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Best PracticeDie Aufnahme von Kindern in die Praxis

Abo-Inhalt07.08.2024154 Min. LesedauerVon StB, vBP Prof. Dr. Johannes G. Bischoff und StBin, Dipl.-Finanzwirtin Kerstin Löbe, Köln

| Viele Praxisinhaber haben den Wunsch, ihr berufliches Lebenswerk in gute Hände zu übergeben. Tritt ein Kind in die Fußstapfen des praxisbetreibenden Elternteils, kann diesem ein vergleichsweise unkomplizierter Einstieg in die Selbstständigkeit ermöglicht werden. Den Beteiligten stehen aus steuerlicher Sicht Gestaltungsmöglichkeiten offen, die so unter fremden Dritten nicht denkbar sind. In dieser Konstellation kann sich die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft (kurz: BAG), also die Aufnahme des Praxisnachfolgers (Tochter/Sohn) in die bestehende Einzelpraxis – zumindest für einen Übergangszeitraum – anbieten. |

Fließt Geld oder fließt kein bzw. wenig Geld?

Die steuerlichen Folgen der Aufnahme von Nachfolgenden in die Einzelpraxis hängen zunächst von der Art der Übertragung ab: Wird ein Kaufpreis wie unter fremden Dritten vereinbart (entgeltliche Übergabe) oder kommt es zu einer unentgeltlichen Übergabe des Praxisanteils?

Entgeltliche Übertragung

Vermögensübertragungen zwischen nahen Angehörigen können wie zwischen fremden Dritten – und damit voll entgeltlich – abgewickelt werden (zu den Folgen lesen Sie den Beitrag „Gründung einer BAG durch Aufnahme von Partnern in eine Einzelpraxis“ in ZP 03/2024, Seite 9). Dies ist aber im Regelfall nicht gewollt. Der Praxisinhabende ist zumeist daran interessiert, keine (erheblichen) steuerlichen Belastungen entstehen zu lassen. Daneben soll das Kind möglichst nicht mit hohen Krediten oder anderen finanziellen Verpflichtungen belastet werden.

Unentgeltliche Übertragung

Ohne Vereinbarung eines Entgelts kann bei Vermögensübergaben von Eltern auf Kinder davon ausgegangen werden, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgt. Die unentgeltliche Aufnahme eines Kindes in die Einzelpraxis belastet den bisherigen Praxisinhaber steuerlich nicht, da in der Regel das ertragsteuerliche Buchwertprivileg (§ 6 Abs. 3 Einkommensteuergesetz [EStG]) Anwendung findet. Dieses Buchwertprivileg erfasst die unentgeltliche Übertragung einer betrieblichen Sachgesamtheit (z. B. Einzelpraxis) auf ein anderes Steuerrechtssubjekt (z. B. die Tochter oder den Sohn). Auch die Aufnahme eines Kindes in eine bestehende Einzelpraxis ist begünstigt. Die Einbringung der Praxis in eine BAG mit dem Kind wird dann zum Buchwert durchgeführt, weshalb keine Steuern anfallen.

Merke | Bei der Buchwertfortführung bleibt es auch dann, wenn der bisherige Praxisinhaber Wirtschaftsgüter nicht als gemeinschaftliches Eigentum auf die BAG überträgt, sondern innerhalb der neuen BAG als sein Sonderbetriebsvermögen ausweist. Regelmäßig ist dies für persönlich genutzte Gegenstände gewollt, z. B. den betrieblich genutzten Pkw oder auch in der Praxis befindliche Kunstgegenstände. Aber auch der Rückbehalt der eigenen Praxisimmobilie ist – insbesondere aus Altersvorsorgegründen – häufig gewünscht. Auch dies ist unproblematisch, da die Immobilie in das Sonderbetriebsvermögen zu übernehmen ist.

Buchwertfortführung

Weil der Staat sinnvolle Zusammenarbeit nicht im Keim ersticken will, gibt es im Steuerrecht für Einbringungsfälle die sogenannte Buchwertfortführung. Ihre Praxis kann demnach bei der Einbringung in eine BAG eins zu eins mit allen bisherigen steuerlichen Werten fortgeführt werden.

