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EinbenennungAdditive Einbenennung vorrangig vor ersetzender
| Die Ersetzung einer Einwilligung hängt nicht davon ab, ob ohne Einbenennung das Kindeswohl gefährdet wird. Ist die Einbenennung erforderlich, muss das Familiengericht als mildere Maßnahme stets eine additive Einbenennung prüfen. Genügt diese den Belangen des Kindes, wird aber ein darauf gerichteter (Hilfs-)Antrag nicht gestellt, ist die Ersetzung der Einwilligung abzulehnen. Das hat der BGH entschieden und damit teilweise seine Rechtsprechung geändert. |
Sachverhalt
Abruf-Nr. 233891
Der aus der Ehe der Eltern (M und V) hervorgegangene Sohn S trägt den Nachnamen des V. Die Ehe wurde geschieden. Die M ist wieder verheiratet und hat den Namen ihres Ehemanns E angenommen. Der M ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden. Wegen weiterer sorgerechtlicher Befugnisse hat der V ihr Vollmacht erteilt. Die M hat die Ersetzung der Einwilligung des V in die Einbenennung des S beantragt. Der S hat dem zugestimmt. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die M war beim OLG erfolgreich. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des V führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG (BGH 25.1.23, XII ZB 29/20, Abruf-Nr. 233891).
Entscheidungsgründe
Nach § 1618 S. 1 BGB kann der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil ist, dem Kind, das sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Ehenamen erteilen. Dies bedarf nach § 1618 S. 3 BGB der Einwilligung des anderen Elternteils, wenn ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit dem den Namen erteilenden Elternteil zusteht oder das Kind seinen Namen führt und wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Nach § 1618 S. 4 BGB kann das Familiengericht die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Gem. § 1618 S. 2 Hs. 1 BGB kann der Elternteil und sein Ehegatte den Ehenamen unter den gleichen Voraussetzungen auch dem vom Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen voranstellen oder anfügen.
Die Erforderlichkeit der Einbenennung setzt eine außerordentliche, durch die Namensdifferenz ausgelöste Belastung des Kindes voraus. Als für das Kindeswohl erforderlich ist eine Einbenennung nur anzusehen, wenn sonst schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil darstellen würde, dass ein verständiger Elternteil nicht darauf bestehen würde, das Namensband zu erhalten (BGH 24.10.01, XII ZB 88/99, FamRZ 02, 94, 95). Es reicht nicht, dass das Kind denselben Namen wie seine (Halb-)Geschwister tragen möchte.
Soweit es der Senat als erforderlich angesehen hat, die Einwilligung des anderen Elternteils über diese Grundsätze hinausgehend erst zu ersetzen, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden und wenn die Einbenennung daher unerlässlich ist, um Schaden vom Kind abzuwenden (BGH 10.3.05, XII ZB 153/03, FamRZ 05, 889, 890), ist daran nicht festzuhalten.
Ist nach umfassender Abwägung der Kindeswohlbelange und des Kontinuitätsinteresses des namensgebenden Elternteils die Einbenennung erforderlich, muss das Familiengericht stets prüfen, ob eine additive Einbenennung als mildere Maßnahme ausreicht, um im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die berechtigten Interessen des Kindes zu wahren (BGH 24.10.01, XII ZB 88/99, FamRZ 02, 94, 95). Genügt die additive Einbenennung den Belangen des Kindes, darf die Einwilligung auch nur insoweit ersetzt werden.
Hier ist die Sachaufklärung unzureichend. Zwar besteht zwischen V und S kein Kontakt. Es darf aber keine schematische Anknüpfung an die bloße Dauer des Kontaktabbruchs im Rahmen der Interessenabwägung erfolgen. Vielmehr sind die Gründe des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Hier kommt es darauf an, warum S den Kontakt mit dem psychisch kranken V ablehnt.
Verfahrensfehlerhaft ist, dass das Beschwerdegericht den S nicht persönlich angehört, sondern auf die erstinstanzliche Kindesanhörung abgestellt hat, diese aber im Ergebnis abweichend würdigt. Das AG hatte keinen hinreichenden Grund für die Erforderlichkeit der Einbenennung gesehen. Wegen dieser geänderten Beweiswürdigung hätte das Beschwerdegericht die Anhörung aber wiederholen müssen, um nicht zuletzt einen persönlichen Eindruck von S zu erlangen (BGH 12.7.17, XII ZB 350/16, FamRZ 17, 1668).
Ferner hätte das Beschwerdegericht die additive Einbenennung als milderes Mittel erwägen müssen.
Relevanz für die Praxis
Bei einer additiven Einbenennung wird der neue Ehename an den vom Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen angefügt oder vorangestellt. Das Gericht muss die additive Einbenennung auch prüfen, wenn kein entsprechender (Hilfs-)Antrag gestellt wird. Denn sie kann den berechtigten Interessen des Kindes genügen und diese mit denen des namensgebenden Elternteils in einen angemessenen Ausgleich bringen. Wird der Antrag ohne Einschränkung gestellt, muss das Gericht auf die Sachgerechtigkeit eines auf die additive Einbenennung gerichteten Hilfsantrags hinweisen, da dieser im Verhältnis zur ersetzenden Einwilligung einen Aliud-Charakter hat (Fahrenbach/Liceni-Kierstein, NZFam 20, 201, 204). Stellt dieser einen solchen Antrag nicht, obwohl die additive Einbenennung den berechtigten Interessen des Kindes entspricht, ist der Antrag mangels Erforderlichkeit der beantragten Einwilligungsersetzung zurückzuweisen.
Musterformulierung / Hilfsantrag additive Einbenennung |
Hilfsweise wird beantragt, dem Familiennamen ... des Kindes ..., geboren am ..., den Namen ... voranzustellen/nachzustellen. |
AUSGABE: FK 10/2023, S. 168 · ID: 49212206