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FinanzgerichteFG-Rechtsprechung kompakt: Die Top 10 für die Gestaltungsberatung

Abo-Inhalt01.04.202511 Min. LesedauerVon VRiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-Finanzwirt, Bielefeld

1. Verluste aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Kläger eine Photovoltaikanlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat oder ob es sich um Liebhaberei handelt, womit die aus dem Betrieb der Anlage entstandenen Verluste einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen wären. Die Feststellung dieser Gewinnerzielungsabsicht birgt erhöhtes Konfliktpotenzial mit dem FA, auch wenn beim Betrieb einer solchen Anlage der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür spricht, dass Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.

Das FG Köln (15.8.24, 13 K 1630/22) hat aktuell entschieden, dass es sich beim Betrieb einer Photovoltaikanlage mit planmäßigem Eigenverbrauch zu privaten Zwecken um eine Tätigkeit handelt, die typischerweise dazu bestimmt ist, wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, die außerhalb der Einkunftssphäre liegen. Die Einkünfteerzielungsabsicht könne zu verneinen sein, wenn es an einer positiven Totalgewinnprognose fehle und die Stromkostenersparnis und Stromkostenabsicherung im privaten Bereich im konkreten Fall der persönliche Grund des Steuerpflichtigen dafür sei, die entstandenen Verluste hinzunehmen.

2. Im Bau befindliche Gebäude trotz Vermietungsabsicht kein Verwaltungsvermögen

Mit zwei Urteilen vom 14.11.24 (3 K 906/23 F, Rev. BFH II R 37/24; 3 K 908/23 F, Rev. BFH II R 38/24) hat das FG Münster entschieden, dass Grundstücke mit zum Stichtag im Bau befindlichen Gebäuden trotz beabsichtigter Vermietung kein Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 ErbStG darstellen. Im Streitfall hatte das FA die Grundstücke im Zustand der Bebauung für Zwecke der Schenkungsteuer als (zum von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen) Verwaltungsvermögen behandelt. Die Begründung: Die beabsichtigte Nutzung der Gebäude zur Vermietung als Ferienwohnungen stelle keine originär gewerbliche Vermietung dar.

Die Kläger machten hingegen geltend, dass zum Stichtag noch kein Grundstück vorhanden gewesen sei, welches Dritten zur Nutzung überlassen werden könne. Zudem sei das Unternehmen originär gewerblich tätig, da das Leistungsbündel einer gewerblichen Vermietung entspreche.

Das FG gab der Klage statt. Bei dem streitbefangenen Grundbesitz habe es sich am maßgeblichen Bewertungsstichtag nicht um Verwaltungsvermögen gehandelt. Zum Verwaltungsvermögen gehörten u. a. an Dritte zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile. Am Stichtag habe hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke aber keiner anderen Person ein Recht zum Besitz aufgrund einer abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung zugestanden. Auf eine beabsichtigte zukünftige Nutzungsüberlassung komme es für diese Beurteilung nicht an.

3. Vorsteuerabzug bei Konkurrenz zweier umsatzsteuerlicher Befreiungsvorschriften

Das FG Niedersachsen (14.11.24, 5 K 17/24; Rev. BFH XI R 33/24) hatte sich mit der umstrittenen Rechtsfrage des Verhältnisses der Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug auseinanderzusetzen. Im Streitfall ging es um innergemeinschaftliche Lieferungen von Blindenwaren von Deutschland nach Österreich. Der Kläger machte den Vorsteuerabzug für die mit diesen steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze im Inland geltend.

Die Lieferung erfolgte durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Unternehmer (Inhaber einer Blindenwerkstätte), erfüllte aber zugleich auch die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG). Nach der Auffassung des FG hat die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in solchen Fällen Vorrang – und diese Steuerbefreiung schließt den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht aus (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 4.19.2 Abs. 3 UStAE, Abschn. 6a.1 Abs. 2a UStAE und Abschn. 15.13 Abs. 5 UStAE).

4. Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln für die Grundsteuer nach dem Bundesmodell (NRW)

Im ersten Hauptsacheverfahren, in dem es um die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells bezogen auf NRW ging, konnte das FG Köln (19.9.24, 4 K 2189/23, Rev. BFH II R 25/24) keine Verfassungsverstöße der Regelungen zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1.1.22 feststellen. Nach Auffassung des FG hat der Bund mit dem Erlass dieser Bewertungsvorschriften (§§ 218 ff. BewG i. d. F. vom 26.11.19) seine Gesetzgebungskompetenz nicht überschritten. Das neue Grundsteuerrecht werde den Vorgaben des BVerfG-Urteils vom 10.4.18 (1 BvL 11/14 u. a.) auch gerecht. Es verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Sollten die im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Typisierungen und Pauschalierungen dazu führen, dass im konkreten Einzelfall eine Verletzung des Übermaßverbotes drohe, sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber des Landes NRW in Ergänzung zu § 220 BewG in § 2 des NWGrStHsG vom 4.7.24 geregelt habe, dass ein niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen sei, wenn eine erhebliche Abweichung von dem nach dem BewG ermittelten Grundsteuerwert nachgewiesen werde (vgl. BFH 27.5.24, II B 78/23 [AdV] und II B 79/23 [AdV]).

5. Fahrtkosten eines Leiharbeitnehmers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung

Das FG Düsseldorf (20.11.24, 15 K 1490/24 E; Rev. BFH VI R 32/24) hatte sich mit der Höhe der als Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen für Fahrten eines Leiharbeitnehmers zum Arbeitsort beim Entleiher zu befassen. Im Streitfall erfolgte die Entleihung im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. Laut FG führt die in § 1 Abs. 1b AÜG enthaltene Befristung, wonach der Verleiher den Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen darf, dazu, dass der Leiharbeitnehmer für die Fahrten zur Arbeitsstätte des Entleihers Reisekosten geltend machen kann (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG). Damit stellt sich das FG gegen die Verwaltungsmeinung (BMF 25.11.20, IV C 5-S 2353/19/10011 :006, BStBl I 20, 1228, Tz. 21). Laut BMF entfalten die Regelungen des § 1 Abs. 1 S. 4 i. V. m. Abs. 1b AÜG für das Steuerrecht nämlich keine Wirkung.

6. „Zusätzlichkeitserfordernis“ beim sog. Geldkartenmodell

Das FG Rheinland-Pfalz (30.8.24, 3 K 1285/22; Rev. BFH VI R 28/24) hat entschieden, dass eine Gehaltsumwandlung im Rahmen eines Geldkartenmodells das „Zusätzlichkeitserfordernis“ des § 8 Abs. 4 EStG nicht erfüllt, wenn der Arbeitslohn zugunsten der monatlichen Aufladungen auf die Geldkarte reduziert wird.

In diesem Rechtsstreit berief sich die Klägerin (Arbeitgeberin) auf die zuvor anderslautende Rechtsprechung des BFH (1.8.19, VI R 32/18). Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die angeordnete rückwirkende Anwendung des mit dem JStG 2021 eingeführten § 8 Abs. 4 EStG (Anwendung für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31.12.19 beginnen) verfassungswidrig ist. Das FG verneinte dies, weil es von einer zulässigen unechten Rückwirkung ausging.

Der Vertrauensschutz auf eine unveränderte Fortgeltung der früheren Rechtslage werde durch das Interesse des Gesetzgebers an der Klarstellung der steuerlichen Voraussetzungen für Sachbezüge überwogen. Lohnsteuer und Einkommensteuer seien im Hinblick auf die Anwendung des „Zusätzlichkeitserfordernisses“ einheitlich zu betrachten, wobei der Arbeitgeber verpflichtet sei, rückwirkende Gesetzesänderungen beim Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift des § 8 Abs. 4 Nr. 2 EStG gebietet nach Auffassung des FG keine Beschränkung auf solche Lohnumwandlungen, die erst seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift in § 8 Abs. 4 EStG vereinbart worden sind.

7. Viermonatige Ausbildung zum Rettungsassistenten keine abgeschlossene erste Berufsausbildung

Nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. In diesem Zusammenhang hat das FG Münster (28.8.24, 9 K 108/24 Kg, AO; Rev. BFH III R 31/24) entschieden, dass ein Kind durch die Qualifikation als Rettungssanitäter keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Nach § 9 Abs. 6 S. 2 EStG liegt eine Berufsausbildung danach nur vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Im Streitfall dauerte die Ausbildung des Kindes nur vier Monate.

