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Vorweggenommene ErbfolgeNießbrauch an GmbH-Anteilen – aktuelle Hinweise für die Beratungspraxis

Abo-Inhalt31.10.202418 Min. LesedauerVon StB Jan Böttcher, LL. M., Nürnberg

| Der Nießbrauch an GmbH-Anteilen ist in der steuergestaltenden Praxis insbesondere im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge eine beliebte Gestaltungsform, um den Wert der zu übertragenden Anteile zu mindern und dem Übergeber weiterhin Liquidität zukommen zu lassen. Daneben bedarf es jedoch auch zwingend der Klärung der Frage, wem zukünftig die Dividendeneinkünfte zuzurechnen sind. Hier können nach der aktuellen Rechtsprechung Zivil- und Steuerrecht auseinanderfallen. Der folgende Beitrag zeigt dahin gehend aktuell zu beachtende ertragsteuerliche und schenkungsteuerliche Aspekte einer Nießbrauchbestellung an GmbH-Geschäftsanteilen auf. |

1. Gestaltungsformen des Nießbrauchs im Einzelnen

Zivilrechtlich ist ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen gem. § 1068 BGB ff. als Nießbrauch an einem Recht als zulässig anerkannt. Sowohl für die Anteilsübertragung (vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG) als auch für die Bestellung eines Nießbrauchs (vgl. § 1069 BGB) ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Eine Eintragung des Nießbrauchers in die Gesellschafterliste gem. § 40 GmbHG braucht jedoch nicht zu erfolgen, da die Belastung eines GmbH-Geschäftsanteils mit einem Nießbrauch keine „Veränderung“ in den Beteiligungsverhältnissen darstellt (Wachter, DB 22, 2111). Folgende „Spielarten“ des Nießbrauchs sind in der Praxis zu unterscheiden und können für die Gestaltungsberatung nutzbar gemacht werden:

  • Vorbehaltsnießbrauch: Der bisherige Gesellschafter überträgt seinen Anteil bereits zu Lebzeiten schenkungsweise auf einen Dritten und behält die Erträge weiterhin für sich.
  • Zuwendungsnießbrauch: Der Gesellschafter überträgt einem Dritten schenkungsweise die Erträge aus dem Geschäftsanteil, bleibt aber Gesellschafter.
  • Vermächtnisnießbrauch: Durch letztwillige Verfügung fällt der Geschäftsanteil an den/die Erben, der Nießbrauch daran durch Vermächtnis an einen Dritten.

Daneben kann das Nießbrauchsrecht als Ertragsnießbrauch (nur Anspruch auf Erträge/Nutzungen) oder Vollrechtsnießbrauch (zusätzliche Vermögens- und Mitwirkungsrechte) ausgestaltet sein. In allen Varianten ist auch die Bestellung eines Quotennießbrauchs an einem GmbH-Anteil möglich.

2. Ertragsteuerliche Aspekte

Ziel der Gestaltung ist regelmäßig, dass dem Nießbraucher noch die Erträge aus dem GmbH-Geschäftsanteil, also die Ausschüttungen im Rahmen der Gewinnverwendung der Gesellschaft, als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet werden.

2.1 Zurechnung der Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 5 EStG)

Ein unbefangener Blick ins Gesetz scheint insoweit für Klarheit zu sorgen: § 20 Abs. 5 S. 1 EStG bestimmt, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Anteilseigner erzielt. Nach S. 3 gilt ein Nießbraucher hierbei als Anteilseigner, wenn diesem die obigen Einnahmen zuzurechnen sind. Hieraus darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Nießbraucher den Anteilseigner regelmäßig hinsichtlich der Zurechnung der Einkünfte verdrängt. Die Zurechnung ist Tatbestandsmerkmal der Norm. Das heißt, die Zurechnung der Einkünfte zum Nießbraucher muss sich aus dessen Stellung gegenüber dem Anteilseigner nach den allgemeinen Regeln ergeben.

