FeedbackAbschluss-Umfrage

SchadenersatzArbN muss auf Rechtsgüter und Interessen des ArbG Rücksicht nehmen

Abo-Inhalt07.04.20258 Min. Lesedauer

| Nach § 241 Abs. 2 BGB muss der ArbN auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des ArbG Rücksicht nehmen. Wird ihm ein Fahrzeug überlassen, muss er den ArbG über Unfälle und auftretende Mängel unverzüglich informieren, damit dieser die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten kann. Zu den Pflichten des ArbN gehört es aber auch, das ihm überlassene Fahrzeug pfleglich zu behandeln und keine Schäden zu verursachen, die über die üblichen Gebrauchsspuren hinausgehen. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Schadenersatzanspruch wegen eines bei Rückgabe beschädigten und verschmutzten Kraftfahrzeugs. Der ArbG betreibt eine Kraftfahrzeugkarosseriewerkstatt. Er verfügt über unternehmenseigene Kraftfahrzeuge, die er bei Bedarf an Kunden und Mitarbeiter überlässt. Der ArbN ist beim ArbG seit 1999 angestellt. Er ist Raucher.

2021 überließ der ArbG dem ArbN aufgrund einer mündlichen Vereinbarung einen Pkw, Baujahr 2015. Die Überlassung erfolgte vor allem zu dem Zweck, dass der ArbN von seinem Wohnort zum Betrieb gelangen konnte. Die Einzelheiten der Vereinbarung sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob der ArbN das Fahrzeug auch für andere private Fahrten nutzen durfte. Der Kilometerstand bei Übergabe betrug knapp 90.000 km.

Spätestens seit Anfang 2023 ist der ArbN arbeitsunfähig erkrankt. Er gab das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt an den ArbG heraus. Der ArbN rauchte im Fahrzeug. Der Kilometerstand bei Rückgabe betrug knapp 120.000 km. Der ArbG beauftragte einen vereidigten Kfz-Sachverständigen, den Zustand des Fahrzeugs zu begutachten sowie die Kosten für die Aufbereitung und Reinigung des Innenraums sowie die Instandsetzung bzw. Erneuerung des Innenraumes zu ermitteln. Dieser stellte unter anderem fest, dass sich der Innenraum in einem stark verschmutzen Zustand befand und unter anderem die Sitze und die Armauflagen in der Mittelkonsole stark fleckig gewesen seien. Im Fahrzeug seien Brandlöcher erkennbar gewesen. Außerdem sei ein starker Geruch nach Zigarettenrauch im Innenraum wahrzunehmen gewesen. Es habe sich Zigarettenasche im Innenraum befunden.

Der ArbG reinigte daraufhin umfangreich den Innenraum und behandelte ihn mit Ozon, um den Zigarettengeruch zu neutralisieren. Hierüber stellte er eine „Rechnung“ in Höhe von 918,50 EUR (netto) aus. Nach einer weiteren Inaugenscheinnahme durch den Sachverständigen stellte dieser fest, dass die Brandlöcher jedoch weiter vorhanden seien. Der Sachverständige fertigte ein Gutachten an. Insgesamt weist das Gutachten voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 2.459,88 EUR (netto) aus. Die Brandlöcher ließ der ArbG nicht beseitigen. Der ArbN lehnte es außergerichtlich ab, den Schaden zu erstatten.

Der ArbG ist der Ansicht, dass der ArbN die Schäden am Fahrzeug schuldhaft verursacht habe und daher zum Schadenersatz verpflichtet sei. Ihm sei aufgrund des Verhaltens des ArbN ein (fiktiver) Schaden für die Innenraumreinigung und Ozonbehandlung in Höhe von fast 900 EUR und für die Beseitigung der Brandlöcher in Höhe von über 1.140 EUR entstanden.

Das Arbeitsgericht führte eine Beweisaufnahme durch und gab der Klage in Höhe von 898,35 EUR nebst Zinsen statt, im Übrigen wies es die Klage ab. Der ArbN habe den Betrag als Schadenersatz für die Innenraumreinigung und Ozonbehandlung zahlen müsse, da er seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, das Fahrzeug pfleglich zu behandeln und in diesem nicht zu rauchen, verletzt habe. Dass das Fahrzeug dem ArbN in einem ordnungsgemäßen Zustand übergeben worden war und es bei Rückgabe im Innenraum stark verschmutzt gewesen sei und stark nach Rauch gerochen habe, stehe aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung fänden keine Anwendung, da die Nutzung des PKW durch den ArbN nicht betrieblich veranlasst gewesen sei.

