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BetriebsausgabenPhotovoltaikanlagen ab 2022: kein „nachlaufender“ Betriebsausgabenabzug?
| Für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt seit 2022 eine gesetzliche Ertragsteuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). Im Gegenzug sind Betriebsausgaben seit 2022 nicht mehr abziehbar. Doch wie sind sog. nachlaufende Betriebsausgaben steuerlich zu behandeln, also beispielswiese eine in 2022 geleistete USt-Nachzahlung für das Jahr 2021? Das FG Nürnberg hat entschieden, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2022 keine Betriebsausgaben für steuerbefreite Photovoltaikanlagen mehr abgezogen werden dürfen, selbst wenn diese auf steuerpflichtige Einnahmen früherer Veranlagungszeiträume entfallen (FG Nürnberg 19.9.24, 4 K 1440/23). Doch das FG Münster (6.11.24, 7 K 105/24 E) ist anderer Ansicht und lässt einen Abzug „nachlaufender“ Betriebsausgaben zu. Zu diesem Ergebnis war bereits ein anderer Senat des FG Münster gelangt, allerdings nur in einem AdV-Verfahren (Beschluss vom 21.10.24, 1 V 1757/24). |
Sachverhalt
Die beiden Sachverhalte, die den Urteilen zugrunde lagen, sind ähnlich, sodass hier nur der des FG Nürnberg vorgestellt werden soll: Der Kläger betreibt eine seit 2022 steuerbefreite Photovoltaikanlage. Die USt-Jahreserklärung 2021 wurde in 2022 beim Finanzamt eingereicht; der Nachzahlungsbetrag wurde ebenfalls in 2022 überwiesen. Für das Jahr 2022 reichte der Kläger eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein, in der als einziger Posten die Umsatzsteuer für 2021 von 864 EUR als Betriebsausgabe erschien. Entsprechend machte er in seiner ESt-Erklärung 2022 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 864 EUR geltend. Das Finanzamt ließ diesen Verlust aber außer Ansatz. Es verwies darauf, dass Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit steuerfreien Betriebseinnahmen stünden, nicht als Ausgaben berücksichtigt werden könnten. Einspruch und Klage blieben im Fall des FG Nürnberg ohne Erfolg, im Fall des FG Münster wurde der Klage stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Für die Auslegung des FG Nürnberg ist in erster Linie der reine Wortlaut des
§ 3 Nr. 72 S. 2 EStG maßgeblich. Dieser spricht eindeutig davon, dass bei Vorliegen steuerbefreiter Einnahmen kein Gewinn zu ermitteln „ist“. Das FG Münster argumentiert hingegen: Hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs ist auf § 3c Abs. 1 EStG abzustellen, wonach Betriebsausgaben nur dann nicht abgezogen werden dürften, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Ein solcher Zusammenhang liegt aber gerade nicht vor. Vielmehr stehen die Betriebsausgaben mit steuerpflichtigen Einnahmen aus früheren Jahren im Zusammenhang. Aus der Regelung in § 3 Nr. 72 S. 2 EStG ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift ist vielmehr dahin gehend auszulegen, dass eine Gewinnermittlung im Fall der Steuerfreiheit zwar nicht mehr zwingend erforderlich, aber nicht verboten ist. § 3 EStG regelt ausschließlich die Steuerfreiheit von Einnahmen, während für die Frage des Abzugs von Betriebsausgaben § 3c EStG einschlägig ist.
Zwar mag es ungerecht erscheinen, wenn nachlaufende Einnahmen des Jahres 2022, die wirtschaftlich den Vorjahren zuzurechnen sind, bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden aufgrund des Zuflussprinzips nach § 11 Abs. 1 EStG nicht mehr besteuert werden können, während nachlaufende Betriebsausgaben als negative Einkünfte noch abgezogen werden dürfen. Die darin ggf. zu sehende fehlende Abstimmung zwischen § 3c Abs. 1 EStG und § 3 Nr. 72 S. 1 EStG kann jedoch nicht ohne eine gesetzgeberische Korrektur des § 3c Abs. 1 EStG beseitigt werden.
Der Umstand, dass der BFH dieses sich bei periodenübergreifender Betrachtung ergebende „Dilemma“ in seiner Rechtsprechung klar benannt hat (vgl. BFH 13.12.12, IV R 51/09, BStBl II 13, 203), spricht auch letztlich dafür, dass insoweit keine gesetzgeberische „Regelungslücke“ besteht, die beispielsweise durch die Annahme eines Gewinnermittlungsverbotes nach § 3 Nr. 72 S. 2 EStG zu schließen wäre.
Relevanz für die Praxis
Gegen beide Urteile wurde jeweils die Revision zum BFH zugelassen, die auch bereits eingelegt worden sind. Die Az. beim BFH lauten III R 35/24 (Vorinstanz FG Nürnberg) und X R 30/24 (Vorinstanz FG Münster). Von daher gilt die Empfehlung, Betriebsausgaben, die noch ein Jahr vor 2022 betreffen, aber erst in 2022 oder später bezahlt werden, steuerlich geltend zu machen. Gegen ablehnende Steuerbescheide sollte Einspruch eingelegt und unter Berufung auf die BFH-Verfahren ein Ruhen des eigenen Verfahrens beantragt werden.
AUSGABE: GStB 1/2025, S. 10 · ID: 50242949