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ArbeitsrechtSchwangerschaftsattest vor Abschluss des Arbeitsvertrags datiert – ist der Arbeitsvertrag wirksam?

Abo-Inhalt15.10.20243016 Min. LesedauerVon RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

| Frage: „Zur Besetzung einer offenen Stelle habe ich mich für eine Bewerberin entschieden und ihr einen unterzeichneten Arbeitsvertrag zugeschickt. Arbeitsbeginn sollte der 01.10. sein. Am 05.08. habe ich den durch die Bewerberin unterzeichneten Vertrag erhalten. Kurz darauf bekam ich von ihr ein weiteres Schreiben mit dem Hinweis, dass sie schwanger sei. Das Attest der Gynäkologin datiert vom 29.07. Ist der Arbeitsvertrag überhaupt wirksam?“ |

Antwort: Vorweg ist hier anzumerken, dass das Arbeitsverhältnis wirksam begründet wurde. Dadurch, dass Sie hier einen unterzeichneten Arbeitsvertrag der Bewerberin übersandten, lag ein „Angebot“ zum Abschluss dieses Arbeitsvertrages vor, welches durch die Bewerberin angenommen wurde. Eine Anfechtung dieses Vertrags ist nicht möglich, da keine Anfechtungsgründe vorliegen; Sie wurden als Arbeitgeber weder getäuscht noch unterlagen Sie einem Irrtum. Die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung ist wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. In aller Regel besteht auch keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin. Dies gilt selbst dann, wenn sie befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.10.2012, Az. 6 Sa 641/12).

Da nach § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ein Kündigungsschutz besteht, wäre eine Kündigung des Arbeitsvertrags nur möglich, wenn diese nach § 17 Abs. 2 MuSchG für zulässig erklärt wird; hierfür ist es jedoch erforderlich, dass besondere Gründe vorliegen, welche eine Kündigung rechtfertigen würden. Die Kündigung nach § 17 Abs. 2 MuSchG ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn über das Vorliegen eines (schwerwiegenden) Pflichtverstoßes im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Belange des Arbeitnehmers, die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig eingestuft sind, ausnahmsweise zurücktreten lassen (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.10.2021, Az. 12 A 3342/20). Die Hürden sind hier sehr hoch, sodass in der Praxis eine Kündigung einer Schwangeren nur schwer umsetzbar ist. Dieses Kündigungsverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin nach § 17 MuSchG gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.02.2020, Az. 2 AZR 498/19; iww.de/zp > Abruf-Nr. 46625293). Damit war auch der Zeitpunkt der Bescheinigung der Schwangerschaft hier nicht relevant.

Fazit | Sie haben hier als Arbeitgeber keine rechtlichen Mittel zur Hand, da das Arbeitsverhältnis wirksam begründet wurde. Die Arbeitnehmerin wird ihre Tätigkeit aufnehmen können und darf hinsichtlich ihrer Schwangerschaft auch nicht benachteiligt werden.

AUSGABE: ZP 11/2024, S. 12 · ID: 50197613

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