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LohnbearbeitungKeine Vorsteuerkürzung aus bezogenem Werkzeug trotz unentgeltlicher Überlassung an Dritten
| Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer nur zu, soweit er die zu beurteilende Eingangsleistung für seine besteuerten Umsätze verwendet. In jüngerer Zeit häufen sich Entscheidungen, in denen EuGH oder BFH den Vorsteuerabzug mit der Begründung kürzen oder versagen (bzw. eine „Wertabgabenbesteuerung“ bejahen), dass der fragliche Eingangsbezug auch anderen Unternehmen für deren Betätigung gedient habe. Der EuGH hat dies jüngst bei einer Lohnbearbeitung mit entsprechender „Werkzeug-Beistellung“ verneint (EuGH 4.10.24, C-474/23, „Voestalpine“). |
1. Sachverhalt
Die Voestalpine Gießerei Linz GmbH (VGL) – eine in Österreich ansässige Gesellschaft – fertigte Gussteile, deren finale Bearbeitung sie in Rumänien ausführen ließ. Mit dieser Endbearbeitung beauftragte sie die gleichfalls in Österreich ansässige Austrex (A), die mit Billigung der VGL ihrerseits dem in Rumänien ansässigen Subunternehmer GEP den Auftrag zur Bearbeitung erteilte (VGL → A → GEP). Die endbearbeiteten Gussteile wurden nachfolgend durch die VGL vom rumänischen Standort aus an ihre Kunden in der EU veräußert und an diese versandt (igL.), wofür die VGL in ihren Rechnungen ihre rumänischen USt-IdNr. verwendete.
Zur Bearbeitung und Zwischenlagerung der über 10 t schweren Gussteile besaß die VGL in Rumänien ein Grundstück mit betrieblichen Vorrichtungen, zu denen auch ein Schwerlastkran gehörte: Für die Ausführung der beauftragten Endbearbeitung stellte die VGL der A das unentgeltliche Recht zur Nutzung ihres Grundstücks einschließlich der Anlagen – insbesondere des Krans – zur Verfügung und gestattete ihr zudem, diese Nutzungsberechtigung auch an ihren Subunternehmer GEP entsprechend weiterzureichen.
Die von der VGL in Rumänien eingereichte MwSt-Erklärung für 2021 wies eine hohe Erstattungsforderung aus, da den von Rumänien ins EU-Ausland ausgehenden umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Warenlieferungen insbesondere der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Schwerlastkrans gegenüberstand.
Im Zuge einer Steuerprüfung versagte der rumänische Fiskus diesen Vorsteuerabzug mit der Begründung, der Kran werde überhaupt nicht von der VGL selbst genutzt, sondern vielmehr unentgeltlich ihrem Lohnunternehmer A bzw. dessen Subunternehmer GEP zur Verfügung gestellt. Er diene also mangels unmittelbarer eigenbetrieblicher Nutzung gar nicht den eigenunternehmerischen Umsätzen der VGL, sondern vielmehr der unentgeltlichen Überlassung für die Umsätze anderer Unternehmer – eine „unentgeltliche Zuwendung“ also, die bei der VGL kein Vorsteuerabzugsrecht begründen könne.
2. Entscheidungsgründe
Laut EuGH ist Art. 168 MwStSystRL (Vorsteuerabzugsrecht) dahin gehend auszulegen, dass er der von der rumänischen Steuerverwaltung verfügten Versagung des Vorsteuerabzugs entgegenstehe, soweit die Bereitstellung der Gerätschaften nicht „über das hinausgehe, was zur Ausführung der besteuerten Umsätze (Verkauf der endbearbeiteten Gussteile) erforderlich sei und die Kosten der streitgegenständlichen unentgeltlichen Bereitstellung kalkulatorisch in die Ausgangsumsätze der VGL eingeflossen seien. Das zu prüfen, sei allerdings Sache des Vorlagegerichts.
Der EuGH führt aus (Rn. 24 ff.), entsprechend der Sachverhaltsschilderung sei die an die Subunternehmer beauftragte Endbearbeitung der mehr als 10 t schweren Gussteile ohne die Krannutzung schlichtweg nicht möglich gewesen. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, dass A bzw. GEP aus der unentgeltlichen Bereitstellung des Krans einen „unmittelbaren Vorteil“ für ihre Bearbeitung und Leistungserbringung gezogen hätten; entscheidend bleibe vielmehr, ob die Aufwendungen für die Bereitstellung des Krans letztlich als Kostenelement in den Verkauf der endbearbeiteten Gussteile bei der VGL eingeflossen seien. Es sei dabei auch unerheblich, ob diese Bereitstellung (wie allerdings zu vermuten ist) einen Kosten- und entgeltmindernden Einfluss auf die in Rechnung gestellte „Endbearbeitungsvergütung“ der GEP gehabt habe (Rn. 27).
