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AusbildungskostenUnangemessene Nachteile bei Kostenbeteiligung eines Flugschülers an der Pilotenausbildung
| ArbG und ArbN können wirksame Vereinbarungen über die Beteiligung an den Kosten einer vom ArbG finanzierten Ausbildung schließen. Diese benachteiligen den ArbN nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines ArbG-Darlehens zur Finanzierung der Pilotenausbildung des ArbN. Dieser ist beim ArbG als Flugzeugführer beschäftigt. Seine Grundschulung hatte er aufgrund eines Schulungs- und Darlehensvertrags begonnen, der auch Regelungen zu Kostenbeteiligungen des ArbN enthält.
Danach trägt der ArbN einen Eigenanteil von 60.000 EUR. Dieser wird ihm darlehensweise überlassen. Er ist zur ratierlichen Rückzahlung per Verrechnung mit den späteren Gehaltszahlungen fällig. Die restlichen Kosten der Schulung werden vom ArbG getragen. Anschließend werden dem ArbN nach dem erfolgreichen Abschluss der Grundausbildung weitere Schulungen für Pilotenlizenzen und Flugzeugtypen angeboten, sofern ein entsprechender Bedarf beim ArbG vorliegt. Wird dem ArbN aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Ende der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten, verzichtet der ArbG auf die Rückzahlung des Darlehens.
Wegen der sogenannten Operatorbindung kann mindestens ein Teil der Grundausbildung wertlos sein, wenn keine Fortsetzung der Ausbildung beim ArbG erfolgt. Die Grundausbildung ist für andere Flugunternehmen nicht oder nur eingeschränkt verwendbar. Nimmt der ArbN ein Arbeitsvertragsangebot als Flugzeugführer nicht an und verwendet die erworbenen Lizenzen bei einer fremden Fluggesellschaft, muss er die tatsächlich entstandenen Schulungskosten von 110.000 EUR zurückzahlen.
Der ArbN ist nach dem erfolgreichen Abschluss weiterer Schulungen noch immer für den ArbG tätig. Ihm wird sein Kostenanteil an der Grundschulung monatlich vom Gehalt in Abzug gebracht. Der ArbN ist der Auffassung, der Darlehensvertrag benachteilige ihn unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Darlehens- und Schulungsvertrag bildeten ein rechtlich einheitliches Vertragskonstrukt, bei dem ihm das Kostenrisiko für eine wertlose (Teil-)Schulung auferlegt worden sei. Zudem werde er unzulässig an den ArbG bzw. dessen Konzernunternehmen gebunden.
Der ArbG meint dagegen, die vom ArbN in Anspruch genommenen Schulungsleistungen seien werthaltig und hätten ihm Vorteile auf dem Markt eröffnet. Die Kostenbeteiligung von 60.000 EUR sei daher nicht unangemessen. Der Darlehensvertrag sehe auch keine unzulässige Bindungsfrist vor. Dem ArbN habe es freigestanden, einen Anstellungsvertrag mit einer anderen Fluggesellschaft abzuschließen.
Die Vorinstanz (LAG Köln 2.6.23, 10 Sa 690/22) verurteilte den ArbG, die einbehaltene Vergütung zurückzuzahlen.
Entscheidungsgründe
Die dagegen gerichtete Revision vor dem BAG (20.8.24, 9 AZR 259/23, Abruf-Nr. 247145) war erfolgreich.
Das LAG sei davon ausgegangen, dass der ArbN nicht zur Zahlung der Darlehensraten verpflichtet gewesen sei, weil die Klauseln über die Kostenbeteiligung des ArbN einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht standhielten. Sie benachteiligten den ArbN insbesondere deshalb unangemessen, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn der ArbG ihm aus betrieblichen Gründen nach der Grundschulung keine Fortsetzung der Pilotenausbildung anbietet. Die bis dahin erworbene Teilschulung sei für ihn zudem wertlos. Wegen der Operatorbindung könne er die begonnene Ausbildung nicht bei einem anderen Anbieter fortsetzen.
