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GenerationennachfolgeNachträgliche Betriebsausgaben des Schenkers bei „unentgeltlichem“ Betriebsübergang

Abo-Inhalt20.12.20246 Min. LesedauerVon Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

| Innerhalb der Familie kommt es regelmäßig vor, dass Betriebe generationsübergreifend unentgeltlich zwischen den Familienmitgliedern übertragen werden. Oftmals stellt sich dabei heraus, dass die Übertragung ein Danaergeschenk war, weil das Eigenkapital negativ ist oder im Nachhinein Zahlungsverpflichtungen auftauchen, mit denen niemand gerechnet hat. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wie nachträgliche Zahlungen des Schenkers steuerlich behandelt werden sollen, insbesondere ob diese beim Schenker zu nachträglichen Betriebsausgaben führen oder nicht. Mit einer für die Steuerpflichtigen freundlichen Entscheidung hat der BFH nunmehr klargestellt, dass die Übertragung eines Betriebs unter Familienangehörigen auch dann unentgeltlich sein kann, wenn der Erwerber sämtliche Betriebsschulden übernimmt, das Eigenkapital im Zeitpunkt der Übertragung möglicherweise sogar negativ war und nachträgliche Verbindlichkeiten auftauchen, die vom Übertragenden beglichen werden (BFH 6.5.24, III R 7/22, Abruf-Nr. 243358). |

1. Sachverhalt

Die verheiratete T betrieb in den Jahren 01 bis 04 ein von ihrem Vater V übernommenes Malergeschäft in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Mit Wirkung vom Oktober 04 übertrug T das Unternehmen mit sämtlichen Aktiva und Passiva an V zurück. Gemäß der Vereinbarung vom 1.10.04 erfolgte die Übertragung unentgeltlich. V, der als neuer Betriebsinhaber beschrieben wurde, übernahm „mit dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreff des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis“. Da V bereits im Unternehmen tätig war und ihm die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt waren, erfolgte die Betriebsübertragung unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung. Die Vertragsparteien einigten sich ferner, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber übergehen.

Wegen im Zeitraum 01 bis 04 nicht abgeführter Beiträge zur Urlaubskasse wurde T in mehreren arbeitsgerichtlichen Urteilen zur Zahlung von ca. 130.000 EUR verurteilt. In der Übertragungsbilanz zum 30.9.04 betrug das Eigenkapital des Malerbetriebs (EU) rd. 2.700 EUR. Rückstellungen für Beitragspflichten an die Urlaubskasse waren dabei nicht berücksichtigt. T bezahlte im Jahr 14 – also zehn Jahre nach der unentgeltlichen Übertragung – rd. 5.000 EUR und in den Jahren 15 und 16 jeweils 12.000 EUR an die Urlaubskasse.

Die Zahlungen an die Urlaubskasse machte T in ihren Steuererklärungen 14 bis 16 als nachträgliche Betriebsausgaben aus dem auf ihren Vater übertragenen Malerbetrieb geltend. Das FA erkannte diese nicht als negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Nachdem die beim FG erhobene Klage keinen Erfolg hatte, gab der BFH der T im Revisionsverfahren im Ergebnis Recht.

2. Rechtliche Würdigung

Die Übertragung des Unternehmens von T auf ihren Vater erfolgte unentgeltlich, und die nach der Übertragung erfolgten Zahlungen an die Urlaubskasse führten auch zu nachträglichen Betriebsausgaben.

2.1 Unentgeltlichkeit der Übertragung

Wird ein Betrieb im Ganzen unentgeltlich auf eine andere Person übertragen, ist weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe gegeben. Der Rechtsnachfolger ist dabei gemäß § 6 Abs. 3 S. 3 EStG an den Bilanzansatz der übernommenen Werte gebunden. Er führt zwingend die Buchwerte fort.

Merke | Eine unentgeltliche Betriebsübertragung i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG ist dabei nicht nur dann gegeben, wenn überhaupt keine Gegenleistung festzustellen ist. Eine unentgeltliche Übertragung setzt nur voraus, dass der Übertragende beabsichtigt, den Übernehmer im Sinne einer Schenkung zu bereichern. Während bei der Übertragung zwischen fremden Dritten eine tatsächliche Vermutung für die Entgeltlichkeit spricht, gilt dies bei Familienangehörigen nicht. Vielmehr wird bei einer Übertragung innerhalb der Familie vermutet, dass die beiderseitigen Leistungen nicht kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind und ein voll, mindestens aber ein teilweise unentgeltlicher Vorgang vorliegt.

