Fort- und WeiterbildungskostenÜbernahme der Fortbildungskosten: In diesen Fällen ist Rückforderung durch Arbeitgeber möglich
| Die Übernahme von Fort- und Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber ist gängige Praxis, um die Qualifikation und Kompetenz der Mitarbeiter zu fördern und Fachkräfte zu binden. Doch was passiert, wenn ein Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt? In solchen Fällen können Rückzahlungsklauseln greifen, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der übernommenen Kosten verpflichten. Die Zulässigkeit solcher Klauseln und die Möglichkeiten der Rückforderung unterliegen jedoch strengen Voraussetzungen. LGP macht Sie nachfolgend damit vertraut. |
Pflichten und Grenzen bei Fort- und Weiterbildungskosten
Rückzahlungsklauseln verpflichten den Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber übernommenen Fort- oder Weiterbildungskosten zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Abzugrenzen hiervon sind Arbeitgeberdarlehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Finanzierung seiner Fort- und Weiterbildung gewährt; diese muss der Arbeitnehmer unabhängig vom Verbleiben im Unternehmen zurückzahlen.
Im Bereich der Berufsausbildung gelten keine Rückzahlungsklauseln, da der Ausbilder die Ausbildungsmittel kostenlos stellen muss. Es ist daher nicht zulässig, Auszubildende zur Zahlung einer Entschädigung für ihre Berufsausbildung zu verpflichten. Gleiches gilt z. B. für Berufspraktika und Volontariate.
Wichtig | Rückzahlungsklauseln können auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen vereinbart werden, unterliegen jedoch keiner strengen gerichtlichen Inhaltskontrolle. In den meisten Fällen werden Rückzahlungsklauseln aber vom Arbeitgeber vorformuliert und stellen regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar; als solche unterliegen sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, um eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zu verhindern.
Zulässigkeit von einzelvertraglichen Rückzahlungsklauseln
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind einzelvertragliche Rückzahlungsklauseln grundsätzlich zulässig (BAG, Urteil vom 21.07.2005, Az. 6 AZR 452/04, Abruf-Nr. 154657). Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen solche Zahlungsverpflichtungen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen können. Um festzustellen, ob die Interessen des Arbeitgebers, die erworbene Qualifikation des Arbeitnehmers langfristig zu nutzen, mit den Interessen des Arbeitnehmers, seine Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich angemessen an den Aufwendungen des Arbeitgebers zu beteiligen, in Einklang stehen, ist eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich.
Die Rechtsprechung befasst sich seit langem mit der Frage der unangemessenen Benachteiligung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Rückzahlungsklauseln. Im Folgenden werden die Aspekte genauer beleuchtet, die wiederholt Gegenstand gerichtlicher Urteile waren, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, worauf es in diesem Zusammenhang ankommt.
Arbeitnehmer muss durch die Fortbildung geldwerten Vorteil haben
Eine Rückzahlung kann dem Arbeitnehmer überhaupt nur zugemutet werden, wenn er durch die Fortbildung/Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt hat. Dies ist der Fall, wenn die Fortbildung beim aktuellen Arbeitgeber zu einer höheren Vergütung führt, die beruflichen Aussichten des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt verbessert oder die erworbenen Kenntnisse im weiteren Berufsleben von Nutzen sind.
Hingegen liegt kein geldwerter Vorteil vor, wenn die Fortbildung lediglich internen betrieblichen Zwecken dient, bereits vorhandene Fähigkeiten aufgefrischt werden oder die Anpassung der Kenntnisse an neue betriebliche Gegebenheiten auf Anweisung des Arbeitgebers erfolgt.
Beispiel |
... besteht kein geldwerter Vorteil Lösung: Der Sprachkurs dient der Einarbeitung für den Arbeitsplatz im Ausland. Die Klausel über die Kostenbeteiligung ist unwirksam, weil die Fortbildung nur betrieblichen Zwecken dient (BAG, Urteil vom 13.07.1985, Az. 5 AZR 573/84). |
Bindungsdauer muss angemessen sein
Zudem kann eine Rückzahlung in zeitlicher Hinsicht nicht unbegrenzt erfolgen, der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer wegen der Übernahme der Fort- und Weiterbildungskosten also nicht dauerhaft binden. Die erworbene Qualifikation und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies hängt vor allem von der Dauer der Fort- und Weiterbildungsmaßnahme ab. Grundsätzlich gilt folgende Abstufung:
Bindungsfrist ist gestaffelt nach Fortbildungsdauer | Gerechtfertigte Bindung |
Bis zu 1 Monat | Bis zu 6 Monate |
Bis zu 2 Monate | Bis zu 1 Jahr |
Zwischen 3 und 4 Monaten | Bis zu 2 Jahre |
Zwischen 6 Monaten und 1 Jahr | Bis zu 3 Jahre |
Mehr als 2 Jahre | Bis zu 5 Jahre |
Die Festlegung der Bindungsdauer basiert nicht auf rein mathematischen Grundsätzen, sondern auf gerichtlich entwickelten Richtwerten (BAG, Urteil vom 15.09.2009, Az. 3 AZR 173/08, Abruf-Nr. 093356). Aus diesem Grund sind individuelle Abweichungen unter besonderer Berücksichtigung der Dauer der Fort- und Weiterbildungsmaßnahme, der vom Arbeitgeber aufgewendeten Mittel und der erlangten Vorteile für den Arbeitnehmer nach oben oder unten zulässig. Wenn der erlangte Vorteil nur von vorübergehender Natur ist, spielt auch dieser Umstand bei der Festlegung der gerechtfertigten Bindungsdauer eine Rolle.
