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UmsatzsteuerKfz-Ankauf von B2B-Lieferant: Sind „Vorabkosten“ sonstige Leistung oder Entgeltminderung?

Top-BeitragAbo-Inhalt31.01.2024839 Min. LesedauerVon Sören Hoss, Steuerberater und Umsatzsteuer-Experte, Ludwigsburg

| Stellen Sie sich folgende Alltagssituation in Ihrem Autohaus vor: Sie kaufen ein Fahrzeug von einem B2B-Lieferanten ein, nehmen ein paar Prüfungen am Fahrzeug vor, bereiten es auf und mindern dann den vereinbarten Fahrzeugpreis um die bei Ihnen entstandenen Kosten. Erbringen Sie dann eine eigenständige Leistung gegenüber dem Lieferanten? Oder liegt eine Entgeltminderung vor? Mit dieser Fallkonstruktion hat sich der BFH in gleich zwei Urteilen befasst. ASR erläutert, worauf Sie achten müssen. |

So erfolgt die Besteuerung beim Kfz-Ankauf

Der Ankauf von Fahrzeugen im Inland unterliegt grundsätzlich der Besteuerung in Höhe von 19 Prozent Umsatzsteuer (einzige Ausnahme: Differenzbesteuerte Käufe und Verkäufe). Als Kfz-Händler steht Ihnen aus dem Ankauf der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu. Die Umsatzsteuer bemisst sich auf Basis des Entgelts, das Sie dem Fahrzeuglieferanten – z. B. dem Hersteller oder einem B2B-Kunden im Rahmen eines Rückkaufs – zahlen.

Beim Fahrzeugankauf kommt es immer wieder vor, dass Sie als Kfz-Händler Prüfungen am Fahrzeug vornehmen oder Kosten rund um die Aufbereitung tragen, die Sie später vom Kaufpreis abziehen. Dann stellt sich die Frage: Handelt es sich um eine eigenständige Leistung Ihrerseits gegenüber dem Fahrzeuglieferanten oder liegt eine Entgeltminderung vor?

Die Frage ist gerade für Kfz-Händler, die Fahrzeuge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ankaufen – also nicht nur als Vermittler auftreten – von Relevanz. Denn für umsatzsteuerliche Zwecke hat es eine wesentliche Bedeutung, ob die erbrachten Kosten als eigenständige, sprich sonstige Leistung zu qualifizieren sind oder eine Entgeltminderung vorliegt:

  • Bei einer sonstigen Leistung schulden Sie als Kfz-Händler die Umsatzsteuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG und müssen eine Rechnung stellen.
  • Bei einer Entgeltminderung sind Sie lediglich als Leistungsempfänger aus dem Fahrzeugkauf anzusehen und müssen nur eine Vorsteuerkürzung durchführen.

BFH bejaht in zwei Fällen Entgeltminderung

Deshalb hat sich zuletzt auch der BFH in zwei Fällen mit der Frage befasst und sie jeweils mit „Entgeltminderung“ beantwortet. Seine Urteile und die entsprechende Umsetzung durch das BMF-Schreiben vom 20.06.2023 (Az. III C 2 – S 7200/19/10006: 001, Abruf-Nr. 237807) sind – obwohl sie nicht in zwei Autohausfällen entschieden wurden – auch für den Kfz-Handel wegweisend und können Ihnen als Entscheidungshilfe dienlich sein:

Die zwei BFH-Fälle

  • BFH-Fall 1 – Marktgebühren einer Erzeugergenossenschaft: Das erste Urteil betrifft eine Erzeugergenossenschaft, die Lebensmittel von Erzeugern einkaufte und diese umgehend im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an Abnehmer verkaufte. Abgerechnet wurde gegenüber den Erzeugern mittels Gutschrift (§14 Abs. 2 S. 2 UStG). Die Erzeugergenossenschaft ermittelte den Einkaufspreis gegenüber den Lieferanten auf Basis der Verkaufspreise abzüglich der Marktgebühren. Die Marktgebühren enthielten u. a. Verpackungskosten, Kühlkosten sowie Werbebeiträge. Das Finanzamt hatte in der Höhe der Marktgebühren eine sonstige Leistung der Erzeugergenossenschaft gegenüber den Erzeugern gesehen, die dem Regelsteuersatz von 19 Prozent zu unterwerfen sei. Der BFH hingegen sah in der Tätigkeit der Erzeugergenossenschaft keine sonstige Leistung, die zu einem verbrauchsfähigen Vorteil bei den Erzeugern führte. Seine Begründung: Die Marktgebühren entstünden vorwiegend im Interesse der Erzeugergenossenschaft und würden ohnehin beim höheren Verkaufspreis gegenüber Abnehmern mitberücksichtigt (BFH, Urteil vom 13.09.2022, Az. XI R 8/20, Abruf-Nr. 232948).
  • BFH-Fall 2 – Vorkosten eines Schlachthofs: Das zweite Urteil hat der BFH im Fall eines Schlachthofs gefällt, der im Rahmen der Wareneinkäufe (Tiere) bei Lieferanten sog. Vorkosten abzog. Dazu zählten Kosten für das Qualitätsmanagement, die Prüfung der Betriebe der Kunden sowie die Sicherstellung von Hygienevorschriften. Darin sah das Finanzamt eine sonstige Leistung des Schlachthofs an den Lieferanten, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Das sah der BFH anders und verneinte eine sonstige Leistung. Er war der Ansicht, dass die Vorkosten im Rahmen betriebsinterner Prozesse durchgeführt wurden. Somit käme es zu keinem verbrauchsfähigen Vorteil für die Lieferanten, der einen Leistungsaustausch begründen könnte. Die Folge: Die Vorkosten seien aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtungen ausschließlich der Sphäre des Schlachthofs zuzurechnen (BFH, Urteil vom 11.10.2022, Az. XI R 12/20, Abruf-Nr. 233310).

