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GewerbesteuerVersagung der erweiterten Grundstückskürzung im Organkreis beim „Weitervermietungsmodell“
| Bereits im Jahr 2011 hatte der BFH entschieden, dass die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG im Falle einer Vermietung von Grundstücken innerhalb des Organkreises ausgeschlossen ist (BFH 18.5.11, X R 4/10, BStBl II 11, 887). Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum nicht uneingeschränkt auf Zustimmung gestoßen. Insbesondere für die Fälle der Weitervermietung an außerhalb des Organkreises stehende Dritte waren die Auffassungen im Schrifttum geteilt. Mit Urteil vom 11.7.24 (III R 41/22) hat der BFH diese Streitfrage nun geklärt. Der folgende Musterfall stellt die jüngste Rechtsentwicklung dar. |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Die A-GmbH (Klägerin) ist Wohnungsanbieterin. Sie ist Obergesellschaft mit Holdingfunktion (Konzernmutter) und ertrag- wie umsatzsteuerlich Organträgerin. Zum Konzern gehören neben der W-GmbH noch weitere 17 ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH organisierte Organgesellschaften, die – anders als die W-GmbH – jeweils über eigenen Immobilienbestand verfügen. Die W-GmbH war im Jahr 2016 als Dienstleisterin für zum Konzern gehörende Immobiliengesellschaften tätig. Sie war die zentrale Managementgesellschaft. Bei ihr war die Verwaltung des Immobilienbesitzes angesiedelt.
Die 17 weiteren Organgesellschaften hatten ihre Immobilien an ihre Schwestergesellschaft, die W-GmbH, zur Weitervermietung verpachtet. Die W-GmbH verpachtete bzw. vermietete die Immobilien im eigenen Namen an fremde Dritte außerhalb des Organkreises, trug Aufwendungen und kümmerte sich um die Verwaltung der Grundstücke („Weitervermietungsmodell“). Diese Konzernstruktur bestand seit 2007.
Die W-GmbH verbuchte die Pachtzahlungen an die anderen Organtöchter der A-GmbH als Aufwand. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG nahm sie nicht vor. 13 der 17 Immobilien-GmbHs beanspruchten für sich die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Demnach stellt sich der Sachverhalt anhand der Gewerbesteuererklärungen der einzelnen Gesellschaften wie in der obigen Grafik aufgeführt dar.
Ursprünglich war der Gewerbesteuermessbetrag für 2016 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG festgesetzt worden. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2016 bis 2018 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der A-GmbH die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht zustehe. Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide wandte sich die A-GmbH mit einer Sprungklage, der das FA zustimmte. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG gewährte statt der einfachen Kürzung die erweiterte Kürzung in Höhe der Differenz zwischen dem Gesamtbetrag der erweiterten Kürzung und dem nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Betrag. Im Übrigen wies es die Klage ab.
2. Die Entscheidung des BFH vom 11.7.24 – III R 41/22
Die Revision des FA war begründet. Nach Ansicht des BFH hat das FG zu Unrecht bei den Organgesellschaften der A-GmbH die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG (in korrigierter Höhe) berücksichtigt, denn die durch die gewerbesteuerliche Organschaft bedingten Besonderheiten stehen der Anwendung dieser Vorschrift entgegen.
Persönliche GewSt-Pflicht wird allein dem Organträger zugerechnet |
Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An die Stelle der Kürzung nach S. 1 tritt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder ETW errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Gemäß § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ist die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient. Das FG hat laut BFH zwar zutreffend entschieden, dass es vorliegend an der für eine Betriebsaufspaltung notwendigen personellen Verflechtung zwischen den Immobilien-GmbHs und der W-GmbH als weiterer Organtochter der A-GmbH fehlt und dass § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht. Der BFH führt jedoch aus, dass § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG einer Anwendung der erweiterten Kürzung bei den Immobilien-GmbHs entgegensteht, obwohl diese – jeweils für sich betrachtet – die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erfüllen.