Nach den Kriterien der Rechtsprechung kann eine verhältnismäßig lange Bindung auch bei einer kürzeren Fortbildung bspw. dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall erhebliche Mittel für die Fortbildung aufwendet. Hier sind die tatsächlich anfallenden Kosten des Arbeitgebers in Relation zum Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers relevant.
Wichtig | Bei der Festlegung der zulässigen Bindungsdauer kommt es somit auf die Umstände des Einzelfalls an. Wird eine zu lange Bindungsdauer festgelegt, führt dies zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel. Der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers ist dann vollständig ausgeschlossen.
Rückzahlungsgrund muss vorliegen
Nicht jedes vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Bindungsdauer führt automatisch zu einer Rückzahlungspflicht. Vielmehr müssen die Gründe für das Ausscheiden aus dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitnehmers stammen (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2014, Az. 9 AZR 545/12, Abruf-Nr. 150388); dies ist insbesondere der Fall bei verhaltensbedingten Kündigungen seitens des Arbeitgebers oder bei Eigenkündigungen durch den Arbeitnehmer, die nicht durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlasst werden.
Es besteht somit keine Rückzahlungspflicht durch den Arbeitnehmer
- bei der betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2024, Az. 9 AZR 545/12, Abruf-Nr. 150388) oder
- bei der Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die auf Gründe zurückzuführen sind, die der Arbeitgeber mitzuverantworten hat, z. B. Kündigung des Arbeitnehmers, weil er nicht angemessen entsprechend seiner Ausbildung beschäftigt wird (BAG, Urteil vom 13.12.2011, Az. 3 AZR 791/09, Abruf-Nr. 133064) oder
- bei der Eigenkündigung des Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter, dauerhafter Leistungseinschränkungen (BAG, Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21, Abruf-Nr. 229055).
Wichtig | Eine Rückzahlungsklausel geht daher zu weit, wenn sie pauschal an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers anknüpft, die nicht auf vom Arbeitgeber zu verantwortenden Gründen beruhen. Denn nach Auslegung einer solchen Klausel wären auch Kündigungen erfasst, die der Arbeitnehmer ausspricht, weil er unverschuldet und ohne Beitrag des Arbeitgebers nicht mehr in der Lage ist, die erworbene Qualifikation im Rahmen seiner Arbeitsleistung einzusetzen.
Die Verpflichtung zur Rückzahlung kann auch für den Fall vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Fort- und Weiterbildung aufgrund von Umständen endet, die in der Verantwortung des Arbeitnehmers liegen (z. B. willkürliches Nichtantreten zur Prüfung; BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 187/22, Abruf-Nr. 236865). In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer nur die tatsächlich bis zum Ausscheiden entstandenen Kosten zurückzuzahlen, vorausgesetzt, dass er bei Abschluss der Fort- und Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt hätte. Dies gilt nicht nur für Fort- und Weiterbildungen, die in einem zusammenhängenden Zeitraum stattfinden, sondern auch für solche, die in mehreren zeitlich getrennten Abschnitten erfolgen (vgl. Urteil aus 2003; Teilnahme an einem Vorbereitungskurs für das Steuerberaterexamen über einen Zeitraum von acht Monaten).
Rückzahlungsklausel muss transparent sein
Eine Rückzahlungsklausel muss klar und verständlich formuliert sein, um dem Transparenzgebot gerecht zu werden. Dies bedeutet, dass die Klausel deutlich macht, welche finanziellen Verpflichtungen auf den Arbeitnehmer zukommen können. Dazu sollten die potenziell zu erstattenden Kosten in angemessener Weise angegeben werden, sowohl in Bezug auf den Grund als auch auf die Höhe (BAG, Urteil vom 21.08.2012, Az. 3 AZR 698/10, Abruf-Nr. 131280).
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die genauen Kosten der Fort- und Weiterbildung exakt zu beziffern, jedoch müssen die Angaben ausreichend sein, damit der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko einschätzen kann. Hierzu gehören zumindest die Art der Kosten (z. B. Lehrgangsgebühren, Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten) sowie die Parameter (z. B. Kilometerpauschale für Reisekosten, Tagessätze für Unterkunft und Verpflegung), anhand derer die Kosten berechnet werden.
Staffelung und Begrenzung der Rückzahlungsbeträge
Der zurückzufordernde Betrag darf nur den tatsächlich aufgewendeten Betrag, jedoch maximal den vereinbarten Betrag umfassen. Eine Rückzahlungsklausel sollte eine schrittweise Verringerung der Rückzahlungsschuld vorsehen und den Rückzahlungsbetrag im Laufe des Arbeitsverhältnisses allmählich reduzieren. Grundsätzlich sind jährlich abnehmende Rückzahlungsverpflichtungen zulässig. Wenn die Fort- und Weiterbildungskosten das Bruttomonatseinkommen um ein Vielfaches übersteigen, empfiehlt es sich, den Rückzahlungsbetrag differenzierter zu staffeln, etwa auf monatlicher Basis.
Ausgabe: 08/2024, S. 167 · ID: 50052927
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