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RefresherG-BA: Frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel
| Seit dem 01.01.2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den gesetzlichen Auftrag, für neu zugelassene Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen nach Markteintritt eine sogenannte „frühe“ Nutzenbewertung durchzuführen. Das Ergebnis der frühen Nutzenbewertung ist auch für den niedergelassenen Arzt von Bedeutung, wenn es um die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung neuer Arzneimittel geht. |
Hintergrund
Die Aufgabe der frühen Nutzenbewertung wurde mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) in das Sozialgesetzbuch V (§ 35a SGB V) aufgenommen. In der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des G-BA finden sich die entsprechenden Vorgaben im Abschnitt O in den Paragrafen 50 und 51 sowie die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung in der Anlage XII.
Ablauf der frühen Nutzenbewertung
Der pharmazeutische Unternehmer legt dem G-BA spätestens zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des neuen Arzneimittels ein Dossier auf Grundlage der Zulassungsunterlagen sowie aller Studien zu den Arzneimitteln vor, die einen Zusatznutzen des Medikaments im Vergleich zu einer zuvor bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie belegen müssen.
Der G-BA prüft innerhalb von drei Monaten, ob das neue Arzneimittel gegenüber der bisherigen Standardtherapie (der sogenannten zweckmäßigen Vergleichstherapie) Vorteile hat, beispielsweise eine bessere Wirksamkeit oder auch deutlich weniger Nebenwirkungen aufweist, als die bis dato zur Verfügung stehenden therapeutischen Alternativen und veröffentlicht dann das Ergebnis seiner Nutzenbewertung. Hierzu können dann der pharmazeutische Unternehmer, Verbände und Sachverständige sowohl schriftlich als auch mündlich Stellung nehmen.
Unter Abwägung sowohl der Dossierbewertung als auch der eingegangenen Stellungnahmen trifft der G-BA dann innerhalb weiterer drei Monate (nach o. g. Veröffentlichung) einen abschließenden Beschluss, der vor allem Aussagen über
- das Ausmaß des Zusatznutzens,Was prüft der G-BA bei der frühen Nutzenbewertung?
- die zur Behandlung infrage kommenden Patientengruppen,
- Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und
- die Therapiekosten des Arzneimittels – auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie – enthält.
Der Beschluss tritt mit Veröffentlichung auf der Website des G-BA in Kraft, wird aber auch im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Im Anschluss verhandeln bei Arzneimitteln mit erwiesenem Zusatznutzen der GKV-Spitzenverband und das jeweilige pharmazeutische Unternehmen innerhalb von sechs Monaten einen Erstattungsbetrag für die GKV, also den Preis, den die Krankenkassen dann bezahlen. Kommt es in der Verhandlung zu keiner Einigung, setzt eine Schiedskommission den Erstattungsbetrag innerhalb von drei Monaten fest.
Der Erstattungsbetrag gilt nicht erst nach Abschluss der Preisverhandlung, sondern (seit Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes im November 2022) rückwirkend ab dem siebten Monat (statt vorher zwölften Monat) nach Markteintritt des Arzneimittels. Bis dahin, also in den ersten sechs Monaten nach Markteintritt gilt der vom Hersteller festgelegte Preis.
Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung
Der G-BA bewertet Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens. Was ist hierunter zu verstehen?
Der G-BA hat folgende Kategorien für das Ausmaß des Zusatznutzens bestimmt und wie folgt beschrieben:
- Erheblicher Zusatznutzen: nachhaltige und bisher nicht erreichte große Verbesserung des therapierelevanten Nutzens (Heilung, erhebliche Verlängerung der Überlebensdauer, langfristige Freiheit von schwerwiegenden Symptomen, weitgehende Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen)Sieben Kategorien zur Beurteilung des Ausmaßes des Zusatznutzens
- Beträchtlicher Zusatznutzen: bisher nicht erreichte deutliche Verbesserung des therapierelevanten Nutzens (Abschwächung schwerwiegender Symptome, moderate Verlängerung der Lebensdauer, spürbare Linderung der Erkrankung, relevante Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen oder bedeutsame Vermeidung anderer Nebenwirkungen)
- Geringer Zusatznutzen: bisher nicht erreichte moderate und nicht nur geringfügige Verbesserung des therapierelevanten Nutzens (Verringerung von nicht schwerwiegenden Symptomen, relevante Vermeidung von Nebenwirkungen)
- Nicht quantifizierbarer Zusatznutzen: die wissenschaftliche Datengrundlage lässt keine Quantifizierung zu.
