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Mitarbeitende FamilienangehörigeVersicherungsverhältnis prüfen lassen
Angesichts der desolaten Finanzlage der Rentenversicherungsträger drängen immer mehr mitarbeitende Familienangehörige heraus aus der Sozialversicherung. Doch ganz so einfach ist es nicht, auch wenn die Publikumspresse dieses hin und wieder suggeriert.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) will eine "Befreiung" von der Sozialversicherungspflicht nur "in Einzelfällen" zulassen. Und zwar, wenn sich das Beschäftigungsverhältnis als selbstständige Tätigkeit oder lediglich familienhafte Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder Verwandten erweist. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die Tätigkeit mehr durch familienhafte Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander als durch einen für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet ist.
Nachfolgend finden Sie die Rechtsprechung aufgelistet nach den verschiedenen Unternehmensformen. Lesen Sie, wann sich welche Familienangehörige von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen können.
Eine "Familien-GmbH" liegt vor, wenn Verwandte allein oder zusammen mindestens 50 Prozent der Kapitalanteile an einer GmbH halten. Anhand weiterer Kriterien, wie Branchenkenntnisse und tatsächliche Stellung im Familienbetrieb, entscheiden die Prüfstellen, ob der Angehörige seine Beschäftigung im Rahmen der familiären Verbundenheit ausübt und damit als versicherungsfrei einzuordnen ist.
Das BSG hat dies wie folgt ausgedrückt: "Eine rechtlich bestehende Abhängigkeit kann durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet" (Urteil vom 17.5.2001, Az: B 12 KR 34/00 R; Abruf-Nr. 011073).
Gemeint sind die Fälle, in denen zum Beispiel die üblichen Geschäftsvorfälle gemeinsam besprochen und geregelt werden, wenn sie der Angehörige nicht schon von sich aus erledigt.
Unter den genannten Voraussetzungen können nicht nur der mit 50 Prozent oder mehr beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer (GGf), sondern darüber hinaus auch folgende Angehörige einer Familien-GmbH sozialversicherungsfrei sein:
- Der minderbeteiligte GGF (mit unter 50 Prozent Kapitalanteil)
- Der Fremdgeschäftsführer (Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung)
- Der ohne Geschäftsführerstellung nur mitarbeitende Angehörige, sofern er Kapitalanteile besitzt
Wichtig: Dies wird nicht zuletzt durch die Aufnahme dieser Personen in den amtlichen Feststellungsbogen mit Stand 7/98 belegt.
Außerhalb dieser Personenkreise hat die Rechtsprechung bei der Beschäftigung von Angehörigen in einer GmbH nur im Ausnahmefall eine versicherungsfreie Tätigkeit angenommen: So bei einem Ehegatten in normaler Arbeitnehmerstellung, wobei der andere Ehegatte sämtliche GmbH-Anteile hielt und der Sohn als einziger Geschäftsführer fungierte. Grund: Die anfallenden Aufgaben erledigten die Eheleute "arbeitsteilig" (SG Dortmund, Urteil vom 22.12.1992, Az: 26 Ar 191/91).
Ein schwaches Indiz für die selbstständige Tätigkeit eines Sohnes ohne Geschäftsführerstellung und Kapitalanteil gibt das BSG (die Sache wurde an das LSG zurückverwiesen). In diesem Fall sei, so das BSG, anhand verschiedener Tätigkeitsmerkmale zu prüfen, ob
- "der Sohn wie ein Alleininhaber bzw. wie ein Gesellschafter mit beherrschendem Einfluss für die GmbH ohne Eingliederung in den Betrieb tätig war";
- "ihm die Leitung des Betriebes im Vorgriff auf eine beabsichtigte Übertragung der Gesellschaft überlassen worden sein könnte" (Urteil vom 30.1.1990, Az: 11 RAr 47/88, NZA 1990, 952).
Andererseits kann die Ehefrau selbst dann sozialversicherungspflichtig sein, wenn sie Mitgesellschafterin und Darlehensgeberin in einer Familien-GmbH ist. Das wäre der Fall, wenn das Beschäftigungsverhältnis "... im Übrigen, insbesondere nach Weisungsunterworfenheit und der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, aber auch nach Art der wahrgenommenen Tätigkeit oder der Höhe der gezahlten Bezüge eine nichtselbstständige Arbeit" darstellt (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.12.2003, Az: L 1 KR 110/02, Abruf-Nr. 042999).
Wichtig: Entscheidend sind also letztlich immer die "tatsächlichen Verhältnisse". Weitere Einzelheiten finden Sie in der BfA-Broschüre "Selbstständige in der Rentenversicherung" unter "Familien-GmbH" mit Rechtsprechungsübersicht (7. Auflage, Seite 203).
Zum 1. Januar 2005 ändert sich die Zuständigkeit im Prüfverfahren für Ehegatten/Lebenspartner in Einzelunternehmen sowie für GGf einer GmbH. Ab diesem Zeitpunkt klärt allein die BfA als Clearingstelle die Versicherungspflicht im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens. Dies gilt allerdings nur bei der Anmeldung von neuen Beschäftigungsverhältnissen. Altfälle werden nicht aufgegriffen! Die BfA entscheidet auch mit Wirkung für die Arbeitslosenversicherung (Wegfall des § 336 SGB III). Die Krankenkassen und Betriebsprüfer sind damit künftig nicht mehr zuständig. Die §§ 28h und 28p SGB IV entfallen.