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln (14.1.25, 7 SLa 175/24, Abruf-Nr. 247093) wies die Berufung zurück. Das Arbeitsgericht habe den ArbN zutreffend zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 898,35 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verurteilt. Denn er habe eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt, indem er in dem ihm überlassenen Fahrzeug rauchte und den Innenraum stark verschmutzte. Dem ArbN sei das Fahrzeug in einem ordnungsgemäßen sauberen Zustand überlassen worden. Bei Rückgabe seien im Innenraum insbesondere die Mittelkonsole und die Polster stark verschmutzt und fleckig gewesen. Zudem habe das Fahrzeug stark nach Zigarettenrauch gerochen. Diese grundsätzlich bindenden Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) seien von der Berufung nicht angegriffen worden. Sie seien folglich der Entscheidung zugrunde zu legen.

Nach § 241 Abs. 2 BGB sei der ArbN zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des ArbG verpflichtet. Bei der Überlassung eines Fahrzeugs sei der ArbN u. a. verpflichtet, den ArbG über Unfälle und auftretende Mängel unverzüglich zu informieren, damit dieser die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten kann (z. B. Mängelbeseitigung, Ausübung von Gewährleistungsansprüchen, Information von Versicherungen). Zu den Pflichten des ArbN gehöre es aber auch, das ihm überlassene Fahrzeug pfleglich zu behandeln und keine Schäden zu verursachen, die über die üblichen Gebrauchsspuren hinausgehen. Beim längeren Gebrauch eines Kraftfahrzeugs liege es in der Natur der Sache, dass im Laufe der Zeit Gebrauchsspuren eintreten. Hierzu gehören kleinere Kratzer, Abnutzungen am Lenkrad und an den Sitzflächen. Nicht hierzu würden starke Verschmutzungen, Beschädigungen wie Brandlöcher, Risse oder Geruchsbelästigungen gehören. Diese Schäden würden über den alltäglichen Gebrauch hinausgehen. Sie könnten der normalen, üblichen Nutzung nicht mehr zugeordnet werden.

Der stark verschmutzte Innenraum und der starke Rauchgeruch würden über die übliche Nutzung des Fahrzeugs hinausgehen und seien vom ArbN pflichtwidrig verursacht worden. Es bedürfe keines ausdrücklichen Rauchverbots durch die ArbG. Denn es sei selbstverständlich, dass man fremdes Eigentum sorgsam und pfleglich behandeln müsse. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass Zigarettenrauch nicht nur übel rieche, sondern sich bekanntlich auch in Textilien und auf Oberflächen „festsetzt“. Durch einfaches „Durchlüften“ und „Durchwischen“ könne man diese Geruchsbelästigung und die Nikotinablagerungen nicht beseitigen. Raucherfahrzeuge hätten daher regelmäßig einen Minderwert.

Als Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne der ArbN zwar für sich entscheiden, ob und wie viel er rauche. Dieses Recht finde jedoch seine Grenze in den Gesetzen und Rechten anderer Personen. So dürfe der ArbN durch sein Rauchen nicht das Eigentum der ArbG, hier deren Fahrzeug, beeinträchtigen oder beschädigen. Wenn er während der Autofahrt rauchen möchte, stehe es ihm frei, sich ein eigenes Auto zu kaufen.

Der ArbN müsse diese Pflichtverletzungen auch vertreten. Nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB habe der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handele, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse, § 276 Abs. 2 BGB. Der ArbN habe im Fahrzeug vorsätzlich geraucht und hierdurch mindestens fahrlässig die Schäden verursacht. Auch hinsichtlich der weiteren starken Verschmutzungen habe er mindestens fahrlässig gehandelt.

Das Arbeitsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung keine Anwendung finden würden. Denn diese würden ein betrieblich veranlasstes Handeln des ArbN voraussetzen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen.

Das Fahrzeug sei dem ArbN für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zur Verfügung gestellt worden. Das betreffe den privaten Lebensbereich. Denn grundsätzlich sei es die private Angelegenheit und das private Interesse des ArbN, dass und wie er zur Arbeit komme. Nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen müsse der ArbN – soweit keine abweichende Vereinbarung existiere – auch seine Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte selbst tragen. Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz seien erforderliche Handlungen des ArbN, um die geschuldete Tätigkeit am Arbeitsplatz aufnehmen zu können. Selbst wenn man zugunsten des ArbN unterstelle, dass er das Fahrzeug auch für weitere private Fahrten habe nutzen dürfen, ergäbe sich hieraus keine betriebliche Veranlassung. Dass er das Fahrzeug auch für seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit habe nutzen müssen, behauptet er selbst nicht. Allein der Umstand, dass das Fahrzeug im Eigentum der ArbG stehe, reiche für die Annahme einer betrieblichen Tätigkeit nicht aus.

