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Legal TechBerufsrecht 1 : Legal Tech 0 – ein Pyrrhus-Sieg?

Abo-Inhalt16.01.20254 Min. LesedauerVon RA Hans-Günther Gilgan, Senden

| Der BGH (18.4.24, IX ZR 89/23) hat entschieden, dass eine Online-Plattform, die Anwälten Mandanten vermittelt, gegen das Provisionsverbot nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO verstößt. Durch die §§ 9, 9a StBerG gilt auch für Steuerberater ein Provisionsverbot, weshalb diese Entscheidung auch für Steuerberater gilt. |

Funktionsweise des Geschäftsmodells

Auf der Internetplattform konnten sich Interessenten mit Verkehrsverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen oder anderen Verkehrsordnungswidrigkeiten anmelden. Die Plattform ermöglichte es den Nutzern, ihre Bußgeldbescheide oder Anhörungsbögen hochzuladen, um sie kostenlos und ohne Kostenrisiko überprüfen zu lassen, wobei später nur diejenigen angenommen wurden, die eine Rechtsschutzversicherung hatten. Der Plattformbetreiber ließ unter Beifügung der unterschriebenen Vollmacht die Erfolgsaussichten von der eingeschalteten Anwaltskanzlei prüfen. Boten diese Aussicht auf Erfolg, übernahm die Kanzlei den Auftrag. Damit wurde der Rechtsanwaltskanzlei ein Auftrag vermittelt, wofür der Plattformanbieter jeweils ein Entgelt bekam. Für die Übermittlung der Fälle und die Bereitstellung der Plattform berechnete der Betreiber ein Entgelt. Das Geschäftsmodell lässt sich als digitaler und automatisierter, niederschwelliger Zugang zu Rechtshilfe beschreiben. Dank der technischen Skalierbarkeit kann in diesen Fällen eine große Anzahl von Sachverhalten kostengünstig abgewickelt werden.

Kritik des BGH

Der BGH moniert am Geschäftsmodell der Internetplattform insbesondere den Verstoß gegen das Provisionsverbot nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO. Dieses Provisionsverbot untersagt es Rechtsanwälten, für die Vermittlung von Mandaten Provisionen oder sonstige Vorteile zu zahlen oder zu erhalten, egal ob von einem anderen Rechtsanwalt oder von einem Dritten. Das Provisionsverbot soll verhindern, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den „Ankauf“ von Mandaten treten. Es zielt darauf ab, die Unabhängigkeit und das Ansehen der Anwaltschaft zu schützen, indem es unterbindet, dass Mandate wie Waren gehandelt werden. Der BGH sieht in dem Geschäftsmodell eine unzulässige entgeltliche Vermittlung konkreter Mandate, was zur Nichtigkeit des zugrunde liegenden Vertrags nach § 134 BGB führt. Folglich hat der Plattformbetreiber keinen Anspruch auf die geforderten „Lizenzgebühren“. Auch Bereicherungsansprüche nach § 817 BGB kamen nicht in Betracht, da der Plattformbetreiberin die Rechtswidrigkeit ihres Modells bewusst sein musste.

Die Plattform habe auch nicht lediglich eine Werbe- oder Vermittlungsleistung im Allgemeinen angeboten, sondern konkrete Mandate vermittelt. Das Geschäftsmodell basierte darauf, dass die Plattform vollständige Fallunterlagen – einschließlich einer auf die Kanzlei ausgestellten Vollmacht – direkt an die Partnerkanzleien übermittelte. Dies ging über eine bloße Empfehlung oder Werbung hinaus und wurde als gezielte Mandatsvermittlung angesehen. Für diese Vermittlung wurde ein Entgelt verlangt, was nach § 49b Abs. 3 BRAO unzulässig ist.

Der Plattformbetreiber hatte auch argumentiert, dass die berechneten „Lizenzgebühren“ lediglich pauschale Gebühren für die Nutzung der digitalen Infrastruktur seien. Der BGH widersprach jedoch und stellte fest, dass es sich um Gebühren handelte, die direkt mit der Vermittlung konkreter Mandate verknüpft waren. Die Plattform lieferte den Kanzleien nicht nur potenzielle Interessenten, sondern übermittelte bereits vollständige Fallunterlagen und Vollmachten. Dies ging weit über allgemeine Werbedienstleistungen hinaus.

(Voraussichtliche) Konsequenzen für Legal-Tech-Modelle

Anbieter und Partner vergleichbarer digitaler Geschäftsmodelle müssen ihre Modelle und Mitwirkung überdenken. Vertragliche Vereinbarungen und deren gelebte Praxis dürfen nicht den Eindruck aufkommen lassen, dass der Zugang zu Mandanten „verkauft“ wird. Das bedeutet, dass Legal-Tech-Unternehmen, die bisher auf die Vermittlung von Mandaten gegen eine Gebühr angewiesen waren, ihre Geschäftsmodelle umstrukturieren müssen. Diese Firmen dürfen weder direkt noch indirekt erfolgsabhängige Vergütungen oder Gebühren für die Vermittlung konkreter Mandate an Kanzleien erheben. Plattformen können lediglich pauschale Gebühren für die Bereitstellung technischer Infrastruktur oder anderer allgemeiner Dienstleistungen verlangen (Verkauf von Profileinträgen), die jedoch nicht direkt mit der Mandatsvermittlung verknüpft sein dürfen. Diese Modelle sind oft weniger profitabel, da sie nicht auf den spezifischen Wert eines vermittelten Mandats abzielen.

Kurioserweise läge der Fall berufsrechtlich ganz anders, wenn eine solche Plattform von einer Rechtsanwaltskanzlei selbst betrieben würde, die über die entsprechenden technischen und finanziellen Mittel verfügt – oder über einen entsprechenden Investor, wenn dann mal das Beteiligungsverbot fallen sollte. Daran erkennt man, dass das Berufsrecht vor dem Hintergrund von Legal Tech und Tax Tech neu überdacht werden muss. Denn im Moment werden z. B. kleine Kanzleien benachteiligt. Das Geschäftsmodell der hier in Rede stehenden Internetplattform bot (kleinen) Kanzleien eine kosteneffiziente Möglichkeit, Mandate zu erhalten und moderne digitale Prozesse zu nutzen, ohne selbst in umfangreiche technische Lösungen investieren zu müssen.

Praxistipp | Die Entscheidung des BGH könnte langfristig eine Diskussion über die Lockerung des Provisionsverbots anstoßen. Es wird zunehmend diskutiert, dass das aktuelle Provisionsverbot nach § 49b Abs. 3 BRAO möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist. Es wird argumentiert, dass die Regelungen kleinere Kanzleien benachteiligen, weil sie auf moderne Legal-Tech-Dienste angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Kritiker fordern daher eine Lockerung des Provisionsverbots, um es Kanzleien zu ermöglichen, externe Legal-Tech-Dienstleister für Mandatsakquise und digitale Services legal zu nutzen.

AUSGABE: KP 2/2025, S. 35 · ID: 50163745

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