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HaftpflichtversicherungFolgen der BRAO-Reform für den Versicherungsschutz von Berufsausübungsgemeinschaften
| Mit Inkrafttreten der „großen BRAO-Reform“ am 1.8.22 ergeben sich für einige Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich ausüben, auch Auswirkungen auf den Schutz ihrer Berufshaftpflichtversicherung. Für Einzelanwälte ändert sich hinsichtlich des Versicherungsschutzes durch die BRAO-Reform nichts. |
1. Berufsausübungsgesellschaft trägt selbst Berufspflichten
Die Neuregelung der BRAO durch das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ basiert auf dem Gedanken, dass nicht nur der Berufsträger selbst, sondern auch die Berufsausübungsgesellschaft Träger der berufsrechtlichen Pflichten ist. Das erfasst z. B. die anwaltlichen Grundpflichten, Werbeschranken und ggf. Tätigkeitsverbote.
Beachten Sie | Eine Berufsausübungsgesellschaft ist dabei jedoch kein neuer Gesellschaftstyp, sondern lediglich die berufsrechtliche Bezeichnung für die gemeinsame Ausübung des Berufs in einer Gesellschaft (§ 59b Abs. 1 BRAO n. F.).
2. Diese Rechtsformen der Berufsausübung sind nun zulässig
Bei den Berufsausübungsgesellschaften wird zwischen haftungsbeschränkten Rechtsformen (z. B. PartGmbB und GmbH) und nicht-haftungsbeschränkten Rechtsformen (z. B. GbR, PartG) unterschieden. Die Haftungsbeschränkung bezieht sich hierbei auf die Rechtsform, nicht jedoch auf ggf. individualvertragliche oder AGB-mäßige Haftungsbeschränkungen zwischen Anwalt und Mandant.
Haftungsbeschränkte Rechtsformen benötigen die Zulassung der zuständigen Kammer. Sie werden dort Mitglied und unterstehen deren Berufsaufsicht. Nicht-haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften benötigen keine Zulassung der Kammer, können die Zulassung aber freiwillig beantragen (§ 59f Abs. 1 BRAO n. F.).
Neben den bisher bereits zulässigen Rechtsformen, wie GbR, PartG, PartGmbB, GmbH u. a., können jetzt auch alle anderen in Deutschland zugelassenen Rechtsformen (z. B. oHG oder GmbH & Co. KG) gewählt werden. Hinzu kommen alle Rechtsformen, die in der EU selbst, in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR zugelassen sind. Damit stehen für die gemeinsame Berufsausübung ab dem 1.8.22 also die Rechtsformen der Handelsgesellschaften (HG) zur Verfügung, die bislang nicht erlaubt waren.
3. Es sind neue Versicherungsverträge abzuschließen
Jede Berufsausübungsgesellschaft muss zukünftig einen eigenen Berufshaftpflichtversicherungsvertrag (Kanzleivertrag) abschließen und unterhalten. Das galt bisher bereits für die haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften und gilt ab dem 1.8.22 auch für die nicht-haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften. Versicherungsschutz für die Mandate, die über die Berufsausübungsgesellschaft bearbeitet werden, besteht über diesen Kanzleivertrag.
Bei den nicht-haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften war es bislang üblich, dass ihre Anwälte ihren Versicherungsschutz mit in die Sozietät „einbrachten“. Im Rahmen der BRAO-Reform kann der Versicherungsschutz des einzelnen Berufsträgers jetzt auf die Höhe der Mindestversicherungssumme für einen Einzelanwalt (250.000 EUR mit einer vierfachen Jahreshöchstleistung) reduziert werden. Dieser persönliche Versicherungsvertrag dient gegenüber der RAK als Nachweis des vorhandenen Versicherungsschutzes (Zulassungspolice). Die Zulassungspolice bietet Versicherungsschutz für Mandate, die der Anwalt ggf. außerhalb der Berufsausübungsgesellschaft übernimmt.
4. Passen Sie die Pflichtversicherungssummen an
Die von den Berufsausübungsgesellschaften vorzuhaltenden Pflichtversicherungssummen sind abhängig von der Anzahl ihrer Berufsträger sowie von der Rechtsform. Die Anzahl der Maximierungen richtet sich nach der Anzahl der Berufsträger. Neben Partnern, Gesellschaftern und Sozien sind damit auch angestellte Rechtsanwälte und freie anwaltliche Mitarbeiter zu berücksichtigen. Auf den Umfang der Arbeitszeit kommt es dabei nicht an, sodass auch Teilzeitkräfte in voller Höhe mitzählen.
