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FinanzgerichteFG-Rechtsprechung kompakt: Die Top 10 für die Gestaltungsberatung

Abo-Inhalt01.04.20252397 Min. LesedauerVon VRiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-Finanzwirt, Bielefeld

1. Verluste aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Kläger eine Photovoltaikanlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat oder ob es sich um Liebhaberei handelt, womit die aus dem Betrieb der Anlage entstandenen Verluste einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen wären. Die Feststellung dieser Gewinnerzielungsabsicht birgt erhöhtes Konfliktpotenzial mit dem FA, auch wenn beim Betrieb einer solchen Anlage der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür spricht, dass Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.

Das FG Köln (15.8.24, 13 K 1630/22) hat aktuell entschieden, dass es sich beim Betrieb einer Photovoltaikanlage mit planmäßigem Eigenverbrauch zu privaten Zwecken um eine Tätigkeit handelt, die typischerweise dazu bestimmt ist, wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, die außerhalb der Einkunftssphäre liegen. Die Einkünfteerzielungsabsicht könne zu verneinen sein, wenn es an einer positiven Totalgewinnprognose fehle und die Stromkostenersparnis und Stromkostenabsicherung im privaten Bereich im konkreten Fall der persönliche Grund des Steuerpflichtigen dafür sei, die entstandenen Verluste hinzunehmen.

Praxistipp | Der Prognosezeitraum für die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht bei einer Photovoltaikanlage kann mit 20 Jahren bemessen werden. Die Einführung des § 3 Nr. 72 EStG hat auf die vorzunehmende Totalgewinnprognose keinen Einfluss (FG Baden-Württemberg 21.7.23, 5 K 1120/22).

2. Im Bau befindliche Gebäude trotz Vermietungsabsicht kein Verwaltungsvermögen

Mit zwei Urteilen vom 14.11.24 (3 K 906/23 F, Rev. BFH II R 37/24; 3 K 908/23 F, Rev. BFH II R 38/24) hat das FG Münster entschieden, dass Grundstücke mit zum Stichtag im Bau befindlichen Gebäuden trotz beabsichtigter Vermietung kein Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 ErbStG darstellen. Im Streitfall hatte das FA die Grundstücke im Zustand der Bebauung für Zwecke der Schenkungsteuer als (zum von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen) Verwaltungsvermögen behandelt. Die Begründung: Die beabsichtigte Nutzung der Gebäude zur Vermietung als Ferienwohnungen stelle keine originär gewerbliche Vermietung dar.

Die Kläger machten hingegen geltend, dass zum Stichtag noch kein Grundstück vorhanden gewesen sei, welches Dritten zur Nutzung überlassen werden könne. Zudem sei das Unternehmen originär gewerblich tätig, da das Leistungsbündel einer gewerblichen Vermietung entspreche.

Das FG gab der Klage statt. Bei dem streitbefangenen Grundbesitz habe es sich am maßgeblichen Bewertungsstichtag nicht um Verwaltungsvermögen gehandelt. Zum Verwaltungsvermögen gehörten u. a. an Dritte zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile. Am Stichtag habe hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke aber keiner anderen Person ein Recht zum Besitz aufgrund einer abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung zugestanden. Auf eine beabsichtigte zukünftige Nutzungsüberlassung komme es für diese Beurteilung nicht an.

Praxistipp | Der Besprechungsfall könnte eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit – begünstigte Schenkung von zur betrieblichen Nutzung vorgesehenen Grundstücken im Zustand der Bebauung – aufzeigen, sofern das Urteil des FG Münster vom BFH bestätigt wird. Jedenfalls soll ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO nach Auffassung des FG nicht vorliegen.

3. Vorsteuerabzug bei Konkurrenz zweier umsatzsteuerlicher Befreiungsvorschriften

Das FG Niedersachsen (14.11.24, 5 K 17/24; Rev. BFH XI R 33/24) hatte sich mit der umstrittenen Rechtsfrage des Verhältnisses der Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug auseinanderzusetzen. Im Streitfall ging es um innergemeinschaftliche Lieferungen von Blindenwaren von Deutschland nach Österreich. Der Kläger machte den Vorsteuerabzug für die mit diesen steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze im Inland geltend.

Die Lieferung erfolgte durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Unternehmer (Inhaber einer Blindenwerkstätte), erfüllte aber zugleich auch die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG). Nach der Auffassung des FG hat die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in solchen Fällen Vorrang – und diese Steuerbefreiung schließt den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht aus (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 4.19.2 Abs. 3 UStAE, Abschn. 6a.1 Abs. 2a UStAE und Abschn. 15.13 Abs. 5 UStAE).

Praxistipp | Zu der im Besprechungsfall entscheidenden Rechtsfrage des Verhältnisses der Steuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug, liegt, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Daher dürfte der Ausgang des Revisionsverfahrens mit Spannung zu erwarten sein.

4. Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln für die Grundsteuer nach dem Bundesmodell (NRW)

Im ersten Hauptsacheverfahren, in dem es um die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells bezogen auf NRW ging, konnte das FG Köln (19.9.24, 4 K 2189/23, Rev. BFH II R 25/24) keine Verfassungsverstöße der Regelungen zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1.1.22 feststellen. Nach Auffassung des FG hat der Bund mit dem Erlass dieser Bewertungsvorschriften (§§ 218 ff. BewG i. d. F. vom 26.11.19) seine Gesetzgebungskompetenz nicht überschritten. Das neue Grundsteuerrecht werde den Vorgaben des BVerfG-Urteils vom 10.4.18 (1 BvL 11/14 u. a.) auch gerecht. Es verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Sollten die im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Typisierungen und Pauschalierungen dazu führen, dass im konkreten Einzelfall eine Verletzung des Übermaßverbotes drohe, sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber des Landes NRW in Ergänzung zu § 220 BewG in § 2 des NWGrStHsG vom 4.7.24 geregelt habe, dass ein niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen sei, wenn eine erhebliche Abweichung von dem nach dem BewG ermittelten Grundsteuerwert nachgewiesen werde (vgl. BFH 27.5.24, II B 78/23 [AdV] und II B 79/23 [AdV]).

Praxistipp | Die vom Bund geschaffenen Bewertungsvorschriften (§§ 218 ff. BewG) zur Berechnung der neuen Grundsteuer (sog. Bundesmodell) werden – neben NRW – von acht weiteren Bundesländern angewendet: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Daneben existieren noch modifizierte Bundesmodelle (in Sachsen und im Saarland) oder abweichende Ländermodelle (z. B. in Baden-Württemberg und Bayern). Das FG Sachsen hatte zuvor in der Entscheidung vom 24.10.23 (2 K 574/23, EFG 24, 233) das Bundesmodell ebenfalls als verfassungsgemäß eingestuft. Die zwischenzeitlich ergangenen Urteile des FG Baden-Württemberg vom 11.6.24 (8 K 2368/22, Rev. BFH II R 26/24; 8 K 1582/23, Rev. BFH II R 27/24) betreffen vom Bundesmodell abweichende Regelungen.

5. Fahrtkosten eines Leiharbeitnehmers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung

Das FG Düsseldorf (20.11.24, 15 K 1490/24 E; Rev. BFH VI R 32/24) hatte sich mit der Höhe der als Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen für Fahrten eines Leiharbeitnehmers zum Arbeitsort beim Entleiher zu befassen. Im Streitfall erfolgte die Entleihung im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. Laut FG führt die in § 1 Abs. 1b AÜG enthaltene Befristung, wonach der Verleiher den Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen darf, dazu, dass der Leiharbeitnehmer für die Fahrten zur Arbeitsstätte des Entleihers Reisekosten geltend machen kann (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG). Damit stellt sich das FG gegen die Verwaltungsmeinung (BMF 25.11.20, IV C 5-S 2353/19/10011 :006, BStBl I 20, 1228, Tz. 21). Laut BMF entfalten die Regelungen des § 1 Abs. 1 S. 4 i. V. m. Abs. 1b AÜG für das Steuerrecht nämlich keine Wirkung.

Praxistipp | Die Entscheidung dürfte wegen der Vielzahl der Betroffenen und der großen steuerlichen Auswirkungen eine enorme praktische Bedeutung haben. Bis zur Klärung durch den BFH sollten steuerliche Berater weiterhin die erhöhten Reisekosten (Kilometersatz pro gefahrenen Kilometer) für ihre Mandanten geltend machen und sich dabei auf die Besprechungsentscheidung berufen. Bei zu erwartendem Widerstand der FÄ bleibt die Hoffnung, dass der BFH das Urteil des FG Düsseldorf bestätigen wird.

