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BetriebsprüfungPrüfungsanordnung: Nichtigkeitsfeststellung erfordert besonderes Feststellungsinteresse

Abo-Inhalt04.07.20254 Min. LesedauerVon Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

| Wenn der Steuerpflichtige die Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung gerichtlich feststellen lassen will, erfordert dies ein besonderes Feststellungsinteresse nach § 41 Abs. 1 FGO. Der BFH hat nun entschieden, dass dieses fehlt, wenn die Prüfungsergebnisse bereits bescheidmäßig umgesetzt wurden, sodass im gerichtlichen Verfahren gegen diese Bescheide die Nichtigkeit zu klären ist. Dies gilt auch dann, wenn unterschiedliche Finanzbehörden die Bescheide erlassen haben (BFH 11.3.25, IX R 30/22, Abruf-Nr. 247759). |

1. Sachverhalt

Der Kläger veranstaltete in den Streitjahren 2012 bis 2015 Musik-Festivals. Die von ihm engagierten Künstler und Produktionsgesellschaften unterlagen mit ihrer Gage dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 1 EStG, sodass er in diesem Zusammenhang einbehaltungs-, anmeldungs- und abführungspflichtig war. Das für den ihn zuständige Wohnsitzfinanzamt ordnete am 15.9.15 für die Jahre 2012 bis 2014 bei ihm eine Lohnsteuer-Außenprüfung an, die sich auch auf den Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG erstreckte. Durch eine weitere Prüfungsanordnung vom 30.5.16 wurde die Prüfung vom FA, die ebenfalls den Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG erfasste, auf das Jahr 2015 ausgedehnt. Beide Prüfungsanordnungen griff der Kläger nicht mit dem Einspruch an. Mit einem Haftungsbescheid wurde der Kläger sodann vom FA für nicht ordnungsgemäß einbehaltene und abgeführte Steuern nach § 50a Abs. 1 EStG betreffend die Jahre 2012 bis 2013 in Anspruch genommen. Das BZSt forderte von ihm mit Nacherhebungsbescheid Steuern gemäß § 50a Abs. 1 EStG für die Jahre 2014 bis 2015 nach.

Beachten Sie | Durch das Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform (10.8.09, BGBl I 09, 2702) wurde mit § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 FVG bzw. durch die Verordnung vom 24.6.13 (BGBl I 13, 1679) die Zuständigkeit des BZSt im Hinblick auf § 50a Abs. 1 EStG für nach dem 31.12.13 zufließende Vergütungen geschaffen (Faltings in Schwarz/Pahlke/Keß, § 5 FVG, Rn. 25; BFH 20.12.23, I R 21/21, Abruf-Nr. 240821). Die heutige Fassung erfuhr § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 FVG durch das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidungen und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (25.6.21, BGBl I 21, 2056).

Im Zuge von anhängigen Klageverfahren wendet sich der Kläger gegen den Haftungs- und den Nacherhebungsbescheid. Er trägt vor, die Prüfungsanordnungen seien von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden und daher nichtig. Dies ziehe ein Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen nach sich. Zudem erhob er Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen die Prüfungsanordnungen, wobei die Vorinstanz (Niedersächsisches FG 19.11.21, 7 K 169/21, EFG 22, 1004) für die Jahre 2014 und 2015 die Zuständigkeit auch für die Außenprüfung beim BZSt sah, sodass beide Prüfungsanordnungen nichtig seien.

Das FA macht mit seiner Revision geltend, dass für die Nichtigkeitsfeststellungsklage das besondere Feststellungsinteresse fehlt. Der Kläger ist der Meinung, dass auch für die Jahre 2012 und 2013 die Nichtigkeit auszusprechen wäre, da die Prüfungsanordnung von einem unzuständigen FA erlassen wurde.

2. Entscheidungsgründe

Der BFH sieht kein besonderes Feststellungsinteresse nach § 41 Abs. 1 FGO für die Nichtigkeitsfeststellung gegeben, sodass die Klage insgesamt unzulässig war. Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein, wobei die Feststellung für eine Besserstellung der Rechtsposition des Klägers geeignet sein muss (BFH 28.9.22, X R 7/21, BStBl II 23, 178). Dieses Feststellungsinteresse besteht aber nicht, wenn der Kläger sein Prozessziel auf einem anderen Weg schneller, einfacher und billiger erreichen kann (BFH 20.2.90, IX R 83/88, BStBl II 90, 789).

Das Ziel des Klägers in diesem Fall ist es, ein Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen aufgrund der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen zu erreichen. Dieses Ziel kann er aber durch die Anfechtung des Haftungs- und Nacherhebungsbescheids erreichen. Wäre die Prüfungsanordnung hingegen nur rechtswidrig, verhielte es sich anders. Dann setzt das Verwertungsverbot voraus, dass der Steuerpflichtige gegen die Prüfungsanordnung vorgegangen ist, sodass folglich auch ein Interesse auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung gegeben ist (BFH 9.11.94, XI R 33/93, BFH/NV 95, 621). Allein die Befürchtung des Klägers, dass es aufgrund unterschiedlicher Behörden, die den Haftungs- und Nacherhebungsbescheid erlassen haben, zu divergierenden Entscheidungen in den gerichtlichen Verfahren gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid kommen könnte, begründet kein Feststellungsinteresse nach § 41 Abs. 1 FGO. Eine Zwischenfeststellungsklage, wie sie im Zivilprozess gemäß § 256 Abs. 2 ZPO möglich ist, kennt die FGO nicht. Wegen der spezielleren Regelung des § 41 FGO findet die ZPO insoweit auch nicht über § 155 S. 1 FGO Anwendung.

3. Relevanz für die Praxis

Da die Nichtigkeitsfeststellungsklagen mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig waren, musste der BFH nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob die Prüfungsanordnungen tatsächlich nichtig waren. Auch wenn nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 FVG das BZSt die Zuständigkeit für das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 1 EStG inklusive des Erlasses von diesbezüglichen Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung hat, bleibt die Zuständigkeit für die Außenprüfung beim FA (BFH 20.12.23, I R 21/21). Die Prüfungsanordnungen waren daher nicht allein deshalb nichtig, weil das BZSt für deren Erlass zuständig gewesen wäre.

Beachten Sie | Grundsätzlich sind Prüfungsanordnungen bei Rechtsfehlern rechtzeitig anzufechten. Denn wenn diese nur rechtswidrig, aber nicht nichtig sind, hat der Steuerpflichtige das Nachsehen, weil er sich im Fall der Nichtanfechtung nicht auf Verwertungsverbote der auf den Prüfungsfeststellungen beruhenden Bescheide berufen kann (Nr. 2 AEAO zu § 196 m. w. N.).

AUSGABE: BBP 7/2025, S. 178 · ID: 50404334

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