Relevanz für die Praxis

Betrieblich veranlasst sind nur solche Tätigkeiten des ArbN, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Die Tätigkeit muss in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Eine betriebliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur vor, wenn eine Aufgabe verrichtet wird, die in den engeren Rahmen des dem ArbN zugewiesenen Aufgabenkreises fällt. Sie umfasst auch die Tätigkeiten, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Da das Erfordernis der betrieblichen Veranlassung sicherstellen soll, dass der ArbG nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des ArbN belastet wird, kann aus der Zugehörigkeit des Schädigers zum Betrieb und einem Handeln im Betrieb des ArbG allein nicht auf eine Schadensverursachung durch eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden. Nicht jede Tätigkeit im Betrieb des ArbG muss zwingend eine betriebsbezogene sein.

Ebenso wenig führt bereits die Benutzung eines Betriebsmittels zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit. Es kommt vielmehr darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war. Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb, ist daher dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden ArbN zuzurechnen. Dem privaten Lebensbereich ist es ebenso zuzurechnen, wenn der ArbN mit der schadensstiftenden Tätigkeit ausschließlich eigene Interessen ohne jeden Zusammenhang mit seiner geschuldeten Tätigkeit verfolgt.

Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zur ArbN-Haftung

BAG
15.11.12, 8 AZR 705/11, Abruf-Nr. 131877
ArbN-Haftung bei Trunkenheitsfahrt
Verursacht ein ArbN grob fahrlässig einen Schaden, so hat er den gesamten Schaden zu ersetzen. Es können jedoch im Einzelfall Haftungserleichterungen in Betracht kommen. Eine allgemeine Haftungsbeschränkung auf drei Bruttomonatsverdienste des ArbN besteht aber nicht.
LAG Düsseldorf
10.10.19, 13 Sa 1171/18,
vorher: Arbeitsgericht Essen 16.12.18, 1 Ca 1725/18
ArbN-Haftung eines Berufskraftfahrers
Der ArbN stellte den Lkw mit Artikeln im Wert von fast 100.000 EUR ungesichert in einer Seitenstraße außerhalb des Betriebshofs ab. Die Haftpflichtversicherung übernahm nur einen Teil des Schadens, den Restbetrag von 14.502 EUR verlangte der ArbG vom Fahrer. Das Arbeitsgericht Essen lehnte eine ArbN-Haftung ab. Vor dem LAG Düsseldorf einigten sich die Parteien mit einem Vergleich auf die Zahlung von 2.000 EUR.
LAG Rheinland-Pfalz
5.2.21, 2 Sa 349/19,
Abruf-Nr. 223624
ArbN-Haftung: Schadenersatzanspruch wegen leichtfertiger Geldwäsche
Die vom BAG entwickelten Grundsätze über die Beschränkung der ArbN-Haftung griffen vorliegend nicht ein, weil das Handeln des ArbN nicht betrieblich veranlasst war.
BAG
19.3.15, 8 AZR 67/14,
Abruf-Nr. 144224
Azubi muss 25.000 EUR Schmerzensgeld zahlen
Bei der Frage, ob eine Haftungsprivilegierung gemäß § 105 SGB VII eingreift, gelten für ArbN und Auszubildende dieselben Maßstäbe. Werfe ein Azubi ein 10g schweres Wuchtgewicht hinterrücks über eine Strecke von 13 Metern in die Werkstätte und verletze einen Kollegen dabei schwer am Auge, hafte er. Um eine betriebliche Tätigkeit handele es sich auch dann nicht, wenn für das Wuchtgewicht kein Auffangbehälter zur Verfügung gestanden habe und es im Betrieb üblich war, Wuchtgewicht deshalb zunächst auf den Boden zu werfen.
BAG
22.3.18, 8 AZR 779/16,
Abruf-Nr. 204363
Grundsätze der ArbN-Haftung
Die Grundsätze über die beschränkte ArbN-Haftung kommen nur bei einem betrieblich veranlassten Handeln des ArbN zur Anwendung. Das Erfordernis der betrieblichen Veranlassung stellt sicher, dass der ArbG nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des ArbN belastet wird.

AUSGABE: AA 4/2025, S. 63 · ID: 50359674

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte