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SchriftformerfordernisAbmahnungen wegen fehlender Urlaubsplanung

Abo-Inhalt27.04.20224983 Min. LesedauerVon Einsender der Entscheidung: RA Jochen Link, Rechtsanwälte Brugger & Schießle, Villingen-Schwenningen

| Der ArbG hat keinen durchsetzbaren Anspruch auf Abgabe der Jahresurlaubsplanung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Jahresbeginn. Eine hierauf gestützte Abmahnung ist unwirksam. Der ArbG ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Schriftform einer Kündigung nach § 623 BGB eingehalten wurde und eine Originalunterschrift vorliegt. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten unter anderem um die Rechtmäßigkeit von zwei Abmahnungen vom 18.2.21 und 19.2.21 sowie um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 30.3.21 sowie einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 7.4.21.

Der 50-jährige ArbN ist seit dem 1.9.18 als Mitarbeiter im Bereich Vormontage mit einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn in Höhe von 3.200 EUR beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelt unter § 5 Kurzarbeit, dass der ArbN sich bereit erklärt, auf Anordnung des ArbG vorübergehend Kurzarbeit zu leisten, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III vorliegen und der Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit nach § 99 SGB III angezeigt ist. Der ArbN befand sich vom 16.11.20 bis einschließlich 14.2.21 in Kurzarbeit Null.

Mit Schreiben vom 18.2.21 wurde der ArbN abgemahnt. Ihm wird vorgeworfen, trotz Aufforderung vom 29.1.21 und Fristsetzung bis 12.2.21 und 15.2.21 seine Urlaubsplanung für das Jahr 2021 dem ArbG nicht mitgeteilt zu haben. Mit weiterer Abmahnung vom 19.2.21 wird ihm vorgeworfen, sich am 17.2.21 geweigert zu haben, die „Dokumentation der täglichen Arbeitszeit bei Kurzarbeitergeld“ für Januar und Februar 2021 zu unterzeichnen, obwohl ihm der Inhalt der Dokumente erläutert und er darauf hingewiesen worden sei, dass diese – unterschrieben von ArbN und ArbG – bei der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung des Kurzarbeitergeldes eingereicht werden müssen.

Der ArbG hat mit Schreiben vom 30.3.21 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.21 ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben ist unterzeichnet von „Jeff Z.“. Eine schriftliche Vollmacht für Herrn Jeff Z. lag dem Kündigungsschreiben nicht bei. Der ArbN wies die Kündigung mit Schreiben vom 1.4.21 nach § 174 S. 1 BGB zurück. Der ArbN hält die Kündigung vom 30.3.21 und eine weitere fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung vom 7.4.21 für unwirksam. Er trägt in Bezug auf die Kündigung vom 30.3.21 im Wesentlichen vor, dass er auch Abklebearbeiten übernommen habe, sowie im Einsatz gewesen sei, wenn es darum gegangen sei, Teile zu lackieren und mit Sandstrahl zu behandeln. Die Sozialauswahl sei daher fehlerhaft. Als Mechaniker und Monteur sei er nicht nur geeignet, in der Vormontage eingesetzt zu werden. Aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen könne er auch in der Endmontage arbeiten.

Hinsichtlich der Kündigung vom 7.4.21 rügt der ArbN unter anderem die Schriftform. Beim Überprüfen der Originalkündigung sei aufgefallen, dass es sich bei der Unterschrift des Geschäftsführers Anthony M. nicht um eine Originalunterschrift handele. Das komplette, aus zwei Seiten bestehende Schreiben sehe aus wie ein guter Ausdruck eines gescannten Schreibens. Er habe im Februar noch nicht gewusst, wann er Urlaub nehmen wollte. Es könne ihm nicht vorgeschrieben werden, seinen privaten Urlaub schon im Februar zu planen.

Bezüglich der Abmahnung vom 19.2.21 habe er sich nicht geweigert, die zur Vorlage bei der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung des Kurzarbeitergelds erforderliche „Dokumentation der täglichen Arbeitszeit“ zu unterzeichnen. Er habe sich aber geweigert, diese Dokumentation ungesehen und damit quasi ins Blaue hinein zu unterschreiben.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen (7.10.21, 1 Ca 163/21, Abruf-Nr. 228743) entschied, dass die Abmahnung vom 18.2.21 entfernt werden müsse. Soweit dem ArbN in dieser Abmahnung vorgeworfen werde, trotz Aufforderung vom 29.1.21 und Fristsetzung bis 12.2.21 und 15.2.21 seine Urlaubsplanung für das Jahr 2021 dem ArbG nicht mitgeteilt zu haben, verletze er damit keine Pflicht gegenüber dem ArbG.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 BurlG müssten die Urlaubswünsche des ArbN berücksichtigt werden, wenn der Urlaub zeitlich festgelegt werde. Eine Ausnahme gelte nur, wenn die Wünsche nicht berücksichtigt werden könnten, weil dringende betriebliche Belange oder unter sozialen Gesichtspunkten vorrangigere Urlaubswünsche anderer ArbN entgegenstünden. Das Gesetz sehe auch nicht vor, dass Urlaubspläne aufgestellt werden müssen oder ein Antrag erforderlich sei. Es spreche vom Urlaubswunsch des ArbN, den der ArbG bei der Erteilung zu berücksichtigen habe.

