Drittnutzers nicht erforderlich ist. Darunter fallen z. B. Malerarbeiten im Hausflur oder Arbeiten im Außenbereich (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 1622). Bei unerheblicher Einwirkung ist die Ankündigung gemäß § 555c Abs. 4 BGB entbehrlich. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 30).
4. Duldungspflicht
Liegen die Voraussetzungen des § 15 Nr. 1 WEG n. F. vor, müssen Drittnutzer Maßnahmen am Gemeinschafts- oder Sondereigentum dulden, unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen mit vermietenden Eigentümern. Die Duldung umfasst nur das „Hinnehmen“ und kein aktives Mitwirken, z. B. Möbel entfernen. Das „Hinnehmen“ darf jedoch nicht zu einer Behinderung führen, z. B. durch Nichteinhalten von Terminabsprachen (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 11 f.).
5. Bauliche Maßnahmen
Nach § 15 Nr. 2 WEG n. F. hat der Drittnutzer die Pflicht, bauliche Maßnahmen zu dulden, die über Erhaltungsmaßnahmen hinausgehen. Dies bezieht sich – genauso wie § 15 Nr. 1 WEG n. F. – auf das Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum. Der Sache nach geht es um bauliche Veränderungen. Da sich dieser Begriff nach § 20 Abs. 1 WEG n. F. aber auf das gemeinschaftliche Eigentum bezieht, spricht § 15 Nr. 1 WEG n. F. allgemein von Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen (BT-Drucksache 19/18791, S. 54). § 15 Nr. 2 WEG n. F. regelt ausschließlich die Duldungspflicht des Drittnutzers. Etwaige Rechte des Drittnutzers im Zusammenhang mit der Baumaßnahme (z. B. Aufwendungsersatzansprüche und Sonderkündigungsrechte) bleiben unberührt (BT-Drucksache 19/18791, S. 55). Die Vorschrift ist aus der Sicht des WEG-Rechts zu sehen. Das führt dazu, dass z. B. ein Mieter nach § 15 Nr. 2 WEG n. F. bauliche Maßnahmen dulden muss, die er im Verhältnis zum Vermieter nicht dulden muss (Lehmann-Richter / Wobst, a. a. O., Rn. 1628).
Die Maßnahmen sind spätestens drei Monate vor Beginn in Textform (§ 126b BGB) anzukündigen. Es genügt also eine E-Mail, eine Mitteilung über einen Kurznachrichtendienst oder ein formloses Schreiben ohne Unterschrift (MüKo / Skauradszun, a. a. O., Rn. 23). Die Frist beginnt mit Zugang der Ankündigung. Es gelten die §§ 187, 188 BGB (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 1632).
6. Verweis auf mietrechtliche Vorschriften
Nach § 15 Nr. 2 WEG n. F. gelten § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 und § 555d Abs. 2 bis 5 BGB entsprechend. Die Ankündigung der baulichen Maßnahme muss daher inhaltlich Angaben zu Art und voraussichtlichem Umfang, voraussichtlichem Beginn und voraussichtlicher Dauer enthalten. Zudem ist der Drittnutzer auf die Form und die Frist des Härteeinwandes hinzuweisen.
Aus der Verweisung ausgenommen ist § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB. Es bedarf somit bei der Ankündigung der baulichen Maßnahmen keiner Angabe zu einer etwaigen Mieterhöhung. Denn diese betrifft nur das Verhältnis zwischen vermietendem Eigentümer und Mieter. Ob der Vermieter nach einer Baumaßnahme durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Recht hat, nach § 559 BGB die Miete zu erhöhen, bestimmt sich allein nach den mietrechtlichen Vorschriften. Das Gleiche gilt für die Frage, ob der Vermieter gegenüber seinem Mieter die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ankündigung der Baumaßnahme erfüllt hat. Versäumnisse des Vermieters hierzu berühren die Duldungspflicht nach § 15 Nr. 2 WEG n. F. nicht (BT-Drucksache 19/18791, S. 55).
Praxistipp | Für die Art der baulichen Maßnahmen muss der Gegenstand der baulichen Veränderung bezeichnet werden. Der voraussichtliche Umfang meint die Intensität des Eingriffs. Der voraussichtliche Beginn und die voraussichtliche Dauer sind möglichst unter Angabe eines Datums und einer Uhrzeit anzugeben. Für den Hinweis auf den Härteeinwand genügt nicht der bloße Hinweis auf § 555d Abs. 3 BGB (Hügel / Elzer, a. a. O., Rn. 18 ff.). |
Wie konkret der Inhalt der Ankündigung sein muss, hängt von dem Informationsbedürfnis des Drittnutzers ab. Er soll Kenntnis erhalten und dadurch in der Lage sein, den Umfang seiner Duldungspflicht zu erkennen, um die für ihn erforderlichen Vorkehrungen treffen zu können. Er muss in die Lage versetzt werden, in groben Zügen die Folgen der geplanten Maßnahme auf seine Gebrauchsmöglichkeiten abzuschätzen (Bärmann / Suilmann, a. a. O., Rn. 30).
7. Härteeinwand und rechtzeitige Mitteilung
Der Drittnutzer muss die Maßnahme nicht dulden, wenn diese eine besondere Härte darstellt. § 15 Nr. 2 WEG n. F. verweist auf § 555d Abs. 2 BGB. Danach besteht keine Duldungspflicht, wenn die Modernisierungsmaßnahme für den Dritten, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Anspruchsberechtigten als auch von Belangen der Energieeinsparung und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist (MüKo / Skauradszun, a. a. O., Rn. 31). Zu den Angehörigen zählen auch Personen, die mit dem Drittnutzer das Wohnungseigentum auf Dauer mitgebrauchen, z. B. die Pflegekraft eines pflegebedürftigen Drittnutzers oder das Au-pair-Mädchen, Pflegekinder oder Kinder des Lebenspartners (Hügel / Elzer, a. a. O., Rn. 33).
Die Rechtsprechung bejaht eine Härte, wenn z. B. ein Mieter im Schichtdienst arbeitet und auf einen ungestörten Schlaf am Tag angewiesen ist oder wenn er schwer erkrankt ist (Bärmann / Suilmann, a. a. O., Rn. 32). Ob eine Härte vorliegt, ist abhängig vom Einzelfall (Lehmann-Richter / Wobst, a. a. O., Rn. 1645) und vom konkreten Drittnutzer (Hügel / Elzer, a. a. O., Rn. 33).
Härteeinwand:Form und Frist Praxistipp | Der Drittnutzer muss dem Anspruchsberechtigten nach § 15 Nr. 2 WEG n. F. i. V. m. § 555d Abs. 3 BGB Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Duldung begründen, bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang gemäß § 130 BGB der Modernisierungsankündigung folgt, in Textform gemäß § 126b BGB mitteilen. Der Lauf der Frist beginnt nur, wenn die Modernisierungsankündigung § 555c BGB entspricht (MüKo/Skauradszun, a. a. O., Rn. 34). Fehlt in der Ankündigung der Hinweis auf die Form und Frist des Härteeinwands, bedarf die Mitteilung des Dritten nach § 555d Abs. 3 BGB nicht der dort bestimmten Form und Frist (MüKo/Skauradszun, a. a. O., Rn. 36). Die Mitteilung muss eine vollständige Beschreibung des Härtegrundes beinhalten. Dies dient dem Interesse des Anspruchsberechtigten (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 1648). |
AUSGABE: MK 3/2024, S. 57 · ID: 49891174