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HaftungsrechtKein Schadenersatz nach Abplatzungen bei verblockter Zirkonbrücke

Abo-Inhalt03.09.2025119 Min. LesedauerVon Anja Mehling, RAin und FAin für MedR, Hamburg

| Abplatzungen am Zahnersatz, an Kronen, Brücken oder Verblendungen, kommen nicht selten vor. Die Ursachen sind mannigfaltig: äußere Einflüsse, Fehlstellungen, mangelhafte Abstützung, Materialermüdung, Materialfehler usw. Rasch steht der Vorwurf eines Behandlungsfehlers im Raum. Gleiches gilt für eine Verblockung des Zahnersatzes, insbesondere, wenn dieser Beschwerden verursacht. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat sich mit einem solchen Fall und dabei mit Fragen zur rechtlichen Einordnung des Behandlungsvertrags, zum zahnmedizinischen Standard und Unterschied zwischen Mangel und Behandlungsfehler, zur Kündigung des Behandlungsvertrags und der Pflicht zur (kostenfreien) Nachbesserung befasst. Die Entscheidung zeigt vor allem auf, dass die Beurteilung, ob eine Behandlung standardgerecht durchgeführt worden ist, individuell zu erfolgen hat. Entscheidend sind die spezifischen (Patienten-)Umstände, pauschale Wertungen sind nicht weiterführend (Urteil vom 28.05.2025, Az. 5 U 109/24). |

Sachverhalt und Ausgangslage

Gegenstand war eine umfassende prothetische Sanierung beider Kiefer einer Patientin. Im Oberkiefer wurde nach Insertion von 8 Implantaten eine vollständig verblockte Zirkon-Brücke von regio 17 bis 26 mit fünf Brückengliedern (17, 13, 12, 22, 26) eingesetzt. Im Unterkiefer erhielt die Patientin eine Brücke von regio 44 bis 48 unter Nutzung des wurzelbehandelten Zahnes 44 als Pfeiler. Im weiteren Verlauf kam es zu wiederholten Abplatzungen an der Prothetik, Funktionsproblemen und Lockerungen der Brücke im Unterkiefer, was zu Differenzen zwischen der Patientin und dem Zahnarzt führte. Der Zahnarzt brach die Behandlung ab. Von dem zuvor gezahlten Honorar in Höhe von rd. 31.000 Euro erstattete er der Patientin einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro. Die Patientin setzte ihre Behandlung bei einem anderen Zahnarzt fort. Sie erhob Klage gegen den Zahnarzt und behauptete Behandlungsfehler, insbesondere wegen der Gestaltung und Verblockung des Zahnersatzes im Oberkiefer und der fehlerhaften Versorgung des Unterkiefers unter Einbezug des wurzelbehandelten Zahnes 44 als Pfeiler. Der Zahnarzt sei verpflichtet gewesen, die abgeplatzte Keramik auf seine Kosten nachzubessern.

Das erstinstanzliche Landgericht (LG) Aachen hatte die Klage der Patientin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen vermeintlicher Behandlungsfehler abgewiesen. Das OLG bestätigte diese Entscheidung.

Verblockung des Zahnersatzes im Oberkiefer

Die Verblockung im Oberkiefer diente nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bei einem parodontal geschädigten Gebiss der besseren Verteilung der bei Kaubelastung auftretenden Kräfte. Reinigung und Hygiene können dadurch erschwert sein. Existierten aber keine sinnvolle Alternative und mögliche Trennstellen, die die Verwendung einzelner verblockter Brücken ermöglicht hätten, ist die – indizierte – Verblockung nicht zu beanstanden. Ob eine Verblockung nach zahnmedizinischem Standard zulässig ist oder nicht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Das OLG hielt deshalb andere Urteile, die eine nicht standardgerechte Verblockung feststellen würden, nicht für relevant.

Kein Fehler bei der Materialauswahl

Auch die Entscheidung für die Fertigung des Zahnersatzes aus Zirkon bewertete das Gericht dem Sachverständigen folgend unter Abwägung der Vor- und Nachteile als sachgerecht. Zwar begründet dies wegen der Sprödigkeit des Materials ein erhöhtes Risiko von Abplatzungen v. a. bei Verblendungen und kann Einfluss auf die Reparaturmöglichkeiten bis zur Neuanfertigung der Prothetik haben. Vorteile in Ästhetik und Festigkeit rechtfertigen den Einsatz aber trotz des Reparaturrisikos.

Keine Pflichtverletzung bei Einbindung des wurzelbehandelten Zahnes 44 als Pfeiler

Das OLG sah auch keinen Fehler darin, den wurzelgefüllten Zahn 44 als Pfeilerzahn einzubeziehen. Das wäre nach den sachverständigen Feststellungen nur dann der Fall gewesen, wenn der Zahn gelockert gewesen wäre. Eine – von der Patientin behauptete initiale – Lockerung konnte nach Beweisaufnahme jedoch nicht festgestellt werden. Eine solche wurde weder dokumentiert noch vom Sachverständigen retrospektiv bestätigt. Die von ihm später festgestellte Lockerung ließ keine Rückschlüsse auf den Behandlungszeitpunkt zu und sich durch den bei der Patientin bestehenden Bruxismus erklären.

