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VertragsarztrechtImpfen mit Risiken und Nebenwirkungen für Ärzte – BSG-Urteil zur Impfstofflagerung

Abo-Inhalt25.07.20227428 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Kristin Ullrich, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

| Die Lagerung von Impfstoffen ist für Ärztinnen und Ärzte mit Risiken verbunden: Bei Lagerungsfehlern und damit verbundener Ersatzverordnung neuen Impfstoffs können die Prüfungsstellen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu Recht einen Regress für die Ersatzverordnung festsetzen. Dies stellte das Bundessozialgericht (BSG) klar. Mit Ausnahme von Fällen höherer Gewalt fällt die sachgemäße Impfstofflagerung in die Risikosphäre der Ärzte (Urteil vom 29.06.2022, Az. B 6 KA 14/21). |

Sachverhalt

Die klagende, pädiatrische Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) lagerte in ihren Räumlichkeiten Impfstoff, der gekühlt werden musste. Aufgrund eines technischen Fehlers am Relais im Regler des Kühlschrankverdichters wurde die erforderliche Kühltemperatur für mehrere Stunden unterschritten. Auf Empfehlung des Apothekers und des Impfstoffherstellers hin vernichtete die Praxis die betroffenen Impfstoffe. Zugleich beschaffte sie neuen Impfstoff, den sie als Ersatz für den vernichteten Impfstoff zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnete.

In der Folge setzte die Prüfungsstelle gegen die BAG einen Regress in Höhe der Nettoverordnungskosten des ersatzweise beschafften Impfstoffs fest, die Summe belief sich auf ca. 24.400 Euro. Sowohl der Widerspruch der Kinderarztpraxis als auch die spätere Klage gegen den Beschwerdeausschuss vor dem Sozialgericht blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte die Festsetzung des Regresses. Die Sprungrevision der Klägerin blieb damit erfolglos. Zwar begründe die Ersatzverordnung keinen sonstigen Schaden im Sinne von § 48 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) dar, für den die Praxis verschuldensunabhängig aufzukommen habe. Jedoch sei die ersatzweise Impfstoffverordnung unwirtschaftlich und damit unzulässig im Sinne von § 106 Sozialgesetzbuch (SGB) V.

Bei der Bewertung, ob die Ersatzverordnung zulässig ist, seien die Umstände zu berücksichtigen, die die Ersatzverordnung begründeten. Dies ist vorliegend die Vernichtung des Impfstoffs infolge der unterbrochenen Kühlkette.

Das Wirtschaftlichkeitserfordernis setze jedoch voraus, dass der verordnete Impfstoff zweckentsprechend und sachgemäß verbraucht werde. Dies treffe auf eine Vernichtung von Impfstoff aufgrund technisch bedingter Lagerungsmängel nicht zu.

Wenngleich sich Technikfehler nie gänzlich ausschließen lassen könnten, könne ärztlicherseits auf die technischen Lagervoraussetzungen in weitem Umfang Einfluss genommen werden. Ebenso liege es in der Hand des Arztes, die Menge des gelagerten Impfstoffs zu bestimmen. Damit sei es Ärzten – im Gegensatz zu den Krankenkassen – möglich, die Gefahr von Sachschäden oder auch die Höhe drohender Sachschäden zu minimieren. Hiergegen könnten sich Ärzte zudem im Rahmen ihrer freien unternehmerischen Entscheidung versichern.

Ein Abweichen von der Risikoverteilung zulasten der Ärzteschaft hält das BSG allerdings für den Fall höherer Gewalt (z. B. bei Naturereignissen) geboten. In solchen Fällen seien eben keine planbaren Vorkehrungen möglich sind. Ein solches Naturereignis habe im zu beurteilenden Fall jedoch nicht vorgelegen.

Folgen für die Praxis

In der Praxis wird die Entscheidung impfende Ärztinnen und Ärzte nicht „kalt lassen“: Seitens der impfenden Kinder- und Jugendärzte wird bereits jetzt befürchtet, dass die bislang oftmals kostenlos angebotene Zwischenlagerung von Impfstoff in der Praxis nicht länger der Regelfall sein wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Patienten den verschriebenen Impfstoff künftig über die Apotheke beziehen und zur Impfung mitbringen müssten.

Praxistipp | In Anbetracht der nunmehr bundesgerichtlich bestätigten Regressrisiken ist in der Praxis jedenfalls zu erhöhter Vigilanz aufzurufen: Die Lagerbedingungen sollten regelmäßiger technischer Überprüfung unterzogen werden. Ebenso ist zu empfehlen, Impfstoff bedarfsorientiert regelmäßig in kleineren Mengen zu bestellen, um potenzielle Regressforderungen gering zu halten. Verbleibende Risiken sollten zudem auf ihre Versicherbarkeit hin überprüft werden.

Exkurs: Zur Lagerung kühlpflichtiger Impfstoffe/Arzneimittel (Redaktion)

Kühlschränke zur Lagerung von Arzneimitteln und Impfstoffen in einer Arztpraxis, Apotheke oder Klinik sollten den Anforderungen der DIN 13277 („Kühl- und Gefrier-Lagerungsgeräte für Labor- und Medizinanwendungen – Terminologie, Anforderungen, Prüfung“, zuvor DIN 58345) genügen. Achten Sie bei einer Neuanschaffung darauf, dass diese DIN erfüllt ist. Zentrale Anforderungen sind:

  • Eine abschließbare Tür
  • Betriebstemperaturen zwischen +2 °C und +8 °C
  • Akustische und optische Warnung bei Stromausfall und Temperaturabweichung
  • Sicherheitseinrichtung gegen Minustemperaturen
Weiterführende Hinweise
  • Fehlerhafte Impfstoffbestellung – Tipps zum Umgang mit Prüfanträgen (AAA 12/2021, Seite 16)
  • Impfstoffbestellung für den Vertragsarzt – Tipps zur richtigen Impfstofforder (AAA 09/2021, Seite 11)
  • Qualitätssicherung beim Impfen (AAA, online unter iww.de/s6684)

AUSGABE: AAA 8/2022, S. 13 · ID: 48482236

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