Organgesellschaft und Organträger bleiben selbstständige Gewerbebetriebe |
Beachten Sie | Da Organträger und Organgesellschaft nicht als einheitliches Unternehmen i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG angesehen werden können, ist für den Organträger und die Organgesellschaft gesondert zu prüfen, ob die jeweils ausgeübte Tätigkeit den Voraussetzungen dieser Vorschrift entspricht. Dem Organträger kann die erweiterte Kürzung nicht allein deshalb versagt werden, weil das Organ eine schädliche Tätigkeit ausübt (BFH 30.7.69, I R 21/67, BStBl II 1969, 629, unter 1.; Roser in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Rz. 190).
Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrags maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die – unter Beachtung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften (§§ 8, 9 GewStG) – getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaften zusammenzurechnen. Unberechtigte steuerliche Be- und Entlastungen sind dabei auszuscheiden. Rechtsgrundlage für diese Korrekturen ist § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG (vgl. BFH 17.12.14, I R 39/14, BStBl II 15, 1052, Rz. 8). Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbstständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder – auf einer zweiten Stufe – durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen.
Danach führen Geschäftsbeziehungen innerhalb des Organkreises (grundsätzlich) nicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen. Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften sind innerhalb des Organkreises nur dann anzuwenden, wenn sich ihre Wirkungen ausgleichen, wie es bis 2007 bei der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG (a. F.) einerseits bzw. ihrer Kürzung nach § 9 Nr. 4 GewStG (a. F.) andererseits der Fall war (BFH 18.5.11, X R 4/10, BStBl II 2011, 887, Rz. 40, m. w. N.).
Der BFH hat bereits entschieden, dass nach diesen Grundsätzen die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG im Falle einer Vermietung von Grundstücken innerhalb des Organkreises ausgeschlossen ist. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass sich die mit der Vermietung zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge im Organkreis neutralisierten und die aus der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG folgende Korrespondenz zwischen der Aufwands- und der Ertragsseite gestört würde, wenn die Mieterträge durch Anwendung der erweiterten Kürzung aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herausgenommen würden, obwohl die korrespondierenden Aufwendungen weiterhin abgezogen werden könnten (BFH 18.5.11, X R 4/10, BStBl II 11, 887, Rz. 46 und BFH 30.10.14, IV R 9/11, BFH/NV 15, 227, Rz. 28: jedenfalls für den Fall, dass die Organgesellschaft alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermietet).
Dem stehe auch nicht entgegen – so der BFH weiter –, dass sich die erweiterte Kürzung auf den Gewerbeertrag beziehe, der regelmäßig nicht mit den (Brutto-)Mieterlösen identisch sei, denen korrespondierend die Mietaufwendungen der das Grundstück nutzenden Organgesellschaften gegenüberstünden. Denn der Gewerbeertrag aus der Grundbesitzverwaltung stelle im Verhältnis zu den entsprechenden Mieterlösen eine Teilmenge – und kein aliud – dar (BFH 18.5.11, X R 4/10, BStBl II 11, 887, Rz. 58).
Die Rechtsprechung des BFH ist im Schrifttum nicht uneingeschränkt auf Zustimmung gestoßen. Insbesondere für die Fälle der Weitervermietung an außerhalb des Organkreises stehende Dritte waren die Auffassungen im Schrifttum bisher geteilt. Vertreten wurde, dass wegen der Korrespondenz von Mietaufwand und Mietertrag eine erweiterte Kürzung bei der organkreisintern vermietenden Organgesellschaft ausscheide (Huland/Dickhöfer, BB 13, 2583, 2586). Die Gegenauffassung (Sanna, DStR 12, 1989, 1995; Keß in: Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz. 3770; Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz. 19a) stellt auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab, nach der im Organkreis keine doppelte Entlastung erfolge.