Allerdings hielt der EuGH für entscheidend (und vom Vorlagegericht zu prüfen), ob sich die Bereitstellung des Krans auf die Nutzung für die Bearbeitung der auftragsgegenständlichen Gussteile beschränkte oder darüber hinausging (Rn. 28). Dies sei bedeutsam, denn im Umfang des „Darüberhinausgehens“ – also Nutzbarkeit auch für andere Aufträge z. B. durch einen der Subunternehmer – sei der Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und Ausgangsumsatz zu verneinen (anteilig unterbrochener Zusammenhang, vgl. Rn. 29).
3. Relevanz für die Praxis
Der Urteilssachverhalt lenkte auf den ersten Blick den Fokus auf die unentgeltliche Bereitstellung des für die Endbearbeitung entscheidenden Schwerlastkrans, was nicht nur bei rumänischen, sondern auch bei deutschen Betriebsprüfern die Annahme einer vorsteuerschädlichen unentgeltlichen Zuwendung (Drittbegünstigung) hätte auslösen können. Denn verkennt man den Sonderfall der hier gegebenen sog. Beistellung (dazu nachfolgend unter 4.), so führt die Prüfung geradewegs zu der auch vom rumänischen Fiskus fokussierten Rechtsfigur der „Drittbegünstigung“, über deren umsatzsteuerliche Folgen auch vor deutschen Steuergerichten seit Jahrzehnten gestritten wird.
Einer der Ausgangspunkte dieser „Drittbegünstigungsproblematik“ war das BFH-Urteil „Kreisverkehr“ (14.5.08, XI R 60/07). Hier hatte sich ein Autobahnraststättenbetreiber, um eine Tank- und Raststätte an einer neuen Autobahnabfahrt errichten zu dürfen, gegenüber dem Bund dazu verpflichten müssen, die bereits bestehende Kreuzungssituation „auf eigene Kosten“ (aber auf dem Grundstück des Bundes) in einen Kreisverkehr umbauen zu lassen. Die Ausgaben hierfür schienen vorsteuerfähig zu sein, da zweifelsfrei umsatzsteuerpflichtige Raststättenbetriebs- oder Verpachtungsumsätze erzielt werden sollten. Das Finanzamt obsiegte aber letztlich vor dem BFH mit seiner Sichtweise, der Tank- und Raststättenbetreiber habe mit den beauftragten Umbauarbeiten nur nachrangig den „eigenunternehmerischen Zwecken“ gedient, aber vorrangig dem Bund als Grundstückseigentümer eine werthaltige Kreisverkehrsbebauung zugewendet.
Dieser Drittbegünstigungsgedanke wurde auf Basis der „Kreisverkehr-Entscheidung“ von der Finanzverwaltung fortan in immer mehr Sachverhalten entdeckt und führte zu entsprechenden Vorsteuerkürzungen oder zur Wertabgabenbesteuerung. Erst die spätere EuGH-Rechtsprechung (z. B. EuGH 14.9.17, C-132/16, Rs. „Iberdrola“) relativierte die „Drittzuwendungs-Schädlichkeit“ wieder auf jenen Aufwandsanteil, der über den für das eigene Unternehmen notwendigen Umfang hinausgeht, was sich im deutschen EuGH- und BFH-Verfahren „Mitteldeutsche Hartstein“ (16.9.20, C-528/19; 16.12.20, XI R 26/20, Rn. 38) verfestigte und auch in eine neue Verwaltungsanweisung (BMF 24.1.24, III C 2 – S 7109/19/10004 :001, BStBl I 24, 213) einfloss.
Beachten Sie | Seither gilt die in der Praxis allerdings hinsichtlich ihrer Grenzziehung streitträchtige These, dass eine Drittzuwendung nur im Umfang jener Aufwendungen vorliegt, die über die vorrangig eigenunternehmerisch motivierten Aufwendungen „hinausgehen“. Dient der bezogene Eingangsaufwand aber nur mittelbar dem beziehenden Unternehmer, d. h., der Bezugsvorteil kommt vorrangig dem Dritten zugute, so hat die ursprüngliche Vorsteuerkürzungsthese auch nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung weiterhin Bestand (vgl. BFH 15.2.23, XI R 24/22).
