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SteuergestaltungApothekenveräußerung gegen Rente: Steuerwahlrecht kennen und ausüben
| Während viele Apotheker als Gegenleistung für den Verkauf der Apotheke eine einmalige Kaufpreiszahlung verlangen, lassen sich andere vom Käufer bis ins hohe Alter versorgen. Sie vereinbaren mit ihm statt der einmaligen Zahlung eine Rente. Das Besondere: Der Apotheker hat bei dieser Variante ein steuerliches Wahlrecht. Er kann den entstehenden Veräußerungsgewinn sofort versteuern oder die Besteuerung nach dem Zuflussprinzip wählen. |

Apothekenveräußerung im Fokus der Finanzverwaltung
Eine steuerlich privilegierte Apothekenveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn der Apothekeninhaber beschließt,
- die bisher in seiner Apotheke entfaltete Tätigkeit endgültig einzustellen und
- alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (z. B. Kundenstamm, Gebäude)
- in einem einheitlichen Vorgang (d. h. innerhalb eines kurzen Zeitraums),
- insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar (objektiv)
- an einen bzw. verschiedene Erwerber
- zu veräußern oder teilweise zu veräußern und teilweise in das Privatvermögen zu überführen und
- dadurch der Betrieb als wirtschaftlicher Organismus (in seiner bisherigen Form) aufhört zu bestehen.
Dieser Vorgang steht in ganz besonderem Maße im Fokus der Aufmerksamkeit der Finanzverwaltung. Denn bei einer solchen Apothekenveräußerung im Ganzen stehen dem Apotheker steuerliche Privilegien zu:
Ermittlung des Veräußerungsgewinns |
Bei einer Apothekenveräußerung im Ganzen ist der Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Dieser berechnet sich wie folgt:
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- Ggf. Freibetrag i. H. v. 45.000 Euro auf Antrag (§ 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz [EStG])Freibetrag und Tarifbegünstigungen als steuerliche Privilegien
- Tarifbegünstigungen wie die Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG) oder auf Antrag ein ermäßigter Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG)
Dieser Gewinn wird im Zeitpunkt der Realisierung der stillen Reserven verwirklicht. Bei einer Apothekenveräußerung hat die Versteuerung deshalb mit dem Erfüllungsgeschäft, also dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber, zu erfolgen (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 17.10.1991, Az. IV R 97/89).
Problem bei Veräußerung gegen Rentenzahlung
Diese sofortige Besteuerung trifft bei einer Veräußerung gegen Rentenzahlung oder andere wiederkehrende Bezüge auf Probleme. Während das Finanzamt spätestens im Rahmen der Steuerfestsetzung die insgesamt auf den Gewinn entfallende Steuer fordert, verfügt der Verkäufer allein aus der Veräußerung meistens nicht über die zur Begleichung erforderlichen finanziellen Mittel. Denn die einzelnen Rentenzahlungen fließen ja erst nach und nach im Laufe vieler Jahre bis zum Versterben zu. Aus Billigkeitsgründen gestattet die Finanzverwaltung dem Veräußerer deshalb ein Wahlrecht (R 16 Abs. 11 Einkommensteuerrichtlinien [EStR]):
- Entweder ermittelt der Apotheker den Veräußerungsgewinn auf Basis des § 16 Abs. 2 EStG, versteuert diesen sofort und kann im Gegenzug dafür die tarifbegünstigte Besteuerung in Anspruch nehmen oder
- der Apotheker nimmt lediglich eine Besteuerung der tatsächlich zufließenden Rentenzahlungen als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor und verzichtet auf die tarifbegünstigte Besteuerung.
Beachten Sie | Die Besteuerung nach dem Zuflussprinzip muss aktiv gewählt werden (BFH, Urteil vom 17.07.2013, Az. X R 40/10). Das Wahlrecht selbst kann bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden.
Fallbeispiel zur Auswirkung des Wahlrechts
Ausgangssituation: Apotheker A ist alleinstehend und 67 Jahre alt. Er übergibt seine komplette Apotheke zum 02.01.2024 an seinen Nachfolger N. Für die erfolgreiche Apothekenvermittlung hat A eine Provision von 2.500 Euro zu entrichten. N zahlt für die Apotheke keinen festen Kaufpreis, sondern eine lebenslange Rente von monatlich 3.000 Euro an A. Der sich zum 02.01.2024 ergebende Buchwert der Apotheke beträgt 130.000 Euro.
