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StressmanagementWie Sie Mitarbeitenden (und sich selbst) helfen, mit Stress besser umzugehen

Abo-Inhalt16.01.2025613 Min. LesedauerVon Dipl.-Volksw. Stephanie Kiel, Kaarst, und Philipp Kemper, Personal Fitnesstrainer B. A., Düsseldorf

| Als Führungskraft können Sie nicht nur den eigenen Stresslevel in herausfordernden Zeiten meistern, sondern auch den Mitarbeitenden helfen, ihre Belastungen souverän zu bewältigen. Und genau darum geht es in diesem Beitrag: Er bietet praxisnahe, sofort umsetzbare Hilfen, um selbst in akuten Situationen „schnell runterzukommen“ und den Stress im Kanzleiteam zu reduzieren. Sie lernen gezielte und effektive Techniken kennen, die Sie nicht nur gelassener, sondern auch produktiver werden lassen. |

Druck erzeugt Stress

Druck ist ein wesentlicher Stressfaktor. Unser Körper reagiert auf Stress automatisch. Das vegetative Nervensystem schüttet Botenstoffe aus, die den Herzschlag beschleunigen und die Spannung in den Muskeln ansteigen lässt – beste Voraussetzungen, um zu kämpfen, wegzulaufen oder sich tot zu stellen. Das sind die Reaktionen, die unseren frühen Vorfahren das Überleben gesichert haben. Bei Steuerberatenden ist erhöhte Muskeltätigkeit jedoch meist keine angemessene Reaktion auf Stress. Und schlimmer noch, die Stresshormone Adrenalin und Cortisol sorgen dafür, dass die Großhirnrinde weniger durchblutet wird. Komplexe Problemlösungen und gute neue Ideen werden nicht unterstützt. Langfristig macht chronischer Stress krank.

Als Chef haben Sie Einflussmöglichkeiten

Ein ganz wesentlicher Faktor, um die biologische Stressreaktion nicht auszulösen, ist gefühlte Sicherheit. Auf die gefühlte Sicherheit Ihrer Mitarbeitenden zahlen folgende Faktoren positiv ein:

  • Ergebnissicherheit: Wenn ich etwas nicht weiß, kann ich mich an den Chef wenden. Sollten Sie darin sehr gut sein, achten Sie darauf, Ihre Mitarbeitenden zur Eigenverantwortung anzuhalten. Sonst übernehmen Sie Tätigkeiten, die nicht Ihrer Rolle entsprechen.
  • Prozessuale Sicherheit: Wenn Sie keine Ergebnissicherheit geben können oder wollen, geben Sie prozessuale Sicherheit. Sprechen Sie darüber, was als nächstes passiert, oder geben Sie Hinweise, wo die Mitarbeitenden die benötigen Informationen finden können.
  • Verlässlichkeit: Reagieren Sie auf gleiche Ereignisse nach Möglichkeit in gleicher Weise. Wenn Sie Mitarbeitende mal zurückgrüßen und mal nicht, kann das zu Irritationen führen. Die gefühlte Sicherheit schwindet. Das gilt genauso für negative Reaktionen. Wird ein Fehlverhalten mal angesprochen und mal nicht, hat das für das Sicherheitsempfinden negativere Auswirkungen, als wenn jeder weiß, was folgt.
  • Fehlerkultur: Sind Sie in der Lage, Mensch und Verhalten zu trennen, wenn Sie unerwünschtes Verhalten thematisieren? Die Mitarbeitenden sind viel leichter in der Lage, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie spüren, dass sie grundsätzlich als Mensch geschätzt werden. Wie macht man das? Überlegen Sie, woran Sie merken würden, dass Sie jenseits Ihrer Leistung als Mensch willkommen sind – und probieren das dann aus. Es kann für jede Person unterschiedlich sein. Das ist gelebte Führung.
  • Psychologische Sicherheit: Auch wenn es in den öffentlichen Debatten anders belegt ist, haben Sie eine „Willkommenskultur“? Spüren die Menschen, dass sie in Ihrem Unternehmen erwünscht sind? Heute sind viele Menschen sehr skeptisch geworden und es braucht viele positive Wiederholungen und absolut konsistentes Verhalten, bis sie vertrauen. Die Belohnung für Ihre Bemühungen ist aber nicht nur überdurchschnittliche Verbundenheit und Engagement, sondern auch gefühlte Sicherheit und damit Stressresistenz und bessere Arbeitsergebnisse.
  • Sie als Leuchtturm: Als Chef stehen Sie ständig unter Beobachtung. Sie sind Gradmesser für den Ernst der Lage. Senden Sie Stresssignale aus, die nicht eingeordnet werden können, wirkt sich das negativ auf das Sicherheitsgefühl Ihrer Mitarbeitenden aus.