Ursachen für Abplatzungen nicht dem Zahnarzt zurechenbar

Aus den Ausführungen des Sachverständigen schloss das Gericht, dass mögliche Ursachen für die Abplatzungen an den Kronen im Oberkiefer der Gebrauch, die anatomischen Verhältnisse, insbesondere die Bisssituation und die vorgegebenen Platzverhältnisse, der bestehende Bruxismus, die Anforderungen bei einer grazilen prothetischen Versorgung und die Materialeigenschaften der verwendeten Keramik (Sprödigkeit) waren. Dabei – so das OLG – handelt es sich um Umstände aus der Patientensphäre oder um Folgen zulässiger zahnmedizinisch-ästhetischer Gestaltungen. Insoweit verneinte das Gericht Abweichungen von den anerkannten Regeln der (Zahn-)Technik, mithin Behandlungs- oder zahntechnische Verarbeitungsfehler.

Kein Schmerzensgeld- oder Schadenersatzanspruch bei bloßem Mangel

Zu Recht betont das OLG, dass selbst Mängel keine Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche begründen würden. Voraussetzung wären eine schuldhafte Pflichtverletzung, hier in Form eines Behandlungsfehlers, und eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit. Ein bloßer Mangel im werkvertraglichen Sinne reicht nicht aus. Eine fehlerbedingte, relevante Körper- oder Gesundheitsschädigung liegt bei (mangelhaften) Abplatzungen unterschiedlicher Herkunft nicht vor, sodass ein Schmerzensgeld nicht gerechtfertigt war.

Beiderseitiges Recht auf Kündigung

Der Behandlungsvertrag kann grundsätzlich von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt. Kündigt der Zahnarzt, kommt ein Schadenersatzanspruch des Patienten nur dann in Betracht, wenn eine Kündigung zur „Unzeit“ vorliegt, d. h., sich der Patient benötigte und vergleichbare Dienstleistungen nicht auf zumutbare Weise anderweitig beschaffen kann, weil der kündigende Behandler in fachlicher Hinsicht eine „Monopolstellung“ einnimmt (vgl. Kammergericht Berlin, Urteil vom 04.06.2009, Az. 20 U 49/07; Details in ZP 03/2010, Seite 1 sowie OLG Köln, Urteil vom 28.11.2018, Az. 5 U 65/16). Das war hier nicht der Fall.

Das OLG hielt fest, dass der Zahnarzt den Behandlungsvertrag fristlos kündigen durfte. Für eine Kündigung zur Unzeit, dafür, dass die Patientin keinen sie nachbehandelnden Zahnarzt finden konnte und gefunden hat, war nach den gerichtlichen Feststellungen weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

Kein Anspruch auf kostenfreie Nachbesserung

Vor diesem Hintergrund lehnte das OLG auch eine Verletzung der Pflicht des Zahnarztes zu einer unentgeltlichen Nachbesserung ab. Es verwies insoweit darauf, dass der Behandlungsvertrag ein Dienstvertrag ist, der nach der gesetzlichen Regelung keinen Nachbesserungsanspruch und keine Nachbesserungsverpflichtung begründet. Mangels Behandlungs- und zahntechnischer Verarbeitungsfehler ergab sich kein Anspruch der Patientin auf eine Naturalrestitution durch Nachbesserung.

Tipps für die Zahnarztpraxis

Verblockungen sind fachlich vertretbar, müssen aber individuell indiziert sein. Umstände und darauf begründete Entscheidungen sind nachvollziehbar zu dokumentieren (parodontaler Status, Implantatpositionen, Hygienekonzept). Bei Auswahl des Materials für den Zahnersatz sind Vor- und Nachteile abzuwägen und mit dem Patienten zu besprechen.

Auch ordnungsgemäß wurzelkanalbehandelte Zähne sind regelhaft als Kronen- oder Brückenpfeiler geeignet. Die Einschätzung der sog. Pfeilerwertigkeit (Zustand, Belastbarkeit, Lockerung etc.) ist sorgfältig vorzunehmen und festzuhalten.

Gibt es Anhaltspunkte für Funktionsstörungen wie Bruxismus, sind vor Versorgung eine Funktionsanalyse und ggf. physikalische Therapien, Schienentherapien etc. durchzuführen. Die BZÄK hält zum Thema „Bruxismus als Risikofaktor einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD)“ eine aktualisierte Stellungnahme bereit (online unter Shortlink iww.de/s14333).

AUSGABE: ZP 9/2025, S. 3 · ID: 50509377

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