Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juni 2022 abgeschlossen.
ABC der Abrechnung„Z“ – Zervikalsyndrom
| Ein 35-jähriger Patient sucht seinen Hausarzt auf. Er klagt über zunehmende Nacken- und Kopfschmerzen in den letzten sechs Monaten. Dies gehe einher mit einer schnelleren Ermüdung bei der Arbeit. An Vorerkrankungen bestehen eine episodische Migräne mit zwei bis drei Attacken im Jahr, eine euthyreote Struma diffusa sowie eine Hyperurikämie. Es besteht eine Dauermedikation mit L-Thyroxin 75 μg täglich sowie Triptan bei den Migräneanfällen. Der Patient ist Nichtraucher und treibt keinen Sport. Er ist seit rund sechs Jahren als Prokurist in einem Logistikunternehmen tätig. Seit einem Jahr verrichtet er seine Arbeit vermehrt im Homeoffice. |
Inhaltsverzeichnis
Der Allgemeinzustand sowie der Ernährungszustand des Patienten sind gut. Herz und Lunge sind klinisch unauffällig, diffuse Struma wird festgestellt, der Blutdruck liegt bei 140/80 mmHg, der Puls ist rhythmisch mit einer Frequenz von 72/Min. Die peripheren Gelenke sind frei beweglich.
Die Bewegung der HWS in alle Richtungen ist eingeschränkt bei erheblichem Muskelhartspann der gesamten Nacken- und Schultergürtelmuskulatur. Die Carotiden sind frei. Es sind keine neurologischen Reiz- oder Ausfallserscheinungen feststellbar. In der Labordiagnostik gibt es keine Hinweise auf ein entzündliches oder rheumatisches Geschehen.
Diagnose und weiteres Prozedere
Aufgrund der Vorgeschichte und der erhobenen Befunde ist bei dem Patienten von einem Zervikalsyndrom auszugehen. Die Ursache der neu aufgetretenen Symptomatik ist sicherlich die vermehrte Tätigkeit im Homeoffice bei zu Hause ergonomisch nicht optimalem Arbeitsplatz.
Der Hausarzt ordnet zur sofortigen Linderung zunächst eine Reizstromtherapie an. Weiterhin verordnet er dem Patienten eine Serie Krankengymnastik, um die Muskulatur zu lockern und beweglicher zu machen. Außerdem wird als Langzeittherapie ein Gerät zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS-Gerät) zur täglichen Eigenanwendung zu Hause verordnet. Die TENS-Therapie hat verschiedene Folgen. Erstens kann man damit langfristig ein muskuläres Cervicalsyndrom relativ gut beherrschen, zudem spart es auf lange Sicht die erneute Verordnung von Heilmittelanwendungen. Als Letztes empfiehlt er dem Patienten dringend, sich als Ausgleich zu seiner sitzenden Tätigkeit regelmäßig sportlich zu betätigen und seinen Arbeitsplatz zu Hause ergonomischer zu gestalten.
Mit diesem Therapiemix ist der Patient nach sechs Wochen beschwerdefrei und bleibt dies auch bei regelmäßigem Schwimmen und täglicher TENS-Anwendung.
Abrechnung EBM
Diagnostisch kamen die klinische Untersuchung (EBM-Nr. 03000) sowie einige Laboranalysen (abrechenbar durch die Laborgemeinschaft) zur Anwendung.
Therapeutische Möglichkeiten bietet die physikalische Medizin in Form von Wärme- oder Elektrotherapie (Nrn. 02510 und 02511) sowie die TENS-Therapie als Eigenanwendung. Die Abrechnung der Einweisung erfolgt mit der Nr. 30712. Hier sei allerdings auf die Unvereinbarkeit der Nr. 30712 mit den Nrn. 03040, 03020, 03021 und 03022 hingewiesen. Alternativ oder ergänzend sind auch medikamentöse Maßnahmen möglich wie Injektionen, Infusionen (Nr. 02100; für Hausärzte nur im Notfalldienst berechnungsfähig), Quaddeln (existieren im EBM nicht). Nicht abrechenbar ist für Hausärzte die Therapie mit Lokalanästhetika (Nr. 02360). Leistungen der Chirotherapie (Abschnitt 30.2 EBM) und der speziellen physikalischen Therapie (Abschnitt 30.4 EBM) sind nur mit Genehmigung der KV abrechenbar.