Entsprechend führt die Übernahme von Verbindlichkeiten allein noch nicht zur Entgeltlichkeit. Nach der Einheits- beziehungsweise Nettobetrachtung kann eine Übertragung auch unentgeltlich sein, wenn zum übertragenen Betrieb passive Wirtschaftsgüter gehören. Eine Betriebsübertragung unter Familienangehörigen kann daher unentgeltlich sein, wenn der Übernehmende neben den Aktiva des Betriebs die regelmäßig ebenfalls vorhandenen Passiva des Betriebs (Betriebsschulden) übernimmt. Dies gilt selbst dann, wenn das Eigenkapital im Zeitpunkt der Übertragung dadurch negativ ist. Entsprechend war die Übertragung des Unternehmens von T auf ihren Vater unentgeltlich i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG.

2.2 Abzugsfähigkeit der nachträglichen Zahlungen an die Urlaubskasse

Gemäß § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch positive und negative Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Von dieser Vorschrift erfasst werden auch nachträgliche Betriebsausgaben.

Nachträgliche gewerbliche Einkünfte sind dabei in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln. Als Betriebsausgaben anzuerkennen sind deshalb solche Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Ein Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und ihm subjektiv zu dienen bestimmt sind. Zahlungen stehen in einem entsprechenden Zusammenhang mit dem Betrieb, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Sofern solche Betriebsausgaben erst nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs entstehen, gehören sie zu den nachträglichen Einkünften aus der früheren betrieblichen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG).

Auch im Anschluss an eine unentgeltliche Betriebsübertragung können nachträgliche Betriebsausgaben entstehen, wenn der Betriebsübergeber Aufwendungen trägt, die mit der früheren Betriebsführung im Zusammenhang stehen. Entsprechend liegen bei T in allen drei Jahren negative Einkünfte aus ihrer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit vor. Entsprechend sind die Zahlungen an die Urlaubskasse im jeweiligen Jahr ihrer Leistung steuerlich bei T berücksichtigungsfähig.

3. Relevanz für die Praxis

Die Schwierigkeit bei nachträglichen Zahlungen für einen bilanzierenden Betrieb ist die zeitliche Zuordnung der Aufwendungen. Für die Forderungen der Urlaubskasse hätte eigentlich eine Verbindlichkeit wegen drohender Inanspruchnahme gebildet werden müssen. Dies hätte in den Jahren 01 bis 04 geschehen müssen. Diesen Jahren sind die Forderungen zuzuordnen und hätten nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung auch in diesen Jahren bilanziell berücksichtigt werden müssen. Wäre dann der um die Forderungen geführte Prozess zugunsten des Unternehmens ausgegangen, hätte im Jahr der Bestandskraft der Entscheidung eine Auflösung des Passivpostens erfolgen müssen.

Entsprechend waren die Bilanzen des Unternehmens vor dem unentgeltlichen Betriebsübergang von T auf V objektiv falsch. Bilanzierungsfehler sind gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 EStG vorrangig in der Bilanz des Wirtschaftsjahres zu berichtigen, in dem es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist. Liegt hierfür jedoch bereits ein Steuerbescheid vor, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann, ist der unrichtige Bilanzansatz nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs jedoch grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist.

Letzteres gilt auch bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung. Auch hier sind unrichtige Bilanzansätze, die in die bereits bestandskräftige und nicht mehr änderbare letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn oder Verlust Eingang gefunden haben, in der Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren. Allerdings gilt dies nicht, wenn die T auch nach der Betriebsübertragung Schuldnerin der Forderungen der Urlaubskasse war. Hier hätte eine Übertragung auf den V von der Zustimmung des Gläubigers – der Urlaubskasse – abgehängt. Diese Zustimmung ist aber nicht erfolgt. Dementsprechend waren diese Verbindlichkeiten Bestandteil eines bei der T verbliebenen „Restvermögens“ des Unternehmens.

Es bleibt festzuhalten, dass „Nachzahlungen“ im Zusammenhang mit unentgeltlichen Betriebsübertragungen – die in aller Regel nur zwischen Familienangehörigen erfolgen – zu nachträglichen Betriebsausgaben des Übertragenden führen. Dies fördert den Familienfrieden und kann nur begrüßt werden.

AUSGABE: GStB 1/2025, S. 5 · ID: 50162964

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