Wann sind die BFH-Urteile für die Autohaus-Praxis relevant?

Vergleichbare Fallkonstellationen können im Autohaus auftreten, wenn

Grafik_ASR.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut
  • Neufahrzeuge eingekauft werden, die beim Kfz-Händler noch Kontrollpflichten unterliegen, oder
  • Gebrauchtwagen von B2B-Kunden zurückgekauft werden.

Bei fälschlicher Annahme als sonstige Leistung besteht Risiko

Würde eine sonstige Leistung des Kfz-Händlers an den Lieferanten angenommen werden, müsste der Kfz-Händler bezogen auf den obigen Beispielsfall die Umsatzsteuer in Höhe von 190 Euro aufgrund der sonstigen Leistung im Wert von 1.000 Euro an das Finanzamt abführen. Gleichzeitig wäre beim Händler der Vorsteuerabzug in Höhe von 3.800 Euro aus dem Ankauf des Fahrzeugs möglich. Die Umsatzsteuerzahllast bzw. Vorsteuererstattung aus dem ursprünglichen Kauf beläuft sich auf 3.610 Euro. Das führt rein rechnerisch zunächst zum gleichen Ergebnis wie die Qualifizierung der Kosten des Kfz-Händlers als Entgeltminderung, sofern die jeweiligen Leistungen mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent zu besteuern sind.

Ein Risiko besteht aber, wenn die bisherigen Kosten als sonstige Leistung des Kfz-Händlers (inkl. Rechnungsstellung) behandelt wurden, diese jedoch auf Basis der Rechtsprechung als Entgeltminderung beim Ankauf einzustufen sind (A 10.3 Abs. 1 UStAE). In einem solchem Fall schuldet der Kfz-Händler durch die offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Rechnung die Steuer nach § 14c UStG – zumindest bis die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird. Dem Lieferanten wird der Vorsteuerabzug jedoch insoweit rückwirkend aberkannt (A 14c.2 Abs. 5 UStAE und A 15.2 Abs. 1 S. 2 UStAE).

Wichtig | Die fälschliche Annahme, dass die Qualifizierung als Entgeltminderung oder sonstige Leistung keine umsatzsteuerliche bzw. finanzielle Auswirkung hat, führt demnach zu dem Risiko, dass es zu rückwirkenden Vorsteuerkorrekturen zuzüglich etwaigen Verzinsungen zzgl. Verzinsungen kommen kann.

Wie so oft in der Umsatzsteuerpraxis gibt es eine Ausnahme: Wird der Kfz-Händler vom Lieferanten explizit mit der Durchführung spezifischer Leistungen beauftragt, die im Interesse des Fahrzeugverkäufers liegen, kann sich daraus ein Leistungsaustausch ergeben (A 1.1 Abs. 1 UStAE). Ein entsprechender verbrauchsfähiger Vorteil kann dem Lieferanten z. B. insoweit zuzurechnen sein, als dass er den Kfz-Händler im Rahmen des Kaufgeschäfts gleichzeitig mit der Reparatur eines Schadens am Fahrzeug beauftragt. Gleichzeitig vereinbaren die Parteien, dass die Reparaturkosten vom vereinbarten Kaufpreis abgezogen werden sollen. In einem solchen Fall begründet sich ein gesonderter Leistungsaustausch im Umfang des Reparaturauftrags. Unterlässt der Händler die Abführung der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer auf Basis der Reparaturleistung, kommt es insoweit zu einer Steuerverkürzung.

Praxistipp | Prüfen Sie immer, ob Ihre durchgeführte Leistung in Ihrem Interesse als Händler oder vielmehr im Interesse des Lieferanten liegt. Dafür können Sie die AGB oder Ihr Leistungsportfolio heranziehen.

AUSGABE: ASR 2/2024, S. 8 · ID: 49857045

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