Im Urteilsfall Voestalpine dürfte dieser Umfang (diese Prüfung gab der EuGH als „Tatsachenfrage“ an das Vorlagegericht zur Klärung zurück) „gleich null“ sein, denn die VGL überließ den Schwerlastkran an Lohnunternehmer A bzw. dessen Subunternehmer GEP nicht mit dem Ziel, diesen eine unentgeltliche Zuwendung zukommen zu lassen. Letztlich wollte die VGL nur per „Werkzeug-Beistellung“ (Sonderfall, siehe unter 4.) eine sachgerechte und den Qualitätsansprüchen genügende Endbearbeitung sicherstellen. Zudem hätte die alternative Eigenbeschaffung eines geeigneten Krans durch A bzw. GEP zu einer deutlichen Erhöhung der Vergütung für die Endbearbeitung geführt.
Zudem bleibt es dabei: Eine solche „Drittzuwendung“ kann umsatzsteuerliche Folgen auslösen, wenn im Zuge der unternehmerischen Leistungserbringung ein Dritter von „Nebenprodukten“ profitiert, selbst wenn der Zuwendende in seinem Unternehmen für diese keinerlei Verwendung hat bzw. sie für ihn keinen Wert verkörpern (vgl. BFH 15.2.23, XI R 24/22: Drittzuwendungsproblematik beim Betreiber eines Blockheizkraftwerks, der die für ihn nicht unternehmerisch verwendbare entstehende „Abwärme“ unentgeltlich an Dritte abgibt). Dies hat dann allerdings keine Vorsteuerkürzung auf der Eingangsleistungsseite zur Folge, sondern wäre per unentgeltlicher Wertabgabe auf der Ausgangsumsatzseite zu besteuern.
4. Sonderfall „Beistellung“ und deren deutsche Sicht
Der Urteilssachverhalt lenkt den Fokus „auf den ersten Blick“ auf die unentgeltliche Bereitstellung des für die Endbearbeitung bei A bzw. GEP benötigten Schwerlastkrans (VorSt-schädliche Drittzuwendung?). Tatsächlich löst das deutsche Umsatzsteuerrecht einen solchen Vorgang jedoch zumeist über die Rechtsfigur der sog. Beistellung:
Beauftragt Unternehmer U den Werklohnunternehmer W mit der Ausführung einer Werklieferung oder -leistung, so könnte Auftragnehmer W den Auftrag vollständig mittels eigener Ressourcen (Material, Personal, Arbeitsmittel) erbringen. Gleichfalls ist es aber denkbar, dass Auftraggeber U dem A diese Ressourcen ganz oder teilweise (z. B. Material oder Werkzeug, wie eben jenen Schwerlastkran) zur Verfügung stellt. Das deutsche Umsatzsteuerrecht spricht insofern von einer sog. Beistellung der Ressourcen und bestimmt, dass der Umfang der Beistellung nicht am Leistungsaustausch teilnimmt – also hinsichtlich seines Volumens ausgeblendet wird und damit außer Betracht bleibt (so ausdrücklich Abschn. 3.8. Abs. 2 UStAE unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung).
In den vorgenannten Fallgestaltungen erbringt weder der Auftraggeber mit seiner „Ressourcen-Beistellung“ eine umsatzsteuerliche Leistung an den Auftragnehmer, noch erhöht das Wertvolumen der Beistellung beim Auftragnehmer (im Sinne einer „gedanklichen Erhöhung des kalkulierten Ressourcenvolumens“ bzw. „zusätzlichen Sachentgelts“) dessen Umsatz. Der Umsatz des Auftragnehmers bleibt „auf seine Netto-Eigenleistung“ beschränkt.
Beachten Sie | Die vorstehende Rechtsfolge des „Ausblendens“ bei einer „Beistellung“ bzw. der Beschränkung der Besteuerung auf die „Netto-Eigenleistung“ gilt nur, wenn die beigestellten Ressourcen ausschließlich zur Erbringung des beauftragten Umsatzes Verwendung finden, wie der BFH (15.4.10, V R 10/08, Rn. 28) klargestellt hat: Ist diese ausschließliche Verwendung dagegen nicht gegeben (könnten A bzw. GEP also vorliegend den Kran auch für Drittaufträge verwenden), würde im Umfang der anderweitig verwendeten Fremdressourcen das entsprechende Volumen als „zusätzliches Sachentgelt in einen tauschähnlichen Umsatz“ einfließen (vgl. Abschn. 1.1 Abs. 6 u. 7 UStAE zur Personalbeistellung).
AUSGABE: GStB 4/2025, S. 129 · ID: 50306175