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ComplianceDie Mitbestimmung bei der Einführung eines Personalfragebogens bei einem Konzern

Abo-Inhalt07.04.20256 Min. Lesedauer

| Der Gesamtbetriebsrat kann wegen offenkundiger Unzuständigkeit nicht gemäß § 100 ArbGG die Einsetzung einer Einigungsstelle hinsichtlich des Inhalts und der Nutzung eines Personalfragebogens durchsetzen, wenn der Fragebogen nach Konzernvorgaben unternehmensübergreifend eingeführt wird. In diesem Fall ist dem ArbG eine Regelung auf der Unternehmensebene subjektiv unmöglich. |

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über den Einsatz einer Einigungsstelle wegen eines Fragebogens zu Interessenkonflikten bei Compliance-Maßnahmen.

Der ArbG ist ein Unternehmen des Konzerns D Group. In einer Sparte wird weltweit eine „Conflict of interest global policy“ verfolgt. Allen Unternehmen des Teilkonzerns E, darunter auch der ArbG, wurde zwecks Umsetzung der Richtlinien von der Leitung des Teilkonzerns E vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen ArbN und Bewerber zur Ermittlung etwaiger Interessenkonflikte unter Beachtung welcher Verfahrensschritte wie zu befragen sind. Bestandteil der Anweisung waren ein in englischer Sprache verfasster Fragebogen sowie Vorgaben zu dessen Verwendung. Daher führte der ArbG nach Übersetzung des Fragebogens sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form ein „Vereinfachtes Formular zur Erklärung von Interessenkonflikten“ ein, ohne den Gesamtbetriebsrat beteiligt zu haben.

Der Gesamtbetriebsrat meint, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG zustehe. Er hat die Einigungsstelle angerufen. Der Personalfragebogen enthalte Fragen, die Aufschluss über die Person des ArbN gäben. Es müsse zwingend eine einheitliche inhaltliche Regelung getroffen werden, ab wann von einem Interessenkonflikt ausgegangen werden könne, und welche ArbN-Gruppen in die Gefahr von Interessenkonflikten gelangen könnten.

Das Arbeitsgericht Bonn wies die Anträge des Gesamtbetriebsrats zurück. Die Frage, ob ein Interessenkonflikt vorliegen könne und welche Fragen diesbezüglich an ArbN gestellt werden müssten, könne nur unternehmensübergreifend geregelt werden. Es seien alle Konzernbereiche von dem Problem eines Interessenkonflikts betroffen. Dies müsse im Konzern des ArbG weltweit möglichst übereinstimmend geregelt werden. Daher sei nicht der Gesamtbetriebsrat zuständig, sondern der Konzernbetriebsrat.

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln (28.1.25, 9 TaBV 89/24, Abruf-Nr. 246315) stellte fest, dass die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats unbegründet ist. Das Arbeitsgericht habe zu Recht die Einsetzung einer Einigungsstelle zum „Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung über den Inhalt und die Nutzung eines Fragebogens zur Erklärung von Interessenkonflikten“ abgelehnt.

Es bestehe kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die vom Fragebogen erfassten Sachverhalte und erbetenen Erklärungen seien keine das Ordnungsverhalten von ArbN betreffende Weisungen.

Soweit sich die Einführung und Nutzung des Fragebogens als Personalfragebogen im Sinne des § 94 Abs. 1 BetrVG darstellen solle, falle die Thematik offenkundig nicht in die Zuständigkeit des Gesamt-, sondern wäre mit dem Konzernbetriebsrat zu regeln. Dieser habe gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG Angelegenheiten zu behandeln, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen beträfen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden könnten. Zudem müsse für die zu regelnden Angelegenheiten ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung bestehen. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Inhalt und die Nutzung des Fragebogens beträfen mehrere konzernangehörige Unternehmen. Eine Regelung durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte sei unmöglich, da der Fragebogen nach Konzernvorgaben unternehmensübergreifend eingeführt werde und der Gesamtbetriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht aus § 94 BetrVG zur Einführung eines Personalfragebogens habe. Er könne die Einführung von Personalbögen nach § 92 Abs. 2 BetrVG lediglich vorschlagen.

Beschließe eine unternehmensübergeordnete Konzernstelle, wie hier HR Global, die unternehmensübergreifende Einführung und Nutzung eines Fragebogens, gebe sie damit zugleich die Ebene vor, auf der sie die Einführung und Nutzung des Fragebogens regeln wolle (BAG 9.11.21, 1 AZR 206/20). Dies bedeute, dass dem ArbG eine Regelung auf der Unternehmensebene unmöglich sei. Denn mit dem Begriff des „Nicht regeln könnens“ im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei nicht nur die objektive, sondern auch die subjektive Unmöglichkeit gemeint.

Letztere sei dann anzunehmen, wenn eine auf die einzelnen Unternehmen beschränkte Regelung deshalb nicht möglich sei, weil nicht der ArbG, sondern eine übergeordnete Konzernstelle den Regelungsgegenstand so vorgegeben habe, dass eine Regelung nur unternehmensübergreifend erfolgen könne. Demgemäß sei anerkannt, dass das Mitbestimmungsrecht bei einheitlichen Fragebögen für mehrere Konzernunternehmen dem Konzernbetriebsrat zustehe. Dass der ArbG den in englischer Sprache abgefassten Fragebogen für seine ArbN erst noch übersetzt habe, spiele insoweit keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass sein Inhalt und seine Nutzung durch den Konzern vorgegeben worden seien.