Bei der Rechtsform wird wiederum zwischen nicht-haftungsbeschränkten und haftungsbeschränkten Rechtsformen unterschieden (§ 59o BRAO n. F.):
Berufshaftpflicht: Pflichtversicherungssumme je nach Rechtsform + Anwaltszahl | |||
Rechtsform | Anzahl der Berufsträger | Pflichtversicherungssumme je Schaden | Maximierung/Jahreshöchst- leistung (pro Jahr) |
GbR, PartG, oHG | 500.000 EUR | mindestens vierfach* 2.000.000 EUR | |
PartGmbB, GmbH, UG, AG u. w. | < 10 | 1.000.000 EUR | mindestens vierfach* 4.000.000 EUR |
> 10 | 2.500.000 EUR | mindestens vierfach* 10.000.000 EUR | |
* Die Maximierung muss der Anzahl der Berufsträger entsprechen, darf das Vierfache jedoch nicht unterschreiten. |
Regress durch unzureichenden Versicherungsschutz vermeiden! Praxistipp | Sie sollten die Pflichtversicherungssumme regelmäßig und sorgfältig prüfen und ggf. anpassen. Anderenfalls haften bei fehlendem oder nicht im vorgeschriebenen Umfang vorhandenem Versicherungsschutz Gesellschafter und Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der Berufsausübungsgesellschaft persönlich in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes (§ 59n Abs. 3 BRAO n. F.). |
- Für eine nicht-haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaft ist eine Pflichtversicherungssumme von 500.000 EUR vorgeschrieben, die im Jahr mindestens vierfach (Maximierung) zur Verfügung stehen muss. Damit ergibt sich eine Jahreshöchstleistung von 2.000.000 EUR. Bei mehr als vier Berufsträgern muss deren Anzahl als Maximierung der Pflichtversicherungssumme zur Verfügung stehen. So ergibt sich z. B. bei zwölf Berufsträgern eine Jahreshöchstleistung von 6.000.000 EUR (500.000 EUR x 12).
- Bei haftungsbeschränkten Rechtsformen ist eine Pflichtversicherungssumme von 1.000.000 EUR bei maximal zehn Berufsträgern vorgeschrieben. Sind mehr Berufsträger in der Gesellschaft tätig, erhöht sich die Pflichtversicherungssumme auf 2.500.000 EUR. Diese muss maximiert in Höhe der Anzahl der Berufsträger zur Verfügung stehen. Beispielhaft ergibt sich hier bei zwölf Berufsträgern eine Jahreshöchstleistung von 30.000.000 EUR (2.500.000 EUR x 12).
Der Berufsausübungsgesellschaft steht es frei, nach Bedarf höheren Versicherungsschutz zu vereinbaren. Diese Höhe lässt sich nicht pauschal festlegen, sondern muss individuell anhand des Haftungsrisikos des einzelnen Mandats bzw. aller Mandate eines Jahres ermittelt werden. Dabei sollte die Mandatsstruktur berücksichtigt werden: Eine Kanzlei mit überwiegend privaten Mandaten ist regelmäßig einem niedrigeren Haftungsrisiko ausgesetzt als eine Kanzlei, die sich auf wirtschaftsrechtliche Fragen spezialisiert hat.
Potenzielle Haftungsrisiken eines Jahres ermitteln Praxistipp | Die Höhe des erzielten Honorars entspricht nicht der Höhe des Risikos des Mandats! Das potenzielle Risiko kann die Honorarhöhe deutlich übersteigen. Das sollten Sie bei der Ermittlung der Versicherungssumme beachten. Haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften mit weniger als zehn Berufsträgern sollten prüfen, ob die mögliche Absenkung der Versicherungssumme auf 1.000.000 EUR dem tatsächlichen Risiko der Kanzlei entspricht. |
5. Achtung: Das ist vom Versicherungsschutz ausgenommen
Im Versicherungsschutz der Berufshaftpflichtversicherer sind üblicherweise Fälle wissentlicher Pflichtverletzungen ausgeschlossen: Es besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Berufsträger wissentlich von Gesetzen oder Weisungen seines Mandanten abweicht. Die wissentliche Pflichtverletzung ist schwächer als der (ohnehin vom Versicherungsschutz ausgeschlossene) bedingte Vorsatz, da es nicht auf eine absichtliche oder in Kauf genommene Schädigung ankommt. Nach § 59n Abs. 2 BRAO n. F. darf der Versicherungsschutz für solche Fälle aber nur bei nicht-haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften ausgeschlossen sein.
Beachten Sie | Bei haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften ist dieser Ausschluss bis zur Pflichtversicherungssumme nicht zulässig – bei einer freiwillig höheren Versicherungssumme darf der Versicherer ausschließen. Achten Sie auf Ihr individuelles Risikomanagement!
AUSGABE: AK 6/2022, S. 99 · ID: 48236524