Wahl der Sofortversteuerung nach § 16 Abs. 2 EStG
Übt A sein aus R 16 Abs. 11 EStR resultierendes Wahlrecht nicht zugunsten der Besteuerung nach dem Zuflussprinzip aus, ist der Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Als Veräußerungserlös ist der Barwert der Rentenzahlungen anzusetzen. Dieser ermittelt sich gemäß R 16 Abs. 11 S. 4 EStR nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG). Da es sich um eine lebenslange Rente handelt, richtet sich die Ermittlung des Barwerts konkret nach § 14 Abs. 1 BewG. Danach ist ein Vielfaches des Jahreswerts der Leistungen anzusetzen, wobei der Jahreswert den Jahresbetrag der voraussichtlich erfolgenden Rentenleistungen umfasst.
Der anzusetzende Vervielfältiger ist aus den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts zu ermitteln. Maßgebend ist die zum 01.01. des Übertragungsjahrs veröffentlichte Sterbetafel. Der sich danach ergebende Kapitalwert muss unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vor- und nachschüssige Zahlungsweise berechnet werden.
Beachten Sie | Klingt kompliziert – ist aber einfach. Denn das Bundesfinanzministerium (BMF) stellt die Vervielfältiger für den Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen im Jahresbetrag von einem Euro nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammen und veröffentlicht diese im Bundessteuerblatt. Die für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2024 anzuwendenden Vervielfältiger wurden in diesem Schreiben des BMF vom 01.12.2023 (Az. IV D 4 – S 3104/19/10001 :009) veröffentlicht.
Sofortversteuerung: Auswirkung für A | |
A ist zum Zeitpunkt der Veräußerung 67 Jahre alt. Der maßgebende Vervielfältiger beträgt deshalb 10,834 und der Jahreswert der Rente 36.000 Euro (12 × 3.000 Euro). Es ergibt sich ein Rentenbarwert von 390.024 Euro. Dieser ist als Veräußerungserlös anzusetzen. Abzugsfähig sind die Veräußerungskosten von 2.500 Euro sowie der Buchwert der Apotheke von 130.000 Euro. Damit beträgt der Veräußerungsgewinn 257.524 Euro. Der Freibetrag von maximal 45.000 Euro (§ 16 Abs. 4 EStG) ist nicht abzuziehen, da der Veräußerungsgewinn den Grenzbetrag von 136.000 Euro um mehr als 45.000 Euro übersteigt. Allerdings wird der Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert (Fünftel-Regelung). Auf Antrag kann auch eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG erfolgen (ermäßigter Steuersatz). Durch die Betriebsveräußerung und die damit einhergehende Aufdeckung stiller Reserven geht die Rentenforderung in das Privatvermögen über. Die Rente selbst ist deshalb als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Ertragsanteil zu besteuern. Da die jährlichen Rentenzahlungen 36.000 Euro und der Ertragsanteil 17 Prozent betragen, ergeben sich Einnahmen von jährlich 6.120 Euro. Nach Abzug des Pauschbetrags von 102 Euro (§ 9a Nr. 3 EStG) unterliegen jährlich sonstige Einkünfte i. H. v. 6.018 Euro der Besteuerung. Zu versteuern sind deshalb im Jahr 2024: | |
| 257.524 Euro |
| 6.018 Euro |
In den Folgejahren sind jährlich lediglich 6.018 Euro zu versteuern (Ertragsanteil Rente). Sollte sich die Rente aufgrund einer Wertsicherungsklausel erhöhen, ist auch der Mehrbetrag nur in Höhe des Ertragsanteils steuerpflichtig. |
Wahl der Besteuerung nach dem Zuflussprinzip
Übt A hingegen seine Wahl zugunsten des Zuflussprinzips aus (R 16 Abs. 11 S. 6 und 7 EStR), stellen die Rentenzahlungen nicht mit dem Ertragsanteil sonstige Einkünfte, sondern im Zuflusszeitpunkt in voller Höhe nachträgliche Betriebseinnahmen dar. Ein steuerlich von den §§ 16 Abs. 4 sowie 34 Abs. 1 und 3 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn ergibt sich deshalb nicht, sodass A keinen Freibetrag und keine Tarifermäßigung erhält. A „erkauft“ sich gewissermaßen die später eintretende Besteuerung mit dem Verlust der Steuerbegünstigungen.
Jedoch muss auch hier die Rente in einen Zins- und Tilgungsanteil zerlegt werden. Die Aufteilung kann dabei entweder nach versicherungsmathematischen Grundsätzen oder nach den §§ 13 und 14 BewG vorgenommen werden. Während der enthaltene Zinsanteil sofort mit Zufluss eine Betriebseinnahme darstellt (die Rentenforderung befindet sich im verbleibenden Betriebsvermögen) und damit der Besteuerung unterliegt, ist der Kapitalanteil („Tilgung“) zunächst mit dem Kapitalkonto und den Veräußerungskosten von A zu verrechnen. Erst wenn die Summe der Tilgungsanteile diese Beträge übersteigt, liegen in Höhe der übersteigenden Zahlungen steuerpflichtige Einkünfte vor.
Beachten Sie | Die Besteuerung nach dem Zuflussprinzip bringt damit das Erfordernis mit sich, den Rentenbarwert Jahr für Jahr neu zu ermitteln – schafft aber im Gegenzug eine aufschiebende Besteuerung.
Zuflussbesteuerung: Auswirkung für A | ||
Jahresbetrag der Rente (12 × 3.000 Euro) | 36.000 Euro | |
Barwert 01.01.2024 (67 Jahre; 36.000 × 10,834) | 390.024 Euro | |
Barwert 31.12.2024 (68 Jahre; 36.000 × 10,539) | 379.404 Euro | |
Differenz (Tilgungsanteil) | 10.620 Euro | 10.620 Euro |
Zinsanteil | 25.380 Euro | |
A muss im Jahr 2024 25.380 Euro als nachträgliche gewerbliche Einkünfte versteuern. Der Tilgungsanteil (10.620 Euro) wird mit dem Buchwert des Betriebs (130.000 Euro) zzgl. Veräußerungskosten (2.500 Euro) verrechnet. Steuerpflichtige Einkünfte ergeben sich insoweit (noch) nicht. Nach der Verrechnung verbleibt ein für Folgejahre zur Verfügung stehender Betrag von 121.880 Euro. Eine volle Steuerpflicht der Rentenzahlungen tritt damit erst ab dem Jahr 2035 im Alter von 79 Jahren ein (Barwert dann 36.000 × 6,856 = 246.816 Euro). Entwicklung der steuerpflichtigen Einkünfte: | ||
2024: Nachträgliche Einkünfte, § 15 EStG (Zinsanteil) | 25.380 Euro | |
2025: Nachträgliche Einkünfte, § 15 EStG (Zinsanteil) | 24.984 Euro | |
2026 ff.: Sukzessiv fallende steuerpflichtige Zinsanteile, § 15 EStG | … Euro | |
2035 ff.: Volle Steuerpflicht der gesamten Rente, § 15 EStG | 36.000 Euro |
Beachten Sie | Sollte sich die Rente aufgrund einer Wertsicherungsklausel in den Folgejahren erhöhen, ist der Rentenbarwert ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung des Mehrbetrags zu ermitteln. Der Mehrbetrag unterliegt damit – abweichend von der Sofortbesteuerung – langfristig in voller Höhe der Besteuerung.
Mit dem Zuflussprinzip lässt sich Besteuerung an die individuellen Bedürfnisse anpassen Fazit | Die Besteuerung nach dem Zuflussprinzip stellt eine durchaus interessante Möglichkeit dar, die Besteuerung und die daraus resultierenden Belastungen an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Zudem kann die Zuflussbesteuerung nicht nur bei einem reinen Rentenkaufpreis gewählt werden. Wird die Apotheke teilweise gegen einen festen Kaufpreis und teilweise gegen eine Rente verkauft („Mischentgelt“), steht dem Veräußerer das Wahlrecht ebenfalls zu. Das Wahlrecht bezieht sich dann jedoch nur auf den Teil der Rente (R 16 Abs. 11 S. 9 EStR) und der feste Kaufpreis unterliegt der Sofortbesteuerung. Die Veräußerungskosten und der Buchwert des Betriebs sind dann vorrangig von dem festen Kaufpreis abzuziehen. |
AUSGABE: AH 4/2025, S. 17 · ID: 50114538