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GewerbesteuerKeine erweiterte Kürzung bei Verkauf des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums
| Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hat sich zu einem ständigen Brennpunkt in der steuerlichen Gestaltungsberatung entwickelt. Der folgende praktische Fall stellt die jüngste Rechtsentwicklung in Bezug auf die Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums dar (BFH 17.10.24, III R 1/23, Abruf-Nr. 246043). |
Sachverhalt
Streitig ist, ob der A-GmbH im Jahr 2016 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG zusteht. Die A-GmbH wurde im Jahr 2013 gegründet. Als Gegenstand des Unternehmens sind im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister der Erwerb, die Verwaltung (namentlich die Vermietung und Verpachtung) sowie die Veräußerung von Grundbesitz einschließlich der Durchführung von Baumaßnahmen auf fremdem Grundbesitz benannt.
Ein Immobilienobjekt hatte die A-GmbH im Jahr 2013 erworben, als Umlaufvermögen bilanziert und im Folgejahr veräußert. Ein weiteres Geschäftsgrundstück mit mehreren Eigentumswohnungen hatte die A-GmbH mit Kaufvertrag vom xx.11.15 erworben. Die Summe der Einheitswerte der Einheiten auf den 1.1.16 betrug 797.253 EUR. Die A-GmbH veräußerte dieses Objekt mit Kaufvertrag vom xx.11.16 an Y. In dem Vertrag war bestimmt, dass alle das Vertragsobjekt betreffenden öffentlichen und privaten Lasten, alle Verbrauchskosten, Verkehrssicherungspflichten und jede mit dem Vertragsobjekt verbundene Haftung „ab Beginn des 31.12.16“ auf den Käufer übergehen sollten. Des Weiteren sollte der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten, die Kaufpreiszahlung vorausgesetzt, ebenfalls zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Der Kaufpreis wurde am 15.12.16 an die A-GmbH gezahlt.
Die A-GmbH machte in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2016 die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG geltend. Das Finanzamt versagte der A-GmbH die erweiterte Kürzung mit der Begründung, dass Geschäftszweck der A-GmbH der Erwerb und Verkauf von Grundstücken, nicht deren Verwaltung sei. Die einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG berücksichtigte das Finanzamt nicht. Den Einspruch der A-GmbH wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Der anschließenden Klage gab das Finanzgericht statt. Der BFH sah das allerdings anders.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts war begründet. Nach Ansicht des BFH hat das FG rechtsfehlerhaft entschieden, dass die A-GmbH im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG beanspruchen kann. Allerdings stehe ihr die – vom Finanzamt bislang nicht berücksichtigte – einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG zu.
Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist u. a., dass das Unternehmen – abgesehen von nach der Rechtsprechung als unschädlich angesehenen Nebentätigkeiten und den in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG genannte Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt (vgl. BFH 27.10.21, III R 7/19, BFH/NV 22, 242, Rn. 10; Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 9 Nr. 1 Rn. 23c).
Beachten Sie | In zeitlicher Hinsicht muss der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen. Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden (BFH 27.10.21, III R 7/19, BFH/NV 22, 242, Rn. 12). Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfallen für den gesamten Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung (BFH 18.12.19, III R 36/17, BStBl II 20, 405, Rn. 30, m. w. N.).
Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahrs, so tritt nach § 14 S. 3 GewStG an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum). Die Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft endet, wenn sie jegliche Tätigkeit einstellt, also nicht nur die eigentliche (werbende) Tätigkeit, sondern auch die Verwertungstätigkeit im Rahmen der Abwicklung, die ihrerseits mit der letzten Abwicklungshandlung endet. Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es daher, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt. Eine „technisch bedingte“ Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zugelassen (BFH 11.8.04, I R 89/03, BStBl II 04, 1080, unter II.2.). Ausnahmen von dem Ausschließlichkeitserfordernis wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) sind nicht geboten (u. a. BFH 11.4.19, III R 36/15, BStBl II 19, 705, Rn. 37).
Nach diesen Maßstäben war der A-GmbH im Streitjahr die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG laut BFH nicht zu gewähren. Sie hat in zeitlicher Hinsicht nicht – wie von § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG gefordert – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt. Die A-GmbH hat ihr einziges verbliebenes Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert, denn nach den Vereinbarungen des Kaufvertrags gingen Besitz, Nutzungen und Gefahr sowie Lasten bereits zu Beginn des 31.12.16 auf die Erwerberin über. Da die A-GmbH als juristische Person über den 30.12.16 hinaus fortbestand, dauerte auch ihre sachliche Gewerbesteuerpflicht über diesen Tag hinaus an. Der Erhebungszeitraum (Kalenderjahr) war nicht abgekürzt.
Damit ist die A-GmbH an einem Tag des Erhebungszeitraums (31.12.16) nicht der begünstigten Tätigkeit – Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes – nachgegangen. Eine sog. technische Ausnahme (Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr) liegt nicht vor. Da – wie ausgeführt – auch eine Ausnahme wegen Geringfügigkeit nicht in Betracht kommt, ist das Ausschließlichkeitserfordernis nicht gewahrt und der A-GmbH war die erweiterte Kürzung zu versagen. Der GmbH steht allerdings gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die einfache Kürzung i. H. v. 1,2 % des Einheitswerts ihres – nicht von der Grundsteuer befreiten – Grundbesitzes zu.
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.
AUSGABE: GStB 4/2025, S. 117 · ID: 50307747