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LohnzuschlägeSteuerfreie Zuschläge für Bereitschaftsdienste: Das sind die neuen lohnsteuerlichen Regeln

Top-BeitragAbo-Inhalt04.07.20247 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Wie sich der für die steuerfreien Zuschläge bei Bereitschaftsdiensten maßgebende Grundlohn ermittelt, war lange Zeit unklar. Vor allem bei Bereitschaftsdiensten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit mit gesonderten Vergütungen gab es Probleme. Jüngst hat der BFH jedoch für eine Klarstellung gesorgt und hat der ungünstigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung eine klare Absage erteilt. Ergo: Ein höherer Grundlohn als bislang angenommen ist begünstigt. LGP nimmt das zum Anlass, die steuerfreien Zuschläge für Bereitschaftsdienste zu betrachten. |

Steuerfreie Zuschläge für Bereitschaftsdienste

Möchte der Arbeitgeber für Bereitschaftsdienste am Sonntag, Feiertag oder in der Nacht steuerfreie Zuschläge zahlen oder ist er hierzu aufgrund eines Arbeits- oder Tarifvertrags verpflichtet, kann er die Zuschläge nicht in unbegrenzter Höhe steuerfrei belassen. Die maximal steuerfreie Höhe der Zuschläge regelt § 3b EStG. Hiernach ist konkret zu unterscheiden, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten der Arbeitnehmer die Bereitschaftsdienste tatsächlich und nachweisbar (z. B. durch Stundenaufzeichnungen) erbracht hat.

Arbeitszeit/Arbeitstag
Grundlage in § 3b EStGZuschlag (in % vom Grundlohn)
  • Nachtarbeit von 20:00 bis 06:00 Uhr
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2
25 %
  • Nachtarbeit in der Zeit von 00:00 bis 04:00 Uhr, wenn die Nachtarbeit vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde
Abs. 3 Nr. 1
40 %
  • Sonntagsarbeit von 00:00 bis 24:00 Uhr
Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 3
50 %
  • Nachtarbeit von 00:00 bis 04:00 Uhr an einem Montag, wenn die Nachtarbeit vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde
Abs. 3 Nr. 2
50 %
  • Arbeit an den gesetzlichen Feiertagen von 00:00 bis 24:00 Uhr
Abs. 1 Nr. 3
125 %
  • Nachtarbeit von 00:00 bis 04:00 Uhr an einem auf einen Feiertag folgenden Tag, wenn die Nachtarbeit vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde
Abs. 3 Nr. 2
125 %
  • Arbeit am 24.12. von 00:00 bis 14:00 Uhr
Abs. 1 Nr. 3
125 %
  • Arbeit am 24.12. von 14:00 bis 24:00 Uhr und Arbeit am 25.12., 26.12 und 01.05. von jeweils 00:00 bis 24:00 Uhr
Abs. 1 Nr. 4
150 %

Entscheidend ist alleine, dass es sich um eine im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit handelt. Dazu gehört auch das bloße Bereithalten einer tatsächlichen Arbeitsleistung, wenn gerade das – wie bei Bereitschaftsdiensten typisch – arbeitsvertraglich geschuldet ist (BFH, Urteil vom 16.12.2021, Az. VI R 28/19, Abruf-Nr. 227295). Es kommt also nicht darauf an, dass während der Bereitschaft tatsächlich Arbeiten angefallen sind; ebensowenig, wie der Bereitschaftsdienst arbeitszeitrechtlich eingeordnet wird.

Beispiel

Arbeitnehmerin L (Grundlohn 20 Euro je Stunde) leistet an einem Sonntag von zehn bis 18 Uhr Bereitschaftsdienst. In dieser Zeit fallen drei Arbeitseinsätze an.
Lösung: Der Arbeitgeber kann L zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (§ 8 Abs. 4 EStG) einen steuerfreien Zuschlag von bis zu 50 Prozent des Grundlohns zahlen. Maximal wären das 80 Euro (= 20 Euro x 8 Stunden x 50 %).

Wichtig | Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, überlagert der Feiertagszuschlag (125 oder 150 Prozent) den Sonntagszuschlag (50 Prozent). Die Zuschläge können nicht parallel gezahlt werden. Anders ist das bei dem Nachtzuschlag; dieser kann zusätzlich zum Sonn- oder Feiertagszuschlag gezahlt werden (R 3b Abs. 3 + 4 LStR).