Da der zu berücksichtigende Urlaubswunsch des ArbN nicht zu einem festgelegten Zeitpunkt vorhanden sein müsse, seien abstrakte Regelungen zur Festlegung des Urlaubszeitpunkts, die mit § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG konform gehen, schwierig aufzustellen. Es sei fraglich, ob allgemeine starre (zeitliche) Regelungen für die Mitteilung des Wunsches und die Festlegung des Urlaubszeitpunkts möglich, oder ob die Anforderungen des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG nur mit einer individualisierten Handhabung erfüllbar seien. Eine entsprechende Mitteilungspflicht sehe der Arbeitsvertrag im Übrigen nicht vor. Vielmehr lege nach § 7 Abs. 3 des Arbeitsvertrags der ArbG den Urlaub fest und berücksichtige dabei die Wünsche des ArbN. Der Vorwurf des ArbG, der ArbN habe trotz Aufforderung und Fristsetzung seine Urlaubsplanung für das Jahr 2021 nicht mitgeteilt, sei keine erzwingbare Mitwirkungspflicht und somit auch keine Pflichtverletzung. Daher sei die Abmahnung vom 18.2.21 unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.

Der ArbN habe auch einen Anspruch darauf, dass die Abmahnung vom 19.2.21 aus seiner Personalakte entfernt werde. Ihm werde vorgeworfen, sich am 17.2.21 geweigert zu haben, die „Dokumentation der täglichen Arbeitszeit bei Kurzarbeitergeld“ für Januar und Februar 2021 zu unterzeichnen, obwohl ihm der Inhalt der Dokumente erläutert und er darauf hingewiesen worden sei, dass diese – unterschrieben von ArbN und ArbG – bei der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung des Kurzarbeitergelds eingereicht werden müssten.

Der ArbG sei der Einlassung nicht entgegengetreten, er habe nicht die Unterzeichnung verweigert, sondern sich nur geweigert, die Dokumentation ungesehen und damit quasi ins Blaue hinein zu unterschreiben und er die Dokumentation erst habe prüfen wollen. Es müsse dem ArbN auch bei Kurzarbeit Null gestattet sein, die Dokumentation zu prüfen. Das gelte auch, wenn sich der Prüfaufwand in Grenzen halten dürfte, bevor die Dokumentation unterzeichnet und damit die Richtigkeit und Vollständigkeit (mit-) bestätigt werde. Daher sei auch die Abmahnung vom 19.2.21 unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.

Die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 7.4.21 erweise sich als nichtig. Der ArbG habe nicht nachgewiesen, dass er die Schriftform des § 623 BGB eingehalten habe. Dies lasse sich bei einer haptischen Inaugenscheinnahme der Originalkündigung durch die Kammer nicht zweifelsfrei feststellen. Es bestätige sich vielmehr der Eindruck des ArbN, dass hier überhaupt keine Kraft auf das Papier eingewirkt habe, die Unterschrift vielmehr unter der Oberfläche liege und lediglich gedruckt erscheine.

Der Vortrag des ArbG besage nur, dass eine Mitarbeiterin überprüft habe, dass das Kündigungsschreiben die Originalunterschrift von Herrn Anthony M. enthalte. Ob es sich hierbei um z. B. eine eingescannte Unterschrift oder die eigenhändige Unterschrift handele, sei nicht überprüft worden. Ein Beweismittel für die Eigenhändigkeit der Unterschrift sei seitens des ArbG nicht angeboten worden. Er sei insoweit beweisfällig geblieben.

Die ordentliche Kündigung vom 30.3.21 habe das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Es sei für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie sich die angebliche unternehmerische Entscheidung auf den Arbeitskräftebedarf in der Abteilung des ArbN in der Vormontage ausgewirkt habe. In der Abteilung Vormontage werde neben dem ArbN noch ein anderer ArbN beschäftigt. Dieser solle die Tätigkeiten, die zuvor der ArbN ausgeübt hat, nun allein wahrnehmen. Der ArbG habe nicht ausgeführt, wie sich der Arbeitskräftebedarf in Relation zur Arbeitsmenge vor und nach der unternehmerischen Entscheidung darstelle. Die Kündigung sei somit nicht sozial gerechtfertigt und beende das Arbeitsverhältnis nicht.

Relevanz für die Praxis

Derjenige, der sich auf die Einhaltung der Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB beruft – im Kündigungsschutzprozess regelmäßig der ArbG – muss deren Einhaltung bei Bestreiten auch darlegen und beweisen. In der Regel geschieht dies oft, indem ein graphologisches Sachverständigengutachten eingeholt wird. Eine Zeugenaussage bezüglich einer „Originalunterschrift“ hilft hier nach dieser Entscheidung nicht weiter.

AUSGABE: AA 5/2022, S. 77 · ID: 48209890

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