2.2 Nießbrauchserlass 1983

Einkünfte aus Kapitalvermögen sind (wie die übrigen Einkünfte) demjenigen zuzurechnen, der über die Leistungserstellung disponieren kann, d. h. die Möglichkeit hat, Marktchancen zu nutzen, Leistungen zu variieren und im Extremfall auch zu verweigern; maßgebend ist, wer durch Nutzung von Kapitalvermögen am Marktgeschehen teilnimmt (vgl. Buge in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG, Rn. 24). Wann aber ist dies nun bei einem Nießbrauch an Anteilen einer GmbH der Fall? Die Finanzverwaltung trifft hier in ihrem „alten“ Nießbrauchserlass vom 23.11.83 (BStBl I 1983, 508) folgende Differenzierung bei einem unentgeltlich bestellten Nießbrauch:

  • Vorbehaltsnießbrauch: Bei einem Vorbehaltsnießbrauch (und Vermächtnisnießbrauch) sind die Einnahmen dem Nießbraucher zuzurechnen.
  • Zuwendungsnießbrauch: Dagegen sind die Einnahmen bei einem (unentgeltlich) bestellten Zuwendungsnießbrauch dem Nießbrauchbesteller zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn sie dem Nießbraucher zufließen.

In der Beratungspraxis wird überwiegend – und trotz Erlass des „neuen“ Nießbrauchserlasses vom 30.9.13 (BStBl I 13, 1184) – auf diese Differenzierung abgestellt, da der revidierte Erlass ausdrücklich nur den Nießbrauch an Immobilienvermögen regele (so Dorn/Stein, GmbHR 22, 1069, ablehnend Ratschow in: Brandis/Heuermann, § 20 EStG, Rn. 455). Durch die nachfolgend dargestellte aktuelle Rechtsprechung des BFH dürfte diese faustformelartige Differenzierung als überholt einzustufen sein.

2.3 Aktuelle Entscheidungen des BFH

In seinen Entscheidungen vom 14.2.22 (VIII R 29/18, BStBl II 22, 544 und VIII R 30/18, BStBl II 22, 548) hat der BFH wesentliche Aussagen zur Zurechnung von Einkünften eines nießbrauchsbelasteten GmbH-Anteils getroffen. Streitgegenständlich war hier die Auswirkung der unentgeltlichen Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs, jedoch differenziert der BFH in seinen Entscheidungen nicht nach der Art des Nießbrauchs. Hinsichtlich der umstrittenen Frage, in welchen Fällen eine Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zum Nießbrauchberechtigten zu erfolgen habe, stellt der BFH folgende (allgemeine) Grundsätze auf:

  • Ausschüttungen einer GmbH sind grds. dem Anteilseigner gem. § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen.
  • Eine davon abweichende Zurechnung ist einkommensteuerlich nur dann möglich, wenn dem Gläubiger der Ausschüttung die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht.
  • Dafür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gem. § 1068 Abs. 2, § 1030 i. V. m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt.
  • Vielmehr ist es erforderlich, dass der Nießbrauchberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt. Eine solche einflussvermittelnde Rechtsposition könne sich durch einen „Zurückbehalt“ der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte, oder bereits durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Nießbrauchberechtigten ergeben.

2.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des BFH

Der BFH folgt der Differenzierung der Finanzverwaltung und der wohl herrschenden Meinung (vgl. Wachter, DB 22, 2111) zwischen den verschiedenen Zuwendungsformen des Nießbrauchs für die Frage der Zurechnung der Einkunftsquelle mit seinem Urteil nicht. Derjenige, der in die Lage versetzt ist, Marktchancen zu nutzen, das Vermögen zu verwalten die Modalitäten einer Kapitalanlage zu verändern oder die Leistung durch Zurückziehen des Kapitalvermögens zu verweigern, erzielt selbst Einkünfte aus Kapitalvermögen – diese Grundsätze gelten auch für einen Nießbrauchberechtigten, ganz gleich auf welchem Weg ihm dieses Recht eingeräumt wurde.