Soweit diese Personen in einer GmbH & Co. KG tätig sind, wird geprüft, ob der Einzelne auf Grund seiner Gesellschafterstellung als Kommanditist maßgeblichen Einfluss hat. Kriterien sind:
- Die Höhe seiner Kapitalbeteiligung
- Die vertraglichen Rechte in der KG
- Die eventuelle Kapitalbeteiligung an der Komplementär-GmbH als GGF
- Die familiäre Verbundenheit der Personen untereinander
Beachten Sie: Dasselbe gilt für andere Personengesellschaften, wie die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft (hier für den stillen Gesellschafter).
In Einzelunternehmen gelten die allgemeinen Grundsätze zur versicherungsrechtlichen Beurteilung. Bei diesem Personenkreis seien jedoch "häufig andere Bedingungen oder Umstände" anzutreffen, als "dies unter Fremdem üblich ist". Dies ergibt sich aus einer "gemeinsamen Verlautbarung" der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von mitarbeitenden Familienangehörigen in einem Einzelunternehmen vom 30. Mai 2000.
Es gilt: Je enger die persönlichen Beziehungen sind, desto eher ist ein Beschäftigungsverhältnis versicherungsfrei. Etwa wenn jemand gleichberechtigt mit dem Betriebsinhaber mitarbeitet oder die Mitarbeit in Form der familienhaften Mithilfe (nach Familienrecht) bzw. auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage (zwischen Ehegatten) erfolgt.
Eine Versicherungspflicht kommt nur in Frage, wenn ein ernsthaftes, vereinbarungsgemäß durchgeführtes sowie entgeltliches Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit vom Arbeitgeber "nachweisbar ist". Kriterien sind:
- Der mitarbeitende Familienangehörige
- ist in den Betrieb eingegliedert wie bei einer fremden Arbeitskraft, also in persönlicher Abhängigkeit, unter gleichzeitiger tatsächlicher Ausübung der Beschäftigung (BSG, Urteil vom 19.2.1987, USK 8717);
- unterliegt auch in abgeschwächter Form einem Weisungsrecht des Arbeitgebers;
- ersetzt eine fremde Arbeitskraft mit angemessenem und regelmäßig gezahltem Arbeitsentgelt über eine geringfügige Beschäftigung hinaus (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.11.1973, Az: L 16 Kr 106/71).
- Der Arbeitgeber führt Lohnsteuer hierauf ab und verbucht diese als Betriebsausgabe.
Wichtig: Fehlen die beiden ersten Voraussetzungen, "kann von familienhafter Mithilfe oder Selbstständigkeit ausgegangen werden". Die Person ist dann versicherungsfrei.
Merkmale einer solchen selbstständigen Tätigkeit sind "vornehmlich das eigene Unternehmerrisiko (auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage), eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft hinsichtlich seiner Gestaltung und der Arbeitszeit". Bei einer Abweichung der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen sollen die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben.
Für Ehegatten besteht Versicherungsfreiheit in folgenden Fällen:
- Sie haben Gütergemeinschaft vereinbart, und der Betrieb gehört zum Gesamtgut. Gleiches gilt für die neuen Bundesländer, wenn der Betrieb auf Grund des früheren gesetzlichen Güterstands der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft (so genannte Errungenschaftsgemeinschaft) Gemeinschaftseigentum ist. In beiden Fällen ist der Ehegatte Mitunternehmer.
- Sie haben durch den Einsatz von Vermögen und Arbeitsleistung ein Vermögen aufgebaut oder üben eine berufliche bzw. gewerbliche Tätigkeit gemeinsam aus. Damit verfolgen sie einen über die typische eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck. Auf diese Weise ist eine BGB-Gesellschaft entstanden.
- Die Ehegatten haben eine "reine Innengesellschaft". Der andere Ehegatte ist als "stiller Gesellschafter" zur Hälfte am Gewinn und Verlust der Firma beteiligt und übt maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb aus.
- Sind Ehegatten an Kapital- oder Personengesellschaften beteiligt, beurteilt sich ihre Mitarbeit, ungeachtet ihres Güterstands, nach den oben genannten Grundsätzen (siehe unter Familien-GmbH und Personengesellschaften).
Gegen eine Mitunternehmerschaft spricht, wenn die betrieblichen Werte niedrig sind. Anders ist es, wenn Ehegatten zum Beispiel ein Grundstück kostenlos oder verbilligt zur Nutzung überlassen, Kredite gewähren oder Bürgschaften eingehen. Hier fehlt es dann an dem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn mitbeschäftigte Familienangehörige diese Risiken zu Gunsten der Firma eingegangen sind.
Betroffene Personen sollten ihr Versicherungsverhältnis prüfen lassen, um Klarheit zu schaffen. Den amtlichen Feststellungsbogen finden Sie iim Online-Service unter der Rubrik "Arbeitshilfen und Checklisten".
AUSGABE: LGP 12/2004, S. 213 · ID: 111017