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GesellschaftsrechtRechtfertigt der Datenschutz die Löschung persönlicher Daten in öffentlichen Registern?

Abo-Inhalt04.04.20259 Min. LesedauerVon RA StB Fachanwalt f. Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Steuerrecht Axel Scholz, Delmenhorst

| Der BGH hat mit drei Entscheidungen vom 23.1.24 (II ZB 7/23, II ZB 8/23) und 4.6.24 (II ZB 10/23) seine Grundsätze zum Anspruch auf Löschung persönlicher Daten von (ehemaligen) Organen und Gesellschaftern von Handelsgesellschaften bzw. Vereinen in öffentlichen Registern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Datenschutzrecht (u. a. DSGVO), konkretisiert. Ansprüche auf Löschung ihrer persönlicher Daten, die im Handels- bzw. Vereinsregister eingetragen und öffentlich einsehbar sind, hatten zum einen der Geschäftsführer einer GmbH und der Kommanditist einer GmbH & KG und zum anderen ein ehemaliges Vorstandsmitglied eines eingetragenen Vereins geltend gemacht. |

1. Besprechungsfälle II ZB 7/23 und II ZB 8/23

S war als Geschäftsführer der GmbH u. a. mit seinem Geburtsdatum und dem Wohnort im Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig war S Kommanditist einer GmbH & Co. KG, an der die GmbH die Komplementärin war. Aus Sicherheitsgründen wollte er eine Löschung dieser persönlichen Daten erreichen. Er stützte seinen Antrag darauf, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit Sprengstoff umgehe, sodass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um an diese Stoffe zu gelangen. Deswegen seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort u. a. auch im Melderegister gesperrt. Hilfsweise hat er beantragt, Geburtsdatum und Wohnort erst nach einer Interessenabwägung an Dritte zu übermitteln. Die Anträge wurden in allen drei Instanzen abgewiesen.

2. Besprechungsfall II ZB 10/23

V war Vorstandsvorsitzender des D. e. V. (D.) und als solcher im Vereinsregister unter Angabe persönlicher Daten eingetragen. Sein Ausscheiden aus dem Vorstand wurde im Vereinsregister eingetragen, seine frühere Funktion als Mitglied des Vorstands und seine eingetragenen Daten blieben weiterhin einsehbar. Rund 20 Jahre nach seinem Ausscheiden verlangte V, die Daten nicht mehr voraussetzungslos über das Internet verfügbar zu machen, weil er befürchte, dass sie für unzulässige Zwecke (z. B. Identitätsdiebstahl) genutzt werden könnten. Angesichts seines lange zurückliegenden Ausscheidens aus dem Vorstand seien die Angaben zu seiner Person aus Publizitätsgründen nicht mehr erforderlich. Zudem sei das nach der Datenschutz-Grundverordnung gebotene angemessene Schutzniveau bei ihrer Veröffentlichung angesichts sogenannter Massenabrufe von eingetragenen Daten nicht gewährleistet, sodass seine Daten in den öffentlich zugänglichen Medien gelöscht werden sollten. Das Registergericht und das Landgericht haben den Antrag des V abgewiesen, der BGH gab ihm teilweise statt.

3. Entscheidungsgründe

Der BGH stellt zunächst klar, dass die fraglichen Daten in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen. Denn die Eintragung und Speicherung im elektronisch geführten Handelsregister sind ebenso wie ihre Offenlegung durch die Möglichkeit der unbeschränkten Einsichtnahme in das Handelsregister eine Verarbeitung i. S. d. DSGVO. Das Registergericht, das das elektronische Handelsregister führt, ist verantwortlich für diese Datenverarbeitung i. S. d. DSGVO.

Auch wenn der Antrag des S, die Daten vollständig aus dem Handelsregister zu entfernen, grundsätzlich von der DSGVO umfasst ist, scheidet ein Anspruch auf Löschung aus. Der BGH stuft die Eintragung der Daten als erforderlich ein und leitet dies daraus ab, dass das Handelsregistergericht zu der angegriffenen Verarbeitung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers aufgrund der Regelungen im GmbHG, HGB, FamFG und in der HRV sowie ständiger Übung verpflichtet ist. Da diese Regelungen weder Ausnahmen für bestimmte Fallgruppen oder bei besonderen Umständen im Einzelfall vorsehen, noch dem Registergericht bei der Anwendung einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen einräumen, ist diese Datenverarbeitung auch im Fall des S zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts tatsächlich erforderlich.