EBM | Punkte | Euro* | Leistung | Prüfzeit in Min.** | Bemerkungen *** |
02100 | 67 | 7,55 | Infusion | 1 / TP | Für Hausärzte nur im Notfalldienst |
02360 | 94 | 10,59 | Therapie mit Lokalanästhetika | 3 / QP | 1 x im BHF, mind. 3 persönliche APK |
02510 | 21 | 2,37 | Wärmetherapie | k. A. | |
02511 | 9 | 1,01 | Elektrotherapie, auch TENS-Anwendung in der Praxis | k. A. | Max. 8 x im BHF |
30712 | 72 | 8,11 | TENS-Einweisung | 3 / TP | Max. 5 x im Krankheitsfall; nicht neben 03040, 03220, 03221, 03222 im BHF |
30200 | 48 | 5,41 | Chirotherapeutischer Eingriff | 4 / TP | Max. 2 x im BHF |
30201 | 71 | 8,00 | Chirotherapeutischer Eingriff/Wirbelsäule | 5 / TP | 2 x im BHF; weitere nur mit ausführlicher Begründung |
30420 | 94 | 10,59 | Krankengymnastik/Einzel | 12 / TP | Mind. 15 Minuten |
30421 | 48 | 5,41 | Krankengymnastik/Gruppe | 4 / TP | Mind. 20 Minuten, 3 bis 5 Teilnehmer |
Abrechnung GOÄ
Mit der GOÄ wäre eine differenziertere Abrechnung möglich. Neben Injektionen (Nrn. 252, 253, 266, 267 und 268 GOÄ) kann hier auch eine Akupunkturbehandlung durchgeführt werden (Nrn. 269, 269a GOÄ). Die Wärmetherapie gliedert sich auf vier Leistungen auf (Nrn. 535, 536, 538, 539 GOÄ), bei der Elektrotherapie stehen ebenfalls vier Leistungen zur Verfügung (Nrn. 548, 549, 551, 552 GOÄ). Die Leistungen der Chirotherapie (3305, 3306) bedürfen ebenso wie die Leistungen der Übungsbehandlung (506, 507) keiner Genehmigung. Es müssen aber entsprechende Kenntnisse vorhanden sein.
GOÄ | Punkte | Euro/1,8- /2,3-fach | Leistung | Bemerkungen |
267 | 80 | 10,72 | Infiltrationstherapie, eine Region | Medikamente können als Auslagen (§ 10 GOÄ) berechnet werden |
268 | 130 | 17,43 | Infiltrationsbehandlung, mehrere Regionen | |
266 | 60 | 8,04 | Quaddelbehandlung | |
269 | 200 | 26,81 | Akupunkturbehandlung | Nadelstich-Technik Analog auch für Laser-Akupunktur |
269a | 350 | 46,92 | Akupunkturbehandlung, mind. 20 Minuten | |
535 | 33 | 3,46* | Heißluftbehandlung, ein Körperteil | Anfallende Sachkosten sind in den Honoraren enthalten und können nicht gesondert berechnet werden |
536 | 51 | 5,35* | Heißluft, mehrere Körperteile | |
538 | 40 | 4,20* | Infrarotbehandlung | |
539 | 44 | 4,62* | Ultraschallbehandlung | |
548 | 37 | 3,88* | Kurzwelle (KW), Mikrowelle (MW), eine Region | |
549 | 55 | 5,77* | KW, MW, verschiedene Regionen | |
551 | 48 | 5,04* | Reizstrombehandlung | |
552 | 44 | 4,62* | Iontophorese | |