Ausgangsbasis für die Zuschläge ist der Grundlohn

Das Problem an den steuerfreien Zuschlägen ist, dass sich der Zuschlagssatz auf den vereinbarten Grundlohn bezieht. Doch was ist der Grundlohn? Das ist gemäß § 3b Abs. 2 S. 1 EStG der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht – bezogen auf die jeweilige Arbeitsstunde. Soweit es sich nicht um einen Stundenlohn handelt, ist der vereinbarte Lohn zur Ermittlung der Zuschläge in einen Stundenlohn umzurechnen. Bei einem pauschalen Monatslohn ist dieser durch die mit dem Faktor 4,35 vervielfältigte regelmäßige Wochenarbeitszeit zu teilen (R 3b Abs. 2 Nr. 3 LStR). Der ermittelte Grundlohn wird in absoluter Höhe auf 50 Euro begrenzt (§ 3b Abs. 2 S. 1 EStG).

Zum Grundlohn gehört aber nicht nur der Stunden- oder Monatslohn, sondern auch Sachbezüge, Aufwendungszuschüsse und vermögenswirksame Leistungen, wenn sie steuerpflichtigen laufenden Arbeitslohn darstellen (R 3b Abs. 2 Nr. 1 b) LStR). Gleichermaßen sind Zuschläge und Zulagen, die wegen der Besonderheit der Arbeit in der regelmäßigen Arbeitszeit gezahlt werden, z. B. Erschwerniszulagen oder Schichtzuschläge, in die Ermittlung des Grundlohns einzubeziehen. Nicht berücksichtigt werden hingegen Vergütungen für Überstunden, steuerfreie oder nach § 40 EStG pauschal besteuerte Bezüge sowie alle sonstigen Bezüge.

Beispiel

Arbeitnehmer M erhält einen pauschalen Lohn von brutto 3.203 Euro bei einer 39-Stunden-Woche. Zusätzlich erhält er monatlich steuerfreie Sachbezüge (Tankgutschein) im Wert von 50 Euro, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 40 Euro und eine steuerpflichtige Erschwerniszulage von 150 Euro.
Lösung: Die in die Ermittlung des Grundlohns einzubeziehende Vergütung beträgt 3.393 Euro (3.203 Euro + 40 Euro + 150 Euro). Der steuerfreie Sachbezug von 50 Euro wird nicht berücksichtigt. Der Grundlohn von M beträgt damit 20 Euro (3.393 Euro : 4,35 : 39).

Bereitschaftsdienst nicht voll als Arbeitszeit gewertet – das gilt

Geleistete Bereitschaftsdienste werden in der Praxis häufig nicht in vollem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Hintergrund dafür ist, dass während der Bereitschaft nicht durchgehend Arbeit anfällt. Viele Arbeits- und Tarifverträge sehen daher vor, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschl. der tatsächlich geleisteten Arbeit nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet wird.

Beispiel

Arbeitnehmerin N leistet für acht Stunden Bereitschaftsdienst; ihr Stundenlohn beträgt 20 Euro. Erfahrungsgemäß fällt während der Bereitschaft ein Arbeitsaufwand im Umfang von 25 Prozent an. Im Arbeitsvertrag wurde daher geregelt, dass Bereitschaftsdienste zu 25 Prozent als Arbeitszeit gewertet werden.
Lösung: Für die geleistete Bereitschaft erhält N nicht 160 Euro (= 8 Stunden x 20 Euro), sondern lediglich 40 Euro (= 8 Stunden x 25 % x 20 Euro). Dieses Entgelt ist vollständig steuer- und beitragspflichtig.

Problematisch war bisher, wie zu verfahren ist, wenn ein nur anteilig als Arbeitszeit gewerteter Bereitschaftsdienst auf einen Sonn- oder Feiertag fällt bzw. in der Nacht geleistet wird. Denn soll für diese Zeiten ein nach § 3b EStG steuerfreier Zuschlag gezahlt werden, dann richtet sich die maximal steuerfreie Höhe nach dem Grundlohn. Fraglich war hier, ob der volle Grundlohn je tatsächlicher Stunde Bereitschaft oder der infolge der nur anteilig als Arbeitszeit gewerteten Bereitschaftszeit anteilige Grundlohn anzusetzen ist.

Beispiel

Der Grundlohn von Arbeitnehmer O beträgt 20 Euro; Bereitschaftsdienste werden mit 25 Prozent als Arbeitszeit gewertet. O leistet acht Stunden Bereitschaft an einem Sonntag. Dafür stehen O steuer- und beitragspflichtig 40 Euro zu (= 8 Stunden x 25 % x 20 Euro). Zusätzlich zahlt der Arbeitgeber einen Sonntagszuschlag.
Lösung:
  • Nach Ansicht der Finanzverwaltung wäre der auf 25 Prozent reduzierte Grundlohn maßgebend – infolge des nur zu 25 Prozent als Arbeitszeit gewerteten Bereitschaftsdienstes; der Arbeitgeber könnte höchstens einen steuerfreien Sonntagszuschlag von 20 Euro zahlen (= 8 Stunden x 25 % x 20 Euro x 50 %).
  • Nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung ist für die maximale Höhe des steuerfreien Sonntagszuschlags der ungekürzte Grundlohn maßgebend; dieser beträgt maximal 80 Euro (= 8 Stunden x 20 Euro x 50 %). Eine beachtliche Differenz von netto 60 Euro!
  • Bisher vertrat die Finanzverwaltung die – ungünstige – Auffassung, dass Zuschläge zur Bereitschaftsdienstvergütung nur insoweit steuerfrei sind, wie sie die in § 3b EStG vorgesehenen Prozentsätze, gemessen an der Bereitschaftsdienstvergütung, nicht übersteigen (H 3b „Bereitschaftsdienste“ LStH). Im obigen Beispiel hätten deshalb lediglich 20 Euro steuerfrei gezahlt werden können, weil die Bereitschaftsdienste nur zu 25 Prozent als Arbeitszeit gewertet werden. Entsprechend hatte auch der BFH im Jahr 2002 entschieden (Urteil vom 27.08.2002, Az. VI R 64/96, Abruf-Nr. 021563.
  • Das FG Niedersachsen entschied jedoch mit Urteil vom 15.12.2021 (Az. 14 K 268/18, Abruf-Nr. 228067), dass sich der Grundlohn im Sinne des § 3b Abs. 2 S. 1 EStG nach dem regulären, vertraglich vereinbarten – auf eine Stunde umgerechneten – Arbeitslohn bemisst. Das gilt auch, wenn die gesamte Dauer des geleisteten Bereitschaftsdienstes aufgrund arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen nicht vollständig als Arbeitszeit gewertet und entsprechend nur anteilig vergütet wird. Dieser für die Zeit des Bereitschaftsdienstes nur reduziert gezahlte Stundenlohn hat für die Frage danach, wie hoch die steuerfreien Zuschläge nach § 3b EStG ausfallen dürfen, keine Bedeutung. Dieser Ansicht hat sich jüngst auch der BFH angeschlossen (BFH, Urteil vom 11.04.2024, Az. VI R 1/22, Abruf-Nr. 242103, Rz. 29).

Diese neue – vom BFH abgesegnete – Rechtsauffassung ist nicht nur eine Verbesserung für alle Arbeitnehmer mit Bereitschaftsdienst; sie ermöglicht auch einen erheblich höheren Nettovorteil als bisher. Das gilt auch dann, wenn während der Bereitschaft keine belastenden Tätigkeiten anfallen.

Beispiel

Bisher sehen die vertraglichen Vereinbarungen vor, dass die Bereitschaftszeit aufgrund des geringen Arbeitsaufkommens lediglich zu 25 Prozent als Arbeitszeit vergütet wird. Bei Lohn von 20 Euro pro Stunde beträgt die Vergütung für Bereitschaftsdienste deshalb brutto fünf Euro pro Stunde (20 Euro x 25 %). Hinzu kommt ein steuerfreier Sonntagszuschlag von 2,50 Euro (5 Euro x 50 %).
Lösung: Auf Basis der neuen Rechtsprechung des BFH kann der steuerfreie Sonntagszuschlag von bisher 2,50 Euro auf 10,0 Euro je Stunde erhöht werden (= 20 Euro Grundlohn x 50 %). Das ist ein zusätzlicher Nettovorteil von 7,50 Euro pro Bereitschaftsstunde – die Übernahme der Bereitschaft wird deutlich lukrativer.

Wichtig | Die Steuerfreiheit der Zuschläge ist nach Ansicht des BFH auch dann nach den regelmäßigen monatlichen Dienstbezügen der Beschäftigten zu bemessen, wenn ein Bereitschaftsdienstentgelt und kein Stundenlohn gezahlt wird (BFH, Urteil vom 11.04.2024, Az. VI R 1/22, Abruf-Nr. 242103, Rz. 24).

Das gilt für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung

Bei den nach § 3b EStG steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit muss sozialversicherungsrechtlich differenziert werden: Die Steuerbefreiung nach § 3b EStG gilt für das sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt nur insoweit, wie der für die Berechnung zugrunde gelegte Grundlohn 25 Euro die Stunde nicht übersteigt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 SvEV). Ein Grundlohn in der Spanne von 25,01 bis 50 Euro führt nach Maßgabe des § 3b EStG zu lohnsteuerfreien Zuschlägen; diese unterliegen aber insoweit den Sozialabgaben, wie der Grenzwert von 25 Euro überschritten wurde.

AUSGABE: LGP 8/2024, S. 155 · ID: 50074784

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