Der BFH stellt darüber hinaus klar, dass sich aus dem jetzigen § 20 Abs. 5 S. 3 EStG (§ 20 Abs. 2a S. 3 EStG a. F.), wonach ein Nießbrauchberechtigter als Anteilseigner gilt, wenn ihm die Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind, keine andere Wertung ergebe. Die Norm regelt keine abweichende Zurechnung der Einnahmen, sondern setzt diese voraus. Nur wenn also nach den obigen Grundsätzen die Kapitaleinkünfte bereits dem Nießbraucher zuzurechnen sind, fingiert die Regelung den Nießbrauchberechtigten als Anteilseigner.

2.4.1 Zurechnung der Einkünfte bei Übergabe unter Vorbehaltsnießbrauch

Bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil greift – anders als nach h. M. bei einem Nießbrauch an einem Mitunternehmeranteil (vgl. Schmidt/Wacker, § 15 EStG, Rn. 306 m. w. N.) – keine Aufspaltung der Einkunftsquelle, sondern ein Highländer-Prinzip (so Dorn/Stein, GmbHR 22, 1069), d. h. entweder der Anteilseigner erzielt die Einkünfte oder der Nießbraucher. Diese Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen kann nun über zwei Wege erfolgen:

  • Der Nießbrauchberechtigte ist als wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu qualifizieren – die Zurechnung der Einkünfte erfolgt in diesem Fall schon über § 20 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG („Starke Position“) oder
  • lediglich die Fruchtziehung aus dem GmbH-Anteil hinsichtlich der laufenden Einkünfte ist diesem zuzurechnen, in diesem Fall tritt dieser über § 20 Abs. 5 S. 3 EStG an die Stelle des Anteilseigners und gilt als Bezieher der Einkünfte i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Es kann daher in den Fällen der unentgeltlichen Übergabe von Geschäftsanteilen an einer GmbH unter Vereinbarung eines entsprechenden Vorbehaltsnießbrauchs m. E. wie folgt differenziert werden:

  • Verpflichtet sich der Gesellschafter, dem Nießbraucher sein Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung sowie sein Stimmrecht für die Dauer des Nießbrauchrechts zu überlassen und bevollmächtigt er diesen unwiderruflich, nicht nur die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Ladungen zu Gesellschafterversammlungen entgegenzunehmen, sondern auch die Stimmrechte ohne Beschränkungen auszuüben, dann ist der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Die Regelung des § 20 Abs. 5 S. 3 EStG ist in diesem Fall obsolet, der Nießbraucher ist bereits Anteilseigner i. S. d. § 20 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG.
  • Treffen Gesellschafter und Nießbraucher dagegen eine Vereinbarung, welche eine einvernehmliche Ausübung der Stimmrechte durch den Anteilseigner und den Nießbraucher vorsieht oder wird dem Nießbraucher das Stimmrecht bei Beschlüssen über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft sowie die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechts notwendigen Kontroll- und Informationsrechte eingeräumt, bei außerordentlichen Angelegenheiten gebührt das Stimmrecht jedoch allein dem Gesellschafter, liegt (noch) keine Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen beim Nießbraucher vor (BFH 28.1.92, VIII R 207/85, BStBl II 92, 605; siehe mit Formulierungsbeispielen: Wälzholz/Graf Wolffskeel von Reichenberg in: Fuhrmann/Wälzholz, Formularbuch Gesellschaftsrecht, Muster M 15.21). Dennoch hat der Nießbraucher in diesem Fall einen so entscheidenden Einfluss, dass diesem eine Dispositionsbefugnis über die Einkünftequelle zusteht. Dies zumindest in den Fällen, in denen der Schenkungsvertrag entsprechende Widerrufsklauseln vorsieht (vgl. Toussaint, NWB 24, 1758). Daher tritt der Nießbrauchberechtigte über die Zurechnungsregelung des § 20 Abs. 5 S. 3 EStG für die Frage der Zurechnung der Dividendeneinkünfte an die Stelle des Anteilseigners.
  • Steht jedoch das Stimmrecht an den Geschäftsanteilen dem Gesellschafter nach allgemeinen Grundsätzen zu, läuft der Vorbehaltsnießbrauch ertragsteuerlich ins Leere. Es bleibt in diesem Fall bei dem Grundsatz des § 20 Abs. 5 S. 1 EStG, dass der Anteilseigner die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Ob in diesem Fall auf Ebene des Nießbrauchers ein reiner, nicht steuerbarer Forderungseinzug vorliegt, ist unklar.