Diese Begründung hielt einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar bildeten Schulungs- und Darlehensvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft. Daher habe auch eine einheitliche AGB-Kontrolle anhand der Vorgaben des § 307 Abs. 1 BGB zu erfolgen. Vorliegend sei nach den bisher getroffenen Feststellungen jedoch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers erkennbar.
Vereinbarungen über die Beteiligung eines ArbN an den Kosten einer vom ArbG finanzierten Ausbildung benachteiligten den ArbN nicht generell unangemessen. Der ArbN werde vorliegend nicht unangemessen benachteiligt, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn der ArbG ihm nach Abschluss der Grundschulung aus betrieblichen Gründen keine Folgeschulung anbietet. Für diesen Fall sei ein Rückzahlungsverzicht vereinbart.
Der ArbG verzichte auf eine Rückzahlung des Darlehens, wenn dem ArbN aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten werde. Der ArbN trage daher auch dann kein unmittelbares wirtschaftliches Risiko, wenn ihm keine weiteren Schulungen angeboten werden, weil ihm in diesem Fall mangels Qualifikation auch kein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten werden könne.
Auch aus der Operatorbindung folge keine unangemessene Benachteiligung des ArbN. Zumindest rechtlich sei ein Wechsel der Flugschule während der Ausbildung nicht ausgeschlossen gewesen. Auf den ArbN werde auch kein unzulässiger „Bleibedruck“ ausgeübt. Er könne auch während des Wartezeitraums von bis zu fünf Jahren auf das Angebot eines Cockpit-Arbeitsverhältnisses ggf. anderweitigen Zwischenverdienst erzielen.
Das LAG werde die Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erneut vorzunehmen haben. Zu berücksichtigen seien die Beteiligung beider Parteien an den Kosten, der Grad der Werthaltigkeit der Ausbildung sowie der Umstand, dass Menschen im Ausbildungsalter ohne anderweitigen Abschluss durch die Beteiligung an Ausbildungskosten typischerweise in besonderer Weise belastet sind. Die Rückzahlungsverpflichtung werde umso eher noch als angemessen betrachtet werden können, je höher die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Teilschulung einzustufen sei.
Zudem müsse weitergehend geprüft werden, ob und inwieweit der ArbN durch die Teilnahme an der Grundschulung einen geldwerten Vorteil erlangt habe, den er innerhalb oder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses mit dem ArbG hätte nutzen können. Hierfür seien noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Daher hat das BAG die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen.
Relevanz für die Praxis
Der 9. Senat setzt seine Rechtsprechung zu Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten fort. Diese sind nicht grundsätzlich unwirksam. Auch Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben, benachteiligen einen ArbN nicht stets unangemessen (so schon BAG 5.9.23, 9 AZR 350/22, Abruf-Nr. 239798).
Für die Praxis sind jedoch die hohen Hürden zu beachten, die auch durch die vorliegende Entscheidung nicht verschoben worden sind. Der ArbG muss klar und präzise benennen, unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung in welcher Höhe erfolgt (zuletzt umfangreich BAG 25.4.23, 9 AZR 187/22, Abruf-Nr. 236865). Zudem muss stets eine Interessenabwägung erfolgen, nach deren Ergebnis eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung für wirksam zu befinden ist. Der ArbN muss eine angemessene geldwerte Gegenleistung erhalten und darf nur für eine angemessene Zeit an den ArbG gebunden werden. Zudem muss die Rückzahlungsverpflichtung danach differenzieren, in wessen Sphäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt.
Die vorliegende Entscheidung legt all diese Parameter zugrunde. Das LAG wird insoweit noch weitere Feststellungen treffen müssen. Ob sich die Klauseln dann im Ergebnis als wirksam erweisen, bleibt abzuwarten. Dies wird maßgeblich davon abhängen, welchen geldwerten Vorteil die Grundschulung dem Flugschüler tatsächlich vermittelt.
- AGB-Klauseln: Neues zur Rückzahlung von Fortbildungskosten: Beseler in AA 23, 192
- Erneut Ausschlussfristenregelung in AGB auf dem Prüfstand: Beseler in AA 24, 175
- Befristung einer Arbeitszeiterhöhung für wissenschaftliches Personal: Jesgarzewski in AA 24, 203
AUSGABE: AA 4/2025, S. 60 · ID: 50359670