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Vertragsarztrecht BSG bestätigt „4-3-2-1-Regel“ für EBM-Chronikerzuschläge endgültig

Abo-Inhalt05.04.20244 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Sebo-Franz Krubally, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

| Im Streit über die Abrechenbarkeit des Chronikerzuschlags nach der EBM-Nr. 03212 hat sich nun das Bundessozialgericht (BSG) abschließend mit der Sache befasst. Der in Streit stehende Chronikerzuschlag ist mittlerweile in den EBM-Nrn. 03220 und 03221 abgebildet. Die nach § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie erforderliche Dauerbehandlung liegt demnach nur vor, wenn die zugrunde gelegte Dauerbehandlung bis in die Gegenwart durchgeführt wird. Weiterhin gilt außerdem: Die Behandlung muss wegen ein- und derselben Erkrankung über den Zeitraum von vier Quartalen mit drei Arzt-Patienten-Kontakten (APK) stattfinden, von denen mindestens zwei persönlich erfolgen (Beschluss vom 25.10.2023, Az. B 6 KA 4/23 B). Damit bestätigte das BSG die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin (Urteil vom 21.12.2022, Az. L 7 KA 49/19; siehe auch AAA 07/2023, Seite 9). |

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Poliklinik, in der sie unter anderem Frau Dr. R. beschäftigt. Frau Dr. R. behandelt schwerpunktmäßig diabetologische Erkrankungen.

Im Februar 2014 teilte die KV der Poliklinik im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung mit, dass Frau Dr. R mit dem Zeitaufwand für ihre Leistungserbringung in den Quartalen I/2010 bis IV/2012 den Höchstumfang ihrer Beschäftigung überschritten habe. Hierauf kürzte die KV das Honorar der Klägerin für diese Quartale um insgesamt rund 69.400 Euro. Nach der Begründung im Honorarrückforderungsbescheid sei zwar nach genauerer Prüfung keine Überschreitung des Höchstumfangs der Beschäftigung festzustellen. Dafür habe sich im Rahmen ergänzender Tatsachenfeststellung ergeben, dass Frau Dr. R den Chronikerzuschlag nach der Nr. 03212 in mehreren hundert Fällen je Quartal fehlerhaft abgerechnet habe (4.174 Fälle, im Schnitt 347 Fälle pro Quartal). Dementsprechend sei der Chronikerzuschlag in allen Behandlungsfällen zu kürzen, in denen die Behandlung der Patienten nicht in jedem der vier Quartale vor der Abrechnung durch die Poliklinik erfolgt sei.

Die Klägerin unterlag in allen Instanzen, woraufhin sie die Sache vor dem BSG weiter verfolgte.

Entscheidungsgründe

Das BSG wies die Beschwerde der Klägerin zurück. In der Sache teilte das BSG die Ansicht des Landessozialgerichts Berlin (LSG). Dass mindestens zwei unmittelbare APK erforderlich sind, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen EBM-Positionen (heute: Nrn. 03220 und 03221).

Für die Anwendbarkeit der EBM-Nrn. für die Chronikerpauschalen genüge es darüber hinaus nicht, dass die ärztliche Behandlung irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hat. Erforderlich sei vielmehr, dass sie in den vier unmittelbar vorangehenden Quartalen stattgefunden hat. Dies ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem hier maßgeblichen § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie, auf den die streitgegenständliche EBM-Position verweist (sog. „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelung in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte“). Allerdings lässt sich die Erforderlichkeit einer bis in die Gegenwart reichenden Dauerbehandlung aus der Regelungssystematik ableiten. So ist in Abs. 1 Satz 2 § 62 SGB V, auf dem die Chroniker-Richtlinie beruht, von chronisch Kranken die Rede, die in Dauerbehandlung sind“.

Auch die verbindlichen Erläuterungen zu Muster 55 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung bestätigen das Auslegungsergebnis. Demnach liegt eine Dauerbehandlung vor, „wenn der Versicherte

  • mindestens ein Jahr lang vor Ausstellen dieser Bescheinigung
  • jeweils wenigstens einmal im Quartal
  • wegen derselben Krankheit in ärztlicher Behandlung war“.

Diese Anforderungen wurden von der Klägerin nicht erfüllt. Das BSG wies daher die Beschwerde zurück.

Fazit | Die Bestätigung des BSG ist zutreffend und konsequent. Die Chronikerzuschläge (Nrn. 03220 und 03221) können nur in Ansatz gebracht werden, wenn der betreffende Patient kontinuierlich in ärztlicher Behandlung wegen derselben gesicherten chronischen Erkrankung war.
Die Behandlung muss in den vorangegangenen vier Quartalen erfolgt sein. Es genügt damit nicht, dass die Behandlung wegen chronischer Erkrankung zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit stattgefunden hat. Und: Der Zeitraum schließt das aktuelle Quartal stets mit ein. Erforderlich ist darüber hinaus jeweils mindestens ein APK nach 4.3.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM pro Quartal, wobei in mindestens drei der vier Quartale der APK in derselben Praxis erfolgt sein muss. In zwei Quartalen muss der APK dabei persönlich gewesen sein (und damit bei räumlicher und zeitgleicher Anwesenheit von Arzt und Patient und mit direkter Interaktion zwischen diesen beiden).
Es bleibt dabei und ist nun auch vom BSG eindeutig geklärt, dass die sogenannte „4-3-2-1-Regelung“ oder auch „4-3-2-Regelung“ immer erfüllt sein muss:
  • [4 =] Es müssen in den letzten vier Quartalen
  • [3 =] drei APK erfolgt sein,
  • [2 =] von denen zwei persönliche APK sein müssen,
  • [1 =] und zwar wegen ein und derselben Erkrankung.

Weiterführende Hinweise

  • Chronikerzuschläge richtig ansetzen: Medikamenteneinnahme ist keine ärztliche Behandlung! (AAA 07/2023, Seite 9)
  • Chronikerpauschale bei Hausarztwechsel oder „H“ – wie „Habe nachgefragt!“ (AAA 06/2018, Seite 6)

AUSGABE: AAA 4/2024, S. 12 · ID: 49969691

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