2.4.2 Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs

In der Praxis dürfte es bei einem Zuwendungsnießbrauch kaum möglich sein, die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Zuordnung des GmbH-Anteils nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zum Nießbraucher zu erfüllen. Denn die Stimmrechtsvollmacht verschafft dem Nießbraucher keine Rechtsposition, die „ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann“ (s. auch Wachter, DB 22, 2111).

Dagegen sollte eine für die Zurechnung der Einkünfte notwendige Dispositionsbefugnis über die Einkünftequelle des Nießbrauchers im Rahmen einer entsprechenden Stimmrechtsvereinbarung für Zwecke des § 20 Abs. 5 S. 3 EStG möglich sein. Dem Nießbraucher wären insoweit Mitwirkungsrechte zuzurechnen, die ihn in die Lage versetzen, auf die Geschäfte der Gesellschaft dergestalt Einfluss zu nehmen, dass im Ergebnis die Höhe seiner Einkünfte beeinflusst wird (vgl. Milatz/Sonneborn, DStR 99, 137).

2.5 Weitere steuerliche Auswirkungen

2.5.1 Wem sind Einkünfte nach § 17 EStG zuzurechnen?

Die obige Differenzierung betrifft allein die Frage der Einkünftezurechnung für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bei der Übergabe von Geschäftsanteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines „harten“ Nießbrauchs muss darüber hinaus bedacht werden, dass der übertragene Geschäftsanteil selbst (weiterhin) dem wirtschaftlichen Eigentümer gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 EStG zuzurechnen ist. In diesem Fall fehlt aus ertragsteuerlicher Sicht somit bereits ein unentgeltlicher Übergang der Geschäftsanteile auf den neuen Gesellschafter i. S. v. § 17 Abs. 2 S. 5 EStG (vgl. BFH 24.1.12, IX R 51/10, BStBl II 12, 308). In diesem Fall hätte nicht der Anteilseigner, sondern der Nießbraucher im Falle einer Anteilsveräußerung den Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 EStG zu versteuern.

Beachten Sie | Daneben kann die Frage, ob wirtschaftliches Eigentum übergeht oder zurückbleibt, für die schenkungsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts erhebliche Bedeutung haben. In der Literatur wird zwar die Auffassung vertreten, dass für die Frage einer Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 ErbStG alleinig das Innehaben der Gesellschafterstellung maßgebend und die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen unerheblich ist (vgl. Butz-Seidel, ErbBstg 21, 98). Allerdings musste der BFH zu dieser konkreten Frage bei der Übergabe unter Vorbehaltsnießbrauch (noch) keine Stellung nehmen, sodass insoweit ein Gestaltungsrisiko verbleibt. Keinen Einfluss sollte dahin gehend eine reine Stimmrechtsvollmacht haben, insoweit wären die übergehenden Geschäftsanteile auch begünstigungsfähig i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (Wachter, DB 22, 2111).

2.5.2 Folgen der Ablösung des Nießbrauchrechts

Auch die steuerlichen Folgen einer Ablösung eines Nießbrauchrechts an einem GmbH-Anteil sind weitgehend offen, jedoch wird der BFH hier schon bald die Gelegenheit einer Stellungnahme in den unter den Az. IX R 5/24 (Vorinstanz: FG Nürnberg 29.9.23, 7 K 1029/21) und IX R 14/24 (Vorinstanz: FG Köln 29.2.24, 7 K 95/23) anhängigen Verfahren erhalten. Die erstinstanzlichen Urteile betreffen jeweils die Übergabe von Geschäftsanteilen unter Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs. Beide Entscheidungen fügen sich in die obige Systematik der Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ein und erscheinen daher nur auf den ersten Blick als divergent.