Die Erwerbstätigkeit neben dem im Anschluss durchgeführten Jurastudium stand deshalb der Berücksichtigung als Kind und einer Festsetzung des Kindergeldes nicht entgegen. Die Legaldefinition des Begriffs der Berufsausbildung in § 9 Abs. 6 S. 2 EStG ist nach Auffassung des FG – anders als die Familienkassen meinten – auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG anzuwenden (so bereits FG Nürnberg 9.1.23, 3 K 782/22; Rev. BFH III R 12/24).

8. Einführung des § 3 Nr. 72 EStG für Photovoltaikanlagen und zuvor gebildete Investitionsabzugsbeträge

Zahlreiche Rechtsfragen rund um die Einführung des Steuerbefreiungstatbestandes des § 3 Nr. 72 EStG sind derzeit im Brennpunkt der Abwehrberatung. Dazu gehört auch die Frage, ob infolge der Einführung des Gewinnermittlungsverbots in § 3 Nr. 72 S. 2 EStG ein in 2021 noch gebildeter IAB rückgängig gemacht werden muss, da eine – gewinnerhöhende – Hinzurechnung i. S. d. § 7g Abs. 2 S. 1 EStG nicht mehr vorgenommen werden kann.

Das FG Köln (14.3.24, 7 V 10/24) hat sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für eine Rückgängigmachung des IAB ausgesprochen und bei summarischer Prüfung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Insbesondere sollen danach keine Verstöße gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vorliegen. Eine verfassungswidrige Rückwirkung und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes durch § 3 Nr. 72 EStG sei bereits aufgrund der begünstigenden Rechtsfolgenwirkung der Norm ausgeschlossen.

Beachten Sie | Im Beschwerdeverfahren gegen diesen Beschluss hat der BFH (15.10.24, III B 24/24 [AdV], Beschluss) allerdings bei summarischer Prüfung eine andere Auffassung vertreten. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter IAB für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 S. 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist. Der BFH hat solche ernstlichen Zweifel bereits in einfachrechtlicher Hinsicht geäußert. Zweifelhaft sei der VZ, in dem der „actus contrarius“ zum IAB zu erfassen sei.

9. Ehemals dem Sonder-BV zuzurechnende Miteigentumsanteile an Grundstücken weiterhin Betriebsvermögen?

Das FG Niedersachsen (18.9.24, 3 K 22206/21; Rev. BFH VI R 27/24) hatte darüber zu befinden, ob ehemals dem Sonder-BV zuzurechnende Miteigentumsanteile an Grundstücken bei Aufgabe einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft (hier einer GbR) vor dem 17.12.20 weiterhin einem Betriebsvermögen zugehörig sind. Nach Auffassung des FG gehen solche Miteigentumsanteile notwendig in das Privatvermögen über, sofern sich nicht eine Eigenbewirtschaftung durch den übernehmenden Mitunternehmer anschließt. Das FA war im Streitfall von einer fortdauernden Betriebsvermögenszugehörigkeit ausgegangen und hatte die erzielten Veräußerungsgewinne versteuert (so auch BMF 17.5.22, IV C 7-S 2230/21/10001 :007, BStBl I 22, 678, Rn. 14 f.).

10. Erneuter Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG bei fehlender Erkennbarkeit einer antraglosen Erstverwendung

Ein Steuerpflichtiger braucht sich die in § 16 Abs. 4 S. 2 EStG normierte Verbrauchswirkung im Hinblick auf den Freibetrag nach S. 1 nicht entgegenhalten zu lassen, wenn das FA den Freibetrag ohne den gesetzlich vorgesehenen Antrag gewährt hat und dies für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar war (FG Köln 20.3.24, 9 K 926/22). Der Hinweis darauf, dass das FA – auch vermeintlich im Sinne des Steuerpflichtigen – einen Freibetrag berücksichtigt hat, mit dem eine Verbrauchswirkung für spätere Veräußerungsgewinne verbunden ist, hat im dafür vorgesehenen Erläuterungsbereich des Steuerbescheids oder ausdrücklich im Verwaltungsverfahren, wozu auch ein aus anderen Gründen angestoßenes Einspruchsverfahren gehört, zu erfolgen.

AUSGABE: GStB 4/2025, S. 123 · ID: 50287866

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