Relevanz für die Praxis

Über die sich aus § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergebende Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats hinaus ist für den aufseiten des Unternehmens tätigen Rechtsbeistand vor allem der Aufbau der Compliance-Anweisung in Form eines Personalfragebogens interessant. Da solche Compliance-Regelungen – unabhängig vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates – künftig immer größere Bedeutung erlangen, hier der (auszugsweise) Text des Personalfragebogens inklusive Einwilligungserklärung aus dem vorliegenden Fall. Er kann als Anregung dienen.

Der Fragebogen (Fragen können nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden)

Wenn Sie alle Fragen mit „Nein“ beantwortet haben, bestätigen Sie mit Ihrer Unterschrift, dass Sie keine Kenntnis von tatsächlichen oder potenziellen Interessenkonflikten haben.
  • 1. Sind Sie an einem Geschäft oder Unternehmen außerhalb von D, das in Wettbewerb mit D steht oder ein Auftragnehmer von D ist, teilweise oder vollständig beteiligt?
  • 2. Üben Sie derzeit eine andere Beschäftigung, ein Gewerbe oder eine Tätigkeit außerhalb von D aus, die in Wettbewerb mit D steht oder zu einem tatsächlichen oder möglichen Interessenkonflikt führen könnte?
  • 3. Haben Sie individuelle Mitgliedschaften und/oder Funktionen in einem Handels-/Berufsverbund – mit Ausnahme von Mitgliedschaften in einer Gewerkschaft oder politischen Partei –, die zu einem tatsächlichen oder möglichen Interessenkonflikt zwischen Ihnen und D führen könnte?
  • 4. Haben Sie oder einer Ihrer Verwandten oder engen Freunde, entweder direkt oder indirekt, irgendwelche vertraglichen Vereinbarungen mit D oder mit einem mit D verbundenen Unternehmen, die zu einem tatsächlichen oder möglichen Interessenkonflikt führen könnten?
  • 5. Haben Sie ein Familienmitglied, einen Ehepartner, Partner oder engen Freund, der derzeit bei D beschäftigt ist, mit denen Sie möglicherweise beruflich interagieren könnten?
  • 6. Abgesehen von den oben genannten Situationen, gibt es weitere tatsächliche oder mögliche Interessenkonflikte, die Sie angeben möchten?
Wenn Sie eine der Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, verwenden Sie bitte zusätzlich das Konzernformular „Erklärung zu möglichem oder bestehendem Interessenkonflikt“ – erhältlich bei der Personalabteilung – um die Details des erklärten tatsächlichen/möglichen Interessenkonflikts zu dokumentieren.

Die Erklärung

Ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von D werde ich mich während meines Arbeitsverhältnisses nicht an Aktivitäten, Investitionen (mit Ausnahme von börsennotierten Unternehmen auf einem Beteiligungsniveau, das nicht ausreicht, um meine geschäftlichen Entscheidungen oder Handlungen zu beeinflussen), Praktiken oder Verhaltensweisen beteiligen, die mit den Interessen von D in Konflikt stehen oder die die Beziehung von D mit seinen Kunden, Klienten oder Lieferanten beeinträchtigen. Zu solchen Praktiken zählen unter anderem: die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in Positionen die mit D konkurrieren oder die mit den Unternehmensinteressen in Konflikt stehen oder diese beeinträchtigen; die direkte oder indirekte Beteiligung an einem Verhalten, das gegenüber D geschäftsschädigend oder illoyal ist oder D schadet; und die Annahme von Zuwendungen, Vergütungen, Zahlungen, Darlehen oder anderen Vorteilen von Kunden oder potenziellen Kunden, Lieferanten oder Wettbewerbern von D, die einen solchen Wert haben, dass sie als Versuch ausgelegt werden könnten, mich bei der Erfüllung meiner allgemeinen Pflichten gegen die Interessen von D zu beeinflussen. Ich stimme zu, dass ich nicht als Lieferant von Waren oder Dienstleistungen an D tätig sein werde. Sollte ich während meiner Beschäftigung in die Auswahl oder Genehmigung von Produkten, Dienstleistungen oder Bezugsquellen involviert werden oder ich eine Aufsichtsverantwortung für Mitarbeiter habe, die in eine solche Auswahl oder Genehmigung involviert sind, erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich ohne Zustimmung von D weder direkt noch indirekt an der Entscheidung mitwirke, die ein Unternehmen betrifft, an dem ich ein finanzielles oder persönlichen Interesse habe (dies schließt Verwandte, enge Freunde usw. ein, ist aber nicht darauf beschränkt). Wenn ich glaube, dass eine Aktivität oder Situation zu einem möglichen Interessenkonflikt führen könnte, werde ich meinen direkten Vorgesetzten und die Personalabteilung schriftlich darüber informieren und eine schriftliche Erlaubnis einholen, bevor ich mich an der Aktivität beteilige, oder mich aus dem Verfahren zurückziehen.
Einverstanden und Bestätigt
Verhaltenskodex
Bitte lesen Sie den anliegenden Verhaltenskodex aufmerksam durch.
Hiermit bestätige ich, dass ich das Formular zur Erklärung von Interessenkonflikten wahrheitsgemäß bearbeitet, sowie die neueste Version des D-Verhaltenskodex erhalten, gelesen und verstanden habe.
______________________________________
Ort, Datum, Unterschrift Mitarbeiter

AUSGABE: AA 4/2025, S. 67 · ID: 50359679

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