- Zusatznutzen gilt als belegt: bei Reserveantibiotika gilt der Zusatznutzen als belegt; der Gesetzgeber hat festgelegt, dass das Ausmaß des Zusatznutzens und seine therapeutische Bedeutung vom G-BA nicht zu bewerten sind.
- Kein Zusatznutzen: es ist kein Zusatznutzen belegt.
- Geringerer Nutzen: Nutzen des Arzneimittels ist geringer als der Nutzen der zweckmäßigen Vergleichstherapie
Die beiden letzten Kategorien entfallen bei Orphan Drugs. Hier hat der Gesetzgeber vorgegeben, dass der Zusatznutzen bereits durch Zulassung belegt ist.
Die Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens hängt von der Qualität und Aussagekraft der vom pharmazeutischen Unternehmer im Dossier eingereichten Daten ab. Der G-BA unterscheidet hierbei die nachfolgend genannten Kategorien mit den jeweils für die Kategorie erforderlichen Voraussetzungen:
- Beleg: zwei und mehr gute Studien oder eine sehr große, hochwertige Studie liegen vor
- Hinweis: eine gute, größere Studie liegt vor
- Anhaltspunkt: eine kleine Studie, Studie mit relevanten Unsicherheiten, indirekte Vergleiche, historische Kontrollen etc. liegen vor
Anwendungsbegleitende Datenerhebung und Beschränkung der Versorgungsbefugnis |
Der G-BA hat die Möglichkeit, vom pharmazeutischen Unternehmer die Durchführung einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung zu fordern, wenn bei dem neuen Arzneimittel die Studiendaten zum Zeitpunkt der Zulassung für die Bewertung des Nutzens und Zusatznutzens nur wenig aussagekräftig sind. Dies ist nicht der Regelfall. Hier liegen besondere Umstände vor, die eine Sonderzulassung ermöglichen, beispielsweise weil keine Alternativen für die Behandlung einer lebensbedrohlichen oder seltenen Erkrankung zur Verfügung stehen. Es handelt sich hierbei um Arzneimittel mit bedingter Zulassung, mit Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen oder auch Arzneimittel für seltene Krankheiten. In einem Beschluss legt der G-BA die konkreten Anforderungen an die anwendungsbegleitende Datenerhebung fest. Er kann zudem (als Beschränkung der Versorgungsbefugnis) die Anwendung des Arzneimittels auf solche Ärztinnen und Ärzte beschränken, die an der Datenerhebung mitwirken. |
Qualitätsgesicherte Anwendung von ATMP
Zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP) zählen wegen ihrer besonderen Herstellung und Wirkweise Gen- und Zelltherapeutika. Sie enthalten Bestandteile lebender Zellen oder Nukleinsäuren und stellen innovative, gleichzeitig aber auch risikoreiche Therapien dar. Der G-BA kann für die Anwendung dieser Arzneimittel indikationsbezogen oder bezogen auf Arzneimittelgruppen qualitätssichernde Mindestanforderungen für Krankenhäuser und Praxen festlegen. Bisher gibt es entsprechende Qualitätsanforderungen für die Anwendung von CAR-T-Zellen bei B-Zell-Neoplasien, Onasemnogen-Abeparvovec bei spinaler Muskelatrophie und Tabelecleucel bei EBV-positiven Posttransplantationslymphomen.
Abbilden der Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung im PVS
Seit 01.10.2020 werden die Beschlüsse des G-BA auch in der Arzneimittel-Verordnungssoftware (Praxisverwaltungssoftware, PVS) angezeigt. Dadurch ist eine schnelle und umfassende Information über die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel – und damit über den Zusatznutzen eines neuen Präparates im Vergleich zum bisherigen Therapiestandard – möglich. Es ist dann auch möglich, sich eine Übersicht der bewerteten Anwendungsgebiete anzeigen zu lassen und einen der Beschlüsse auszuwählen, um ihn sich genauer anzuschauen. Diese Informationen sind für den Arzt insbesondere hinsichtlich einer wirtschaftlichen Verordnungsweise wichtig. Krankenkassen können die Verordnung eines Arzneimittels ohne Zusatznutzen/in Anwendungsgebieten, bei denen kein Zusatznutzen festgestellt wurde und dessen Preis über dem vergleichbarer Medikamente liegt, als unwirtschaftlich ansehen. Das kann zu Nachforderungen führen.
- Die AM-RL, Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung sowie ergänzende Informationen (mit Übersichten, graphischen Darstellungen etc.) finden Sie unter g-ba.de.

AUSGABE: AAA 4/2024, S. 17 · ID: 49966242