506 | 120 | 12,59* | Krankengymnastik (KG), Ganzbehandlung, Einzel | Keine Genehmigung erforderlich, aber § 1 Abs. 2 GOÄ: … nach den Regeln der ärztlichen Kunst… |
507 | 80 | 8,39* | KG, Teilbehandlung, Einzel | |
3305 | 37 | 4,96 | Chiropraktische Wirbelsäulen(WS)-Behandlung | |
3306 | 148 | 19,84 | Chirotherapeutischer Eingriff an der WS |
„Zervikalsyndrom“ – Abrechnungsvorschlag | |||||||
Leistung | EBM | GOÄ | Anmerkungen | ||||
Position | Punkte | Euro* | Position | Punkte | Euro/ 2,3-fach | ||
Erstkonsultation | |||||||
Versichertenpauschale (35-jähriger Patient) | 03003 | 114 | 12,84 | –** | – | – | EBM: PC-Eingabe: 03000 |
Hygienepauschale | 03020 | 2 | 0,23 | –** | – | – | Automatisches Hinzufügen durch die KV Nr. 03040: Nicht neben Nr. 30712! |
Vorhaltepauschale | 03040 | 138 | 15,55 | –** | – | – | |
NäPa-Pauschale | 03060 | 22 | 2,48 | –** | – | – | |
Zuschlag zur Nr. 03060 | 03061 | 12 | 1,35 | –** | – | – | |
Wirtschaftlichkeitsbonus | 32001 | 19 | 2,14 | –** | – | – | |
Beratung | –*** | – | – | 1 | 80 | 10,72 | Nur 1 x im BHF**** neben Sonderleistungen |
Symptomorientierte Untersuchung | –*** | – | – | 5 | 80 | 10,72 | Bei Untersuchung in mehreren Körperregionen erhöhter Faktor möglich |
Reizstromtherapie***** | 02511 | 9 | 1,1 | 551 | 48 | 5,04 | EBM: Max. 8 x im BHF**** |
Venöse Blutabnahme | –*** | – | – | 250 | 40 | 4,20 | EBM: In VP enthalten GOÄ: Plus Laboranalysen |
Zweiter Praxiskontakt | |||||||
Ärztliches Gespräch, Eingehende Beratung | 03230 | 128 | 14,42 | 3 | 150 | 20,11 | EBM: Pro 10 Minuten GOÄ: Mind. 10 Minuten GOÄ: incl. TENS-Einweisung |
Symptomorientierte Untersuchung | –*** | – | – | 5 | 80 | 10,72 | Nur 1 x im BHF**** neben Sonderleistungen |
Reizstromtherapie***** | 02511 | 9 | 1,01 | (551) | (48) | (5,04) | GOÄ: Nr. 551 GOÄ ist nicht neben Nr. 3 GOÄ ansetzbar |
TENS-Unterweisung | 30712 | 72 | 8,11 | –** | – | – | Max. 5 x im Krankheitsfall; nicht neben 03040, 03220, 03221, 03222 im BHF |
Letzter Kontakt | |||||||
Ärztliches Gespräch, Eingehende Beratung | 03230 | 128 | 14,42 | 3 | 80 | 10,72 | Bei längerer Dauer: EBM: Mehrfach abrechnen GOÄ: Faktorsteigerung |
Symptomorientierte Untersuchung | –*** | – | – | 5 | 80 | 10,72 | Nur 1 x im BHF**** neben Sonderleistungen |
- Schmerztherapie abrechnen? Überblick behalten! (AAA 02/2019, Seite 6)
- Abrechnung von Wärme-, Elektro- und physikalischer Therapie (AAA 10/2005, Seite 2)
- Abrechnung bei mehr als achtmaliger Elektrotherapie als IGeL zulässig? (AAA 10/2006, Seite 16)
AUSGABE: AAA 6/2022, S. 17 · ID: 48338209