Im Fall des FG Nürnberg hatte die Nießbraucherin sich wesentliche Verwaltungsrechte in Form einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht in Gesellschafterversammlungen und – im Falle des Vorversterbens des Erwerbes – ein Rückübertragungsrecht vorbehalten. Daher seien der Nießbraucherin gemäß § 20 Abs. 5 S. 3 EStG die laufenden Einkünfte zuzurechnen. Infolgedessen sei die (im Vorfeld einer Veräußerung der Geschäftsanteile erfolgte) Ablösung des Nießbrauchrechts auch als Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG für die entgangenen Einnahmen im Zusammenhang mit den steuerbaren Kapitaleinkünften zu werten.

Der vom FG Köln zu beurteilende (dem Grunde nach fast identische) Sachverhalt sah nun eine Beschränkung des Nießbrauchs auf „die Ziehung der Nutzungen aus den Geschäftsanteilen“ ohne weitergehende Stimmrechtsvorbehalte etc. vor. Völlig im Einklang mit der obigen Rechtsprechung des BFH (und gegen den Nießbraucherlass 1983) kam das FG daher zu dem Ergebnis, dass der Nießbraucherin überhaupt keine Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen seien. Ausdrücklich (und völlig zu Recht) lehnt das FG Köln eine Stellung der Nießbraucherin als Anteilseignerin gem. § 20 Abs. 5 S. 3 EStG ab. Von daher laufe dann allerdings nach Ansicht der Kölner Richter § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ins Leere, da dieser immer eine Einkunftsquelle voraussetze. Im Ergebnis sei die Abfindung daher nicht steuerbar.

In seinem Urteil vom 18.11.14 (IX R 49/13, BStBl II 15, 224) hatte sich der BFH um eine klare Aussage zur Frage der steuerlichen Erfassung der Ablösezahlung beim Nießbrauchberechtigten noch gedrückt und lediglich festgestellt, dass die Zahlungen für die Ablösung eines (Vorbehalts-)Nießbrauchs an einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten zu qualifizieren sind. Nun wird der BFH eine eindeutige Entscheidung in diesen klassischen Sachverhaltskonstellationen treffen müssen und ggf. auch eine Stellungnahme zur Zurechnung der Einkünfte beim Nießbrauchberechtigten gem. § 20 Abs. 5 S. 3 EStG abgeben. Entsprechende Bescheide sind bis dahin mit Verweis auf die anhängigen Revisionsverfahren in die gesetzliche Verfahrensruhe gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO zu bringen.

2.6 Zwischenfazit

Wird an einem GmbH-Anteil ein Nießbrauch wirksam bestellt, der dem Nießbraucher lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnausschüttungsanspruch einräumt, ohne dass er wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere Stimmrechte ausüben und im Konfliktfall durchsetzen kann, sind die Kapitaleinnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen. Auf die Art des Nießbrauchs kommt es insoweit nicht an.

Eine Zurechnung der laufenden Einkünfte bedarf zumindest der Zuweisung wesentlicher weiterer Verwaltungsrechte. Problematisch ist dahin gehend, dass nach h. M. die Stimmrechte allein dem Gesellschafter zustehen und nur im Rahmen eines Vorbehaltsnießbrauchs „zurückbehalten“, nicht jedoch separat im Rahmen eines Zuwendungsnießbrauchs auf den Nießbraucher übertragen werden können (vgl. Wachter, DB 22, 2114 m. w. N.). Zulässig und möglich ist jedoch die Erteilung einer umfassenden, unbeschränkten und unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Nießbrauchers. In der Gestaltungspraxis ist die vorsorgliche Absicherung der angestrebten Einkünftezurechnung daher zumindest durch eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht anzuregen. In diesen Fällen sollte (auch) ein Zuwendungsnießbrauch zu einer Verlagerung der Einkunftsquelle nach § 20 Abs. 5 S. 3 EStG führen (vgl. Korn, KÖSDI 23, 23090; a. A. wohl Wachter, DB 22, 2114, welcher jedoch allein auf die Möglichkeit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abstellt).