6. „Zusätzlichkeitserfordernis“ beim sog. Geldkartenmodell

Das FG Rheinland-Pfalz (30.8.24, 3 K 1285/22; Rev. BFH VI R 28/24) hat entschieden, dass eine Gehaltsumwandlung im Rahmen eines Geldkartenmodells das „Zusätzlichkeitserfordernis“ des § 8 Abs. 4 EStG nicht erfüllt, wenn der Arbeitslohn zugunsten der monatlichen Aufladungen auf die Geldkarte reduziert wird.

In diesem Rechtsstreit berief sich die Klägerin (Arbeitgeberin) auf die zuvor anderslautende Rechtsprechung des BFH (1.8.19, VI R 32/18). Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die angeordnete rückwirkende Anwendung des mit dem JStG 2021 eingeführten § 8 Abs. 4 EStG (Anwendung für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31.12.19 beginnen) verfassungswidrig ist. Das FG verneinte dies, weil es von einer zulässigen unechten Rückwirkung ausging.

Der Vertrauensschutz auf eine unveränderte Fortgeltung der früheren Rechtslage werde durch das Interesse des Gesetzgebers an der Klarstellung der steuerlichen Voraussetzungen für Sachbezüge überwogen. Lohnsteuer und Einkommensteuer seien im Hinblick auf die Anwendung des „Zusätzlichkeitserfordernisses“ einheitlich zu betrachten, wobei der Arbeitgeber verpflichtet sei, rückwirkende Gesetzesänderungen beim Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift des § 8 Abs. 4 Nr. 2 EStG gebietet nach Auffassung des FG keine Beschränkung auf solche Lohnumwandlungen, die erst seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift in § 8 Abs. 4 EStG vereinbart worden sind.

Praxistipp | Die Problematik betrifft alle vergleichbaren Gehaltsumwandlungsmodelle in Lohnzahlungszeiträumen vor Einfügung des § 8 Abs. 4 EStG. Diese Problematik dürfte in vielen Fällen jetzt im Rahmen von Lohnsteueraußenprüfungen zutage treten. Steuerliche Berater sollten Arbeitgeber auf die Verpflichtung aufmerksam machen, auch nachträglich Lohnsteuer einzubehalten, wenn ihnen dies wirtschaftlich zumutbar ist (§ 41c Abs. 2 S. 2 EStG).

7. Viermonatige Ausbildung zum Rettungsassistenten keine abgeschlossene erste Berufsausbildung

Nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. In diesem Zusammenhang hat das FG Münster (28.8.24, 9 K 108/24 Kg, AO; Rev. BFH III R 31/24) entschieden, dass ein Kind durch die Qualifikation als Rettungssanitäter keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Nach § 9 Abs. 6 S. 2 EStG liegt eine Berufsausbildung danach nur vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Im Streitfall dauerte die Ausbildung des Kindes nur vier Monate.

Die Erwerbstätigkeit neben dem im Anschluss durchgeführten Jurastudium stand deshalb der Berücksichtigung als Kind und einer Festsetzung des Kindergeldes nicht entgegen. Die Legaldefinition des Begriffs der Berufsausbildung in § 9 Abs. 6 S. 2 EStG ist nach Auffassung des FG – anders als die Familienkassen meinten – auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG anzuwenden (so bereits FG Nürnberg 9.1.23, 3 K 782/22; Rev. BFH III R 12/24).

Praxistipp | Die Frage, wie der Begriff der Berufsausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auszulegen ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt. Bei Ablehnung der Kindergeldfestsetzung wegen schädlicher Erwerbstätigkeit während des Studiums/der Ausbildung ist der Einspruch geboten, sofern die zuvor absolvierte Ausbildung die in § 9 Abs. 6 S. 2 EStG genannten Voraussetzungen an eine erste Berufsausbildung nicht erfüllt.

8. Einführung des § 3 Nr. 72 EStG für Photovoltaikanlagen und zuvor gebildete Investitionsabzugsbeträge

Zahlreiche Rechtsfragen rund um die Einführung des Steuerbefreiungstatbestandes des § 3 Nr. 72 EStG sind derzeit im Brennpunkt der Abwehrberatung. Dazu gehört auch die Frage, ob infolge der Einführung des Gewinnermittlungsverbots in § 3 Nr. 72 S. 2 EStG ein in 2021 noch gebildeter IAB rückgängig gemacht werden muss, da eine – gewinnerhöhende – Hinzurechnung i. S. d. § 7g Abs. 2 S. 1 EStG nicht mehr vorgenommen werden kann.