Diese rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts verfolgen ein Ziel, das im öffentlichen Interesse i. S. d. DSGVO liegt. Sie sollen den Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und handelsgesellschaftlichen Bereich gewährleisten. Diese Regelungen genügen nach Ansicht des BGH auch dem einzuhaltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und zwar hinsichtlich der Grundrechte i. S. d. GG als auch der europäischen Grundfreiheiten.

Für den BGH ist dabei zudem zu berücksichtigen, dass sich bei der gebotenen Gewichtung des Eingriffs in die Rechte des betroffenen Geschäftsführers bzw. Gesellschafters die streitige Verarbeitung auf wenige personenbezogene Daten beschränkt, die weder zu den besonders sensiblen Daten zählen noch besonders tief in den Persönlichkeitsbereich eingreifen. Das gilt auch für die Angabe des Wohnorts, da damit noch nicht die vollständige Privatanschrift preisgegeben, sondern lediglich eine örtliche Eingrenzung vorgenommen wird. Die von S gewollte Löschung der Daten würde zudem das Ziel der Eintragung, die Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zu gewährleisten, übermäßig behindern.

Zudem wird das Gewicht des Eingriffs, der in der Offenlegung der Daten über das Internet liegt, dadurch relativiert, dass technisch sicherzustellen ist, dass keine gezielte Suche nach natürlichen Personen möglich ist. Weiterhin ist die Einsicht von Daten aus dem Handelsregister über das Registerportal auf einzelne Abrufe zu begrenzen, wodurch ein Massenabruf von Registerdaten und deren zweckwidrige Weiterverarbeitung verhindert werden sollen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn – wie von S geltend gemacht – aufgrund des Gegenstands der Gesellschaft tätigkeitsbedingt eine allgemein erhöhte Gefährdungslage für den Geschäftsführer und/oder Kommanditisten bestehen sollte.

Weiterhin verneint der BGH den Anspruch des S auf Beschränkung der Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts dahin gehend, dass eine Übermittlung an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolgt. Die eingetragenen Daten sind zutreffend, deren Verarbeitung ist rechtmäßig und die Daten werden für die Zwecke ihrer Verarbeitung durch das Registergericht weiter benötigt. Auch ein Widerspruchsrecht des S besteht nicht, weil die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erfolgt.

Diese Erwägungen gelten auch für den Kommanditisten, der lediglich beschränkt haftet und nicht zur Geschäftsführung berechtigt ist. Denn die streitigen Angaben zur Person eines Kommanditisten dienen vor allem der Erleichterung einer Forderungsdurchsetzung von Gesellschaftsgläubigern in Fällen, in denen der Kommanditist – wenn auch beschränkt auf seine Haftsumme – einer unmittelbaren persönlichen Haftung unterliegt, mithin auch der Absicherung der Bonitätseinschätzung der Gesellschaft. Dies entspricht einem der Zwecke der Registerpublizität.

Im Ergebnis überwiegt nach Ansicht des BGH das Interesse des Registers an der Eintragung. Nach Ansicht des BGH steht dieses Ergebnis auch im Einklang mit dem Datenschutzrecht, dem GG und dem europäischen Recht. Daher wies der BGH die Beschwerde des aktiven Geschäftsführers und des aktuellen Kommanditisten ab.

4. Anspruch auf Löschung ausgeschiedener Organe

Nach Ansicht des BGH hat auch V keinen Anspruch auf Löschung seiner im Vereinsregister eingetragenen Daten, aber auf Beschränkung der Abrufmöglichkeit auf Fälle eines dargelegten berechtigten Interesses im Einzelfall. Denn im Grundsatz gelten für ausgeschiedene Organe einer Körperschaft die identischen Erwägungen wie für aktive Organe oder Gesellschafter. Allerdings erfüllt die Bereitstellung der Daten des ausgeschiedenen Organs zum Abruf im Internet insoweit einen Löschungsgrund nach der DSGVO, als dieser Abruf unbeschränkt ermöglicht wird. Dies ist aber anders, wenn diese Bereitstellung in Fällen eines dargelegten berechtigten Interesses im Einzelfall erfolgt.