Hinsichtlich des Umfangs der (vorbehaltenen) Mitwirkungsrechte sollte darüber hinaus beachtet werden, dass im Fall eines „harten“ Nießbrauchs das wirtschaftliche Eigentum beim Nießbraucher verbleiben kann, sodass – zumindest für ertragsteuerliche Zwecke – keine steuerlich wirksame Übertragung der Geschäftsanteile gegeben ist. In Zweifelsfällen ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO zur Absicherung der Gestaltung anzuregen.

3. Schenkungsteuerliche Aspekte

Bei einem Vorbehaltsnießbrauch greifen die Grundsätze einer gemischten Schenkung. Das heißt, eine schenkungsteuerliche Zuwendung erfolgt in Höhe der Differenz zwischen

  • dem gemeinen Wert der übertragenden Beteiligung nach BewG einerseits und
  • der kapitalisierten Ertragskraft des Nießbrauchrechts als Last i. S. d. § 10 Abs. 6 ErbStG andererseits.

Beachten Sie | Unterfällt die Übergabe der GmbH-Anteile der Betriebsvermögensvergünstigung des § 13a ErbStG, kommt es dahin gehend gem. § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG auch nur zu einem entsprechend quotalen Abzug der Nießbrauchlast. Der Vorbehaltsnießbrauch wirkt sich schenkungsteuerlich jedoch wieder vollumfänglich bzw. teilweise aus, wenn die Verschonungsregelung nicht gelingt oder wieder aufgehoben wird, weil z. B. Behaltensfristen nicht eingehalten werden oder die Lohnsummenregelung nicht beachtet wird.

Abgrenzung: Der Vermächtnisnießbrauch erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; der unentgeltliche Zuwendungsnießbrauch ist nach § 7 Abs. 1 ErbStG steuerpflichtig.

3.1 Bewertung des Nießbrauchrechts

Der Nießbraucher hat grds. nur das Recht aus der Fruchtziehung, d. h. den „Nutzungen“ aus dem Geschäftsanteil, Gewinne aus Wertsteigerungen und aufgelösten stillen Reserven stehen hingegen dem Gesellschafter zu. Ein Nießbrauchrecht stellt bewertungsrechtlich eine wiederkehrende Nutzung dar, die mit ihrem Kapitalwert (Jahreswert x Vervielfältiger) in Anwendung der §§ 13 – 15 BewG zu bewerten ist.

3.1.1 Vervielfältiger

Bei einem Nießbrauchrecht, das auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist, bestimmt sich der Vervielfältiger nach § 13 Abs. 1 BewG i. V. m. Anhang 9a (zu § 13 BewG); bei einem lebenslänglichen Nießbrauch ist die jährlich durch das BMF bekannt gegebenen Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG heranzuziehen (siehe zuletzt BMF 1.12.23, BStBl I 23, 2044 für Bewertungsstichtage ab 1.1.24).

3.1.2 Jahreswert

Der Nießbrauch ist nach § 15 Abs. 3 BewG mit dem zugrunde zu legenden Jahreswert, der „in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird“, zu bewerten. In der Praxis wird diese Prognose regelmäßig anhand des Ergebnisses der dem Stichtag vorangegangenen drei Jahre ermittelt. Maßgebend ist der Anspruch auf den Gewinn (§ 99 Abs. 2 BGB), der erst mit dem Beschluss der Gesellschafter über die Gewinnverwendung (§§ 46 Nr. 1, 29 GmbHG und §§ 264 ff. HGB) entsteht.

Dies würde bei einer thesaurierenden GmbH dem Grunde nach zu einem Ansatz des Nießbrauchs mit 0 EUR führen. Zutreffenderweise ist daher bei der Ermittlung des Jahreswerts auf die bisher tatsächlich erzielten Jahresergebnisse abzustellen (vgl. FG Düsseldorf 25.7.07, E 4 K 2880/03 Erb). Die vollständige oder teilweise Thesaurierung in den Vorjahren wird bei der Bewertung somit negiert (vgl. auch Götz in: Wilms/Jochum, § 15 BewG, Rn. 9.4; differenzierend nach dem Grund der Thesaurierung: Esskandari, NWB 09, 930).