Das FG Köln (14.3.24, 7 V 10/24) hat sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für eine Rückgängigmachung des IAB ausgesprochen und bei summarischer Prüfung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Insbesondere sollen danach keine Verstöße gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vorliegen. Eine verfassungswidrige Rückwirkung und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes durch § 3 Nr. 72 EStG sei bereits aufgrund der begünstigenden Rechtsfolgenwirkung der Norm ausgeschlossen.

Beachten Sie | Im Beschwerdeverfahren gegen diesen Beschluss hat der BFH (15.10.24, III B 24/24 [AdV], Beschluss) allerdings bei summarischer Prüfung eine andere Auffassung vertreten. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter IAB für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 S. 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist. Der BFH hat solche ernstlichen Zweifel bereits in einfachrechtlicher Hinsicht geäußert. Zweifelhaft sei der VZ, in dem der „actus contrarius“ zum IAB zu erfassen sei.

Praxistipp | Da das BMF (17.7.23, IV C 6 – S 2121/23/10001 :001, BStBl I 23, 1494, Rz. 19) die FÄ anweist, die Rückgängigmachung des IAB durchzuführen, sollten steuerliche Berater gegen betreffende Änderungsbescheide unter Hinweis auf den o. g. BFH-Beschluss vom 15.10.24 Einspruch einlegen und ggf. die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Die weitere Rechtsentwicklung sollte zudem sorgfältig im Auge behalten werden.

9. Ehemals dem Sonder-BV zuzurechnende Miteigentumsanteile an Grundstücken weiterhin Betriebsvermögen?

Das FG Niedersachsen (18.9.24, 3 K 22206/21; Rev. BFH VI R 27/24) hatte darüber zu befinden, ob ehemals dem Sonder-BV zuzurechnende Miteigentumsanteile an Grundstücken bei Aufgabe einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft (hier einer GbR) vor dem 17.12.20 weiterhin einem Betriebsvermögen zugehörig sind. Nach Auffassung des FG gehen solche Miteigentumsanteile notwendig in das Privatvermögen über, sofern sich nicht eine Eigenbewirtschaftung durch den übernehmenden Mitunternehmer anschließt. Das FA war im Streitfall von einer fortdauernden Betriebsvermögenszugehörigkeit ausgegangen und hatte die erzielten Veräußerungsgewinne versteuert (so auch BMF 17.5.22, IV C 7-S 2230/21/10001 :007, BStBl I 22, 678, Rn. 14 f.).

Praxistipp | Trotz der zwischenzeitlichen gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 3 S. 1 und 2 EStG ist zu beachten, dass zahlreiche land- und forstwirtschaftliche Mitunternehmerschaften bereits vor Geltung dieser neuen Regelung beendet worden sein dürften und die im Besprechungsfall streitige Frage der fortdauernden Betriebsvermögenszugehörigkeit entsprechender Flächen oder Flächenanteile daher auch für weitere Fälle von Bedeutung sein dürfte, insbesondere im Veräußerungsfall.

10. Erneuter Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG bei fehlender Erkennbarkeit einer antraglosen Erstverwendung

Ein Steuerpflichtiger braucht sich die in § 16 Abs. 4 S. 2 EStG normierte Verbrauchswirkung im Hinblick auf den Freibetrag nach S. 1 nicht entgegenhalten zu lassen, wenn das FA den Freibetrag ohne den gesetzlich vorgesehenen Antrag gewährt hat und dies für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar war (FG Köln 20.3.24, 9 K 926/22). Der Hinweis darauf, dass das FA – auch vermeintlich im Sinne des Steuerpflichtigen – einen Freibetrag berücksichtigt hat, mit dem eine Verbrauchswirkung für spätere Veräußerungsgewinne verbunden ist, hat im dafür vorgesehenen Erläuterungsbereich des Steuerbescheids oder ausdrücklich im Verwaltungsverfahren, wozu auch ein aus anderen Gründen angestoßenes Einspruchsverfahren gehört, zu erfolgen.

Praxistipp | Der Besprechungsfall zeigt, dass es in besonderen Einzelfällen nach Treu und Glauben eine faktische Durchbrechung der Bestandskraft geben kann, wenn ein Steuerpflichtiger durch das rechtswidrige, aber vermeintlich wohlwollende Handeln des FA einen Rechtsverlust erleidet, den er (nahezu) nicht vermeiden kann. Ebenfalls zeigt der Fall, weshalb der Gesetzeswortlaut für die Nutzung des Freibetrags einen ausdrücklichen Antrag vorsieht (Anmerk. Oeste, EFG 24, 1754, 1756).

AUSGABE: GStB 4/2025, S. 123 · ID: 50287866

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