Zunächst stellt der BGH fest, dass Änderungen des Inhalts einer Eintragung sowie Löschungen unter einer neuen laufenden Nummer im Vereinsregister einzutragen sind. Die frühere Eintragung, die durch die spätere Eintragung ihre Bedeutung verloren hat, darf nicht entfernt werden, sondern ist auch bei maschineller Führung des Registers als gegenstandslos kenntlich zu machen. Jedoch stehen bei V, der im Jahr 2004 aus dem Vorstand ausgeschieden ist, die rechtlichen Verpflichtungen zwar nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu dem von der Eintragung verfolgten legitimen Zweck, soweit sie eine unbeschränkte Abrufbarkeit der Daten im Internet über das Registerportal vorsehen. Eine vollständige Ausnahme seiner im Vereinsregister gespeicherten Daten von der Abrufbarkeit im Internet kann V hingegen nicht verlangen. Nach Auffassung des BGH rechtfertigen sich die Offenlegung der personenbezogenen Daten der Vorstandsmitglieder eines Vereins durch das besonders schützenswerte Interesse des Rechtsverkehrs, sich über die Vertretungsverhältnisse der Vereine zuverlässig informieren und vergewissern zu können. Dieses schützenswerte Informationsinteresse der Öffentlichkeit entfällt nicht ohne Weiteres mit dem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds aus dem Amt. Wie lange und in welchem Maße das Informationsinteresse nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds noch besteht, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Als solche Umstände nennt der BGH etwa den Gegenstand der Vereinstätigkeit, deren Gewichtung maßgeblich von dem seit dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds vergangenen Zeitraum bestimmt wird. Dabei kann wegen des in der Regel im Verlauf der Zeit abnehmenden Interesses des Rechtsverkehrs zwar nicht davon ausgegangen werden, dass bis zum Ablauf nationaler Verjährungshöchst- oder ausschlussfristen, die nach deutschem Recht bis zu 30 Jahre betragen können, stets noch ein allgemeines Informationsinteresse besteht. Die Bereitstellung der im Vereinsregister gespeicherten Daten des Antragstellers zum Abruf im Internet steht danach (nur) noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten legitimen Zweck, soweit sie nicht unbeschränkt, sondern nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses im Einzelfall erfolgt.

Um dem nach rund 20 Jahren nach dem Ausscheiden des V verminderten Informationsinteresse hinreichend Rechnung zu tragen, ist lediglich noch eine Überlassung bei dargelegtem Informationsinteresse im Einzelfall erforderlich. Daher gab der BGH dem Antrag des V teilweise statt.

5. Relevanz für die Praxis

Der BGH hat seine Grundsätze zum Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus öffentlichen Registern (Handels- und Vereinsregister) wie folgt konkretisiert: Der aktive Geschäftsführer einer GmbH hat ebenso wie der aktuelle Kommanditist einer KG keinen Anspruch auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister. Dabei hat der BGH zudem klargestellt, dass, was bisher noch nicht gesetzlich geregelt war, der Wohnort des Geschäftsführers einer GmbH auch zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Ein Widerspruchsrecht oder ein Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung besteht in diesem Fall nicht.

Ein früheres Vereinsvorstandsmitglied kann nach seinem Ausscheiden aus dem Amt hingegen gegen das Registergericht einen Anspruch auf eingeschränkte Überlassung – und zwar beschränkt auf Fälle eines dargelegten berechtigen Informationsinteresses – oder sogar auf Löschung seiner im Vereinsregister eingetragenen personenbezogenen Daten haben. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, deren Gewichtung maßgeblich von dem seit dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds verstrichenen Zeitraum bestimmt wird.

Fazit | Ausdrücklich entschieden hat der BGH die Rechtslage für einen Geschäftsführer einer GmbH, einen Kommanditisten und ein ehemaliges Vorstandsmitglied eines Vereins. Weil das Erfordernis zur Eintragung aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften insbesondere des HGB, FamFG und der HRV folgt, dürften diese Grundsätze für alle ins Handelsregister einzutragenden Rechtsträger (Einzelkaufleute, offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung einschließlich der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaft auf Aktien, der SE) gelten. Da für Partnerschaftsgesellschaften, die eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Genossenschaften vergleichbare Grundsätze für die Eintragung in ein öffentliches Register gelten, dürften die vom BGH aufgestellten Grundsätze darüber hinaus ebenfalls für diese Gesellschaften und Körperschaften gelten. Insoweit sollte nun Rechtsklarheit bestehen.

AUSGABE: BBP 4/2025, S. 115 · ID: 50359104

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