Beachten Sie | Die Erträge der letzten Jahre sind nur dann unverändert anzusetzen, wenn am Stichtag keine Umstände vorliegen, die für eine Änderung der Ertragsverhältnisse in den nächsten Jahren sprechen. Nach mehreren Verlustjahren darf der Jahreswert daher nur dann mit 0 EUR angesetzt werden, wenn auch in Zukunft mit Gewinnen nicht zu rechnen ist. Ein negativer Ansatz für den Jahreswert scheidet jedoch aus.

3.1.3 Außerordentliche Ergebnisse

Fraglich ist, ob außerordentliche Ergebnisse nach dem Bewertungsstichtag rückwirkend die Wertfindung des Nießbrauchrechts beeinflussen.

Beispiel (in Anlehnung an Götz, ZEV 19, 571)
G ist alleiniger Gesellschafter der G-GmbH, diese ist wiederum alleinige Gesellschafterin (Holding) der X-GmbH. Der Jahresüberschuss der G-GmbH betrug in 2019 190.000 EUR und in 2020 244.000 EUR, in 2021 wurde ein ausgeglichenes Ergebnis (0 EUR) erzielt. Die G-GmbH hat die Gewinne regelmäßig thesauriert, Ausschüttungen an den G erfolgten in den letzten Jahren nicht.
Der gemeine Wert des Geschäftsanteils des G an der G-GmbH beträgt 40 Mio. EUR. Am 1.12.22 überträgt G einen Geschäftsanteils von 50 % auf seine Tochter T unter Nießbrauchvorbehalt. G ist zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt (Vervielfältiger 12,852). Am 1.3.24 erfolgt der Verkauf der Geschäftsanteile an der X-GmbH durch die G-GmbH. Hierbei erzielt die G-GmbH einen Erlös von 18 Mio. EUR und einen voraussichtlichen Jahresüberschuss i. H. v. 15 Mio. EUR.
Variante a)
Geht man von den am Stichtag abgeschlossenen drei Vorjahren aus, würde sich folgende Bewertung des Nießbrauchrechts ergeben:
Jahresüberschuss G-GmbH
2019
190.000 EUR
2020
244.000 EUR
2021
0 EUR
Jahreswert (Durchschnitt)
144.667 EUR
Zuwendung T
50 %
anteiliger Jahreswert
72.333 EUR
Vervielfältiger
12,852
Wert Nießbrauch
929.628 EUR
Variante b)
Würde man den Jahreswert hingegen auf Basis des (durch einen einmaligen Verkaufserlös prognostizierten) Jahresüberschusses 2024 i. H. v. 15 Mio. EUR ermitteln, wäre der Jahreswert nach § 16 BewG zu begrenzen:
Wert Geschäftsanteils G-GmbH
40.000.000 EUR
Wert des an T geschenkten Geschäftsanteils (50 %)
20.000.000 EUR
Jahreswert nach § 16 BewG (max. 18,6)
1.075.269 EUR
Jahreswert unter Berücksichtigung JÜ 2024 (50 %)
7.500.000 EUR
Vervielfältiger
12,852
Wert Nießbrauch
13.819.355 EUR
Ergebnis: Zumindest in den Fällen, in denen das „werterhöhende“ Ereignis erst 15 Monate nach dem Bewertungsstichtag eingetreten ist, sollte eine Berücksichtigung von außerordentlichen Ereignissen bei der Bewertung des Nießbrauchrechts ausscheiden, soweit das eingetretene Ereignis am Bewertungsstichtag nicht „absehbar“ war (vgl. Götz, ZEV 19, 571).

3.2 Wahlrecht nach § 23 ErbStG

Ist der Nießbraucher danach zur Steuerzahlung verpflichtet, so steht ihm gem. § 23 ErbStG ein Wahlrecht zu, ob er

  • den Kapitalwert des Nießbrauchs als einmalige Zuwendung oder
  • jährlich den Jahreswert des Nießbrauchs der Steuer unterwerfen will.