Ergebnis: Der BFH konstatiert, dass die den BFH-Urteilen vom 18.5.11 (X R 4/10, BStBl II 11, 887) und vom 30.10.14 (IV R 9/11, BFH/NV 15, 227) zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze auch im Streitfall auf die Vermietung nach dem – von der A-GmbH praktizierten – sog. Weitervermietungsmodell anzuwenden sind. Daher ist die den ausschließlich organkreisintern verpachtenden Organgesellschaften grundsätzlich zustehende erweiterte Kürzung nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG rückgängig zu machen. Zugleich scheidet die Korrektur ihrer Höhe durch Gegenrechnung eines Betrags im Umfang der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG aus.
Die Immobilien-GmbHs erzielten sämtliche Pachterlöse von der W-GmbH, die die Pachtzahlungen als Betriebsausgaben erfasste. Auf der Ebene der A-GmbH als Organträgerin glichen sich Aufwand und Ertrag aus diesen – ausschließlich die Organgesellschaften betreffenden – Geschäften aus, sodass eine Korrektur des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bei den Immobilien-GmbHs nicht geboten ist. Eine solche Korrektur würde vielmehr dazu führen, dass auf der Ebene der A-GmbH als Organträgerin Erträge nicht der Gewerbesteuer unterworfen würden, obwohl die korrespondierenden Aufwendungen (zumindest teilweise gewerbesteuermindernd) abgezogen werden können, was zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Entlastung der A-GmbH führen würde.
Die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften sind vorliegend innerhalb des Organkreises auch nicht ausnahmsweise deshalb anzuwenden, weil sich ihre Wirkungen innerhalb des Organkreises im Streitjahr ausgleichen würden. Korrespondierende Regelungen wie die bis 2007 geltenden Vorschriften des § 8 Nr. 7 GewStG (a. F.) bzw. des § 9 Nr. 4 GewStG existieren für das Jahr 2016 mit Blick auf die Vermietung von Grundbesitz zwischen Organgesellschaften nicht. § 8 Nr. 7 sah die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für nicht in Grundbesitz bestehende Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beim Mieter beziehungsweise Pächter vor, während § 9 Nr. 4 GewStG (a. F.) ihre Kürzung beim Vermieter beziehungsweise Verpächter regelte. Damit sollte eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung der betreffenden Miet- und Pachtzinsen ausgeschlossen werden (vgl. dazu BFH 30.12.96, I B 61/96, BStBl II 97, 466, unter II.2.).
Beachten Sie | § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG regelt lediglich die Hinzurechnung eines in den Miet-/Pachtentgelten enthaltenen, vom Gesetzgeber pauschal ermittelten Finanzierungsanteils (BFH 8.12.16, IV R 55/10, BStBl II 17, 722, Rz. 27 unter Hinweis auf BTDrucks 16/4841, S. 80). Die vom FG befürwortete Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift würde daher die Wirkung der erweiterten Kürzung nur teilweise ausgleichen.
Die durch die Organschaft bedingten Besonderheiten der Ermittlung des Gewerbegewinns (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG) verlangen es, auch im Fall des Weitervermietungsmodells nur die Geschäftsbeziehungen zwischen den Organgesellschaften zu betrachten. Bei diesen Geschäftsbeziehungen stehen sich – von der A-GmbH als Organträgerin aus gesehen – jeweils Aufwand und Ertrag aus demselben Rechtsgeschäft gegenüber.
Beachten Sie | Bei der W-GmbH war die erweiterte Kürzung dagegen – unabhängig von durch die Organschaft bedingten Besonderheiten – schon deswegen ausgeschlossen, weil sie nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, sondern fremden Grundbesitz und außerdem Service- und Managementleistungen erbringt.
Erweiterte Kürzung auch im Weitervermietungsmodell ausgeschlossen |
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.
AUSGABE: GStB 1/2025, S. 21 · ID: 50240060