So verbessern Sie die eigene Stresskompetenz

Wissen Sie, was Sie tun können, um unter Druck weiterhin entspannt zu sein und Ihre biologische Stressreaktion zu managen? Hier ein paar Techniken, die helfen:

  • Progressive Muskelentspannung (PMR/PME): Bei dieser Methode werden verschiedene Muskelgruppen systematisch angespannt und anschließend entspannt, um körperliche und geistige Anspannung abzubauen. Das fördert das Bewusstsein für Körperempfindungen und hilft, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Das Schöne daran ist, dass sich die Methode leicht erlernen lässt, nahezu überall anwendbar ist und dabei nur wenig Zeit in Anspruch nimmt.
  • Atemübungen: Sie sind eine weitere Möglichkeit, sich in akuten Phasen zu entspannen und die Stresskompetenz zu verbessern. Eine sehr bekannte Variante ist die 4-7-8-Atmung, die wir auch selbst einsetzen. Dabei atmet man zunächst vier Sekunden lang durch die Nase ein, hält den Atem für sieben Sekunden an und atmet dann langsam über acht Sekunden durch den Mund aus. Diese Übung aktiviert das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung zuständig ist, und hilft, durch die langen Atemzyklen die Herzfrequenz zu verlangsamen. Durch die Fokussierung auf den Atem wird der Geist beruhigt und von stressauslösenden Gedanken abgelenkt. Um die Übung fokussiert durchzuführen, suchen Sie sich einen Rückzugsort, an dem Sie für ein paar Atemzüge ungestört sein können.

Die beiden Methoden eignen sich besonders gut in akuten Stressphasen. Wenn Sie längerfristig die Stresskompetenz verbessern wollen, ist ein bisher weniger bekanntes Prinzip äußerst vielversprechend.

  • Gehirnjogging in Kombination mit Bewegung: Dieses innovative Trainingskonzept, das Bewegung, Wahrnehmung und Gehirntraining miteinander kombiniert, fördert die geistige Flexibilität, Koordination und Konzentration durch verschiedene Übungen, die sowohl den Körper als auch das Gehirn aktivieren. Stellen Sie sich vor, Sie würden morgens die Zähne mit der anderen Hand (links für Rechtshänder) putzen, während Sie zeitgleich einen Tennisball unter einem Fuß rollen. Klingt anspruchsvoll und genau das soll es auch sein. Das Training stimuliert die neuronale Vernetzung im Gehirn, was die kognitive Leistungsfähigkeit steigert und emotionalen Stress reduziert. Zum einen, weil der Geist von stressauslösenden Gedanken abgelenkt wird. Zum anderen, weil die Fehleranfälligkeit sinkt und die Produktivität unter Druck verbessert wird. Beide Effekte führen zu einer spürbaren und nachhaltigen Stressreduktion und Leistungssteigerung.

Eigenes Stressmanagement lohnt sich mehrfach

Als Führungskraft haben Sie maßgeblichen Einfluss darauf, wie gut die Mitarbeitenden – und Sie selbst – mit Stress umgehen. Der Schlüssel liegt darin, ein Umfeld zu schaffen, das Sicherheit vermittelt. Dazu gehört, Ergebnissicherheit und verlässliche Prozesse zu bieten, eine positive Fehlerkultur zu leben und psychologische Sicherheit zu fördern. Darüber hinaus ist es entscheidend, die eigene Stresskompetenz zu stärken, sei es durch progressive Muskelentspannung, Atemtechniken oder innovative Methoden wie Gehirnjogging in Kombination mit Bewegung. Investieren Sie in das eigene Stressmanagement, profitieren Sie doppelt: Sie werden leistungsfähiger und können ein attraktiver Anziehungspunkt für neue Talente sein.

Zu den Autoren | Stephanie Kiel war langjährige Führungskraft in einem DAX-Konzern und coacht jetzt Unternehmen und Privatpersonen zu Effizienz und Lebensqualität. Philipp Kemper ist Sportwissenschaftler, Personal Trainer und Hochschuldozent für Fitness und Gesundheit.

Weiterführende Hinweise
  • Kanzleien im Dauerstress: Praxiserprobte Maßnahmen zur effektiven Entlastung im Steuerberater-Alltag (KP-Sonderausgabe 2024)
  • Konflikte in der Steuerkanzlei: Praxiserprobte Maßnahmen zur effektiven Prävention und Intervention (KP-Sonderausgabe 2024)
  • Krisenfeste Kanzlei (KP-Sonderausgabe 2024)

AUSGABE: KP 2/2025, S. 20 · ID: 50191979

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