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CBChefärzteBrief

HaftungsrechtHaftungsrisiko bei der Einstellung eines falschen Arztes: Auch Chefärzte können betroffen sein!

Abo-Inhalt26.06.2024714 Min. LesedauerVon RA Dr. Matthias Losert, LL.M., Berlin

| Wenn es um die Einstellung neuer Krankenhausärzte geht, zieht die Geschäftsführung gern den Chefarzt hinzu. Dieser kann als fachlicher Leiter seiner Abteilung die medizinische Fachkompetenz des Bewerbers am besten beurteilen. Manche Chefärzte handeln auch selbst als Geschäftsführer oder Vorstand eines Krankenhauses. In jedem Fall geht der Chefarzt stets ein Risiko ein. Denn: Entpuppen sich die Qualifikationen eines eingestellten Bewerbers als falsch, kann der Chefarzt haften, wenn er die Qualifikation des Bewerbers nicht sorgfältig genug geprüft hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) ordnete im folgenden Fall zwar die Einziehung der erlangten Honorare des falschen Arztes an (Urteil vom 01.06.2023, Az. 4 StR 225/22). Aber bei dessen Vermögenslosigkeit in vergleichbaren Fällen kann auch der Chefarzt haften, der an der Personalauswahl beteiligt war. |

Ehrenamtlicher DRK-Rettungshelfer gibt sich als Arzt aus

Ein beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) tätiger ehrenamtlicher Rettungshelfer bewarb sich im Jahr 2019 erfolgreich auf die Stelle eines Arztes bei einem Kreisverband des DRK. Der Rettungshelfer hatte jedoch nie Medizin studiert und war wegen Betrug und Urkundenfälschung mehrfach vorbestraft. Bei seiner Bewerbung legte er eine gefälschte Studienbescheinigung einer niederländischen Universität vor, die ihm das erfolgreiche Absolvieren eines Medizinstudiums und die Approbation als Arzt bescheinigte. Später legte er noch eine gefälschte Weiterbildungsbescheinigung und eine gefälschte Urkunde über das Bestehen der Facharztprüfung vor. Ferner führte er im Rahmen seiner Tätigkeit zu Unrecht einen Doktortitel.

Diese ärztlichen Tätigkeiten übte der eingestellte „Arzt“ rechtswidrig aus

  • Der falsche Arzt fuhr u. a. Einsätze im Rettungswagen des DRK und wurde dort als Notarzt eingesetzt. Im späteren Verlauf schloss das DRK einen Vertrag mit der Stadt, wonach sich das DRK verpflichtete, für die Stadt Corona-Tests durchzuführen. Im Rahmen dieses Vertrages wurde der „Arzt“ mit der Durchführung und Organisation dieser Testungen betraut. Er erbrachte dabei im Wesentlichen nur organisatorische Tätigkeiten. Seine Leistungen rechnete er gegenüber dem DRK als Arztleistungen ab und erhielt dafür 500.000 Euro Honorar.
  • Im September 2020 schloss die Stadt einen weiteren Vertrag mit dem DRK-Kreisverband ab. Darin verpflichtete sich das DRK, der Stadt einen Arzt für den Dienst in ihrem Gesundheitsamt zu stellen. Der Betreffende erhielt aufgrund dieses Vertrages eine weitere Vergütung von 6.000 Euro im Monat. Er führte dort hauptsächlich organisatorische Leistungen im Zuge der Corona-Bekämpfung bis zu seiner Festnahme am 18.01.2021 durch. Ferner erstellte er eine Stellungnahme zur gesundheitlichen Eignung einer Lehramtsanwärterin und prüfte Todesbescheinigungen auf ihre Plausibilität.

Im August/September 2020 kamen Zweifel an der Fachkompetenz des „Arztes“ auf, was schlussendlich zur Strafanzeige führte.

Falscher Arzt wird verurteilt, aber nicht wegen Betrug!

Das Landgericht (LG) Hagen verurteilte den „Arzt“ wegen Urkundenfälschung, Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Da das Strafmaß über zwei Jahren lag, konnte die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Das LG war der Ansicht, dass hier kein Betrug vorlag. Denn es sei hier kein für eine Betrugsstrafbarkeit erforderlicher Vermögensschaden entstanden. Der Angeklagte habe Leistungen erbracht, die nicht wirtschaftlich wertlos gewesen wären. Für die von ihm erbrachten Dienstleistungen wäre nicht die Ausbildung als Arzt erforderlich gewesen. Daher sah das LG für die Einziehung der von dem „Arzt“ erlangten ärztlichen Honorare keinen Raum. Da das LG den Angeklagten nicht wegen Betrug verurteilte, legte die Staatsanwaltschaft insoweit gegen das Urteil Revision zum BGH ein.

Im Revisionsverfahren ordnet der BGH die Einziehung der gezahlten „ärztlichen Honorare“ zugunsten des DRK an

Der BGH gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des LG. Nach Ansicht des BGH waren die Feststellungen des LG zum Vermögensschaden nicht zutreffend. Denn das DRK verpflichtete sich gegenüber der Stadt, einen Arzt für Dienstleistungen zu stellen. Diese Verpflichtung hat das DRK tatsächlich nicht erfüllt, da es der Stadt eine Person ohne diese vertraglich vereinbarte Qualifikation zur Verfügung stellte. Vertraglich war vereinbart, dass der Betreffende auch ärztliche Leistungen erbrachte. Die vereinbarte Vergütung bezog sich auch auf die Dienstleistungen eines approbierten Arztes. Daher erlitten sowohl das DRK als auch die Stadt einen Vermögensschaden. Denn die Stadt hat für eine Leistung bezahlt, die sie aufgrund der Täuschung des Angeklagten nicht erhalten hat. Daher stehen der Stadt Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber dem DRK zu. Dem DRK stehen wiederum Schadenersatzansprüche gegenüber dem falschen Arzt zu. Zur Absicherung dieser Ansprüche hat der BGH die Einziehung der gezahlten „ärztlichen Honorare“ angeordnet.

So vermeiden Sie als Chefarzt vergleichbare Haftungsrisiken

Ob vorliegend eine Betrugsstrafbarkeit in Betracht kommt, ist für die Frage der Einziehung der erlangten Honorare von Bedeutung. Nach Ansicht des BGH ist es zulässig, die erlangten Honorare vom Angeklagten zur Herausgabe an die Geschädigten einzuziehen. Das Urteil zeigt aber auch, dass es für Chefärzte hohe Haftungsrisiken gibt, wenn sie an der Einstellung eines nicht approbierten Arztes oder anderen medizinischen Personals beteiligt sind. Denn im vom BGH entschiedenen Fall stehen der Stadt als Vertragspartnerin Schadenersatzansprüche zu. Vergleichbare Haftungsrisiken können Chefärzte vermeiden, wenn sie im Bewerbungsverfahren die Prüfungszeugnisse mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen, z. B. durch einen Abgleich der Daten der Prüfungszeugnisse mit dem vorgelegten Lebenslauf oder den Angaben auf öffentlichen Internetprofilen des Bewerbers. Erteilt der Bewerber eine Einwilligungserklärung, kann auch eine Abfrage bei der Approbationsbehörde oder den Landesprüfungsämtern für Medizin erfolgen.

AUSGABE: CB 8/2024, S. 18 · ID: 50052252

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