Wählt der Nießbraucher zunächst den Jahreswert (§§ 15, 16 BewG), so kann er diesen später noch mit dem (verbleibenden) Kapitalwert ablösen (§ 23 Abs. 2 ErbStG).

3.3 Verzicht auf Nießbrauch

Der BFH hat mit Urteil vom 20.5.14 (II R 7/13, BStBl II 14, 896) entschieden, dass der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchrecht als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Bei der Besteuerung des Nießbrauchverzichts sei jedoch der bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebene (Steuer-)Wert des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen. Daraus folgt:

  • Ein späterer unentgeltlicher Verzicht auf ein Nutzungsrecht erfüllt (unstreitig) den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
  • Hat sich das Nutzungsrecht aufgrund der Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 6 ErbStG nicht bzw. nur teilweise ausgewirkt, ist der Teil, welcher sich bei der Besteuerung des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstands nicht steuermindernd ausgewirkt hat, vom Steuerwert des Nutzungsrechts im Zeitpunkt des Verzichts abzuziehen.

Dieser Grundsatz greift m. E. auch im Rahmen der Abzugsbeschränkung einer Nießbrauchbelastung gem. § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG n. F. bei Übergabe begünstigter wirtschaftlicher Einheiten nach § 13a ErbStG (vgl. auch H E 7.1 ErbStH 2019).

Fortführung des Beispiels
G verzichtet zum 31.12.26 auf seinen Nießbrauch an den auf seine Tochter T (unter Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags gem. § 13a Abs. 1 ErbStG) übertragenen Geschäftsanteilen an der G-GmbH. Zu diesem Zeitpunkt ist G 64 Jahre alt. Der Jahreswert des Nießbrauchs soll unverändert 72.333 EUR betragen.
Übergabe 2022:
Wert Nießbrauch 2022
929.628 EUR
Davon nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG)
790.184 EUR
Verzicht 2026
anteiliger Jahreswert
72.333 EUR
Vervielfältiger
11,695 *
Wert Nießbrauch 2026
845.938 EUR
nicht abzugsfähiger Teil Nießbrauch 2022
− 790.184 EUR
Bereicherung T 2026
55.755 EUR
Beachten Sie | Eine Begünstigung des Erwerbs der T nach § 13a ErbStG scheidet vorliegend aus, da der Nießbrauch selbst keine begünstigungsfähige Einheit i. S. d. § 13b Abs. 1 ErbStG darstellt.

* Gemäß BMF v. 1.12.23 für Bewertungsstichtage ab 1.1.24

Fazit | Der Nießbrauch an einem GmbH-Anteil ist zivilrechtlich möglich und verschafft dem Nießbraucher einen Anspruch auf den ausgeschütteten Gewinn, jedoch keine Gesellschafterstellung. Diesem zivilrechtlichen Ergebnis folgt das Steuerrecht bedingt. Insbesondere hinsichtlich der ertragsteuerlichen Zurechnung der laufenden Gewinne der GmbH scheint die vereinfachte Differenzierung zwischen einem Vorbehalts- und einem Zuwendungsnießbrauch nicht (mehr) mit der aktuellen Rechtsprechung des BFH im Einklang zu stehen. Hieraus ergeben sich Folgeänderungen, bspw. hinsichtlich der ertragsteuerlichen Qualifikation einer Ablösezahlung an den Nießbraucher.
Weitergehende Auswirkungen auf das Schenkungsteuerrecht sind nach h. M. mit der ertragsteuerlichen Neuausrichtung jedoch nicht verbunden, da der BFH im Erbschaftsteuerrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ablehnt und maßgeblich der zivilrechtlichen Beurteilung folgt (vgl. Butz-Seidel, ErbBstg 21, 98 m. w. N.). Verbleibende Rechtsunsicherheiten lassen sich mangels entsprechender Verlautbarungen der Finanzverwaltung nur durch Einholung einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO beseitigen.

AUSGABE: GStB 11/2024, S. 403 · ID: 50190943

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