Ein unentgeltlicher Vorgang liegt auch vor, wenn das zu übernehmende Kapitalkonto der Praxis negativ ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob das negative Kapitalkonto des bisherigen Praxisinhabers durch Verluste oder durch Entnahmen entstanden ist. Zudem begründen die zu übernehmenden betrieblichen Verbindlichkeiten keine Gegenleistung des Kindes. Sie stehen somit der Unentgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs nicht entgegen. Denn der Übertragungsgegenstand „Praxisanteil“ umfasst die dazugehörenden Verbindlichkeiten.

Schenkungsteuerliche Vorteile

Auch schenkungsteuerlich ist die unentgeltliche Übertragung des Praxisanteils regelmäßig steuerlich begünstigt. So kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung von 85 Prozent des Wertes des Betriebsvermögens in Anspruch genommen werden. Von dem danach verbleibenden Restbetrag wird sodann noch ein Abzugsbetrag von max. 150.000 Euro gewährt. Unter weiteren (strengeren) Voraussetzungen kann die Steuerbefreiung sogar 100 Prozent betragen.

Allerdings können bestimmte Vermögensbestandteile im Betriebsvermögen der Praxis (das sog. Verwaltungsvermögen) steuerpflichtig sein, auch wenn die Steuerbegünstigung als solche Anwendung findet.

Praxistipp | Eine Prüfung der Zusammensetzung des Praxisvermögens und eine individuelle Beratung mit ausreichend zeitlichem Abstand vor der Aufnahme des Kindes in die Praxis kann sich lohnen! Häufig ist es notwendig, das betriebliche Vermögen im Vorfeld der Schenkung aus schenkungsteuerlichen Gründen zu optimieren. Ziel ist es dabei, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der maximalen Steuerbefreiung im Zeitpunkt der Übertragung zu erwirken.

Teilentgeltliche Übertragung

Auch eine verbilligte Übertragung eines Praxisanteils ist möglich und kann unter Umständen steuergünstig gestaltet werden. Eine sog. Teilentgeltlichkeit liegt vor, wenn zwar ein Entgelt geleistet wird, dieses aber nicht dem tatsächlichen Wert (Verkehrswert) des Praxisanteils entspricht („gemischte Schenkung“).

Um eine (teilweise) entgeltliche Vermögensübertragung handelt es sich, wenn bei einer Übertragung zu Lebzeiten

  • zwischen dem Schenker und dem Übernehmer ein Entgelt vereinbart wird,
  • der Übernehmer ein Gleichstellungsgeld (z. B. an Geschwister) oder eine Abstandszahlung zu leisten hat,
  • eine private Verbindlichkeit des Schenkers übernommen wird.

Maßgeblich für die ertragsteuerliche Abgrenzung der teilentgeltlichen zur unentgeltlichen Übertragung ist, ob das Entgelt das Kapitalkonto des Übergebers übersteigt.

Merke | Bei einem negativen Kapitalkonto gilt dies nur dann, wenn neben der Übernahme des negativen Kapitalkontos keine weitere Gegenleistung gewährt wird. Wird hingegen ein zusätzliches Entgelt vereinbart, handelt es sich stets um eine entgeltliche Übertragung. Das Buchwertprivileg ist in diesem Fall nicht anwendbar: Vielmehr erzielt der Übergeber ein Veräußerungsentgelt in Höhe der ihm zusätzlich gewährten Leistungen zzgl. des übertragenen negativen Kapitalkontos. Das übernehmende Kind hat Anschaffungskosten in entsprechender Höhe.

Kapitalkonto

In der Finanzbuchhaltung zeigt das Kapitalkonto das Eigenkapital des Gesellschafters bzw. des Praxisinhaber. Es ist auch bei Einnahmen-Überschuss-Rechnungen zu führen.

Beispiel: Kapitalkonto eines Gesellschafters einer BAG

Kapitalkonto zum 01.01.2024

55 T€

+ Einlagen in 2024

(z. B. Überweisungen vom Konto des Gesellschafters auf das Konto der BAG)

+ 5 T€

+ Anteiliger Gewinn des Gesellschafters für 2024

+ 200 T€

./. Entnahmen in 2024

(z. B. Überweisungen vom Konto der BAG auf das Konto des Gesellschafters)

./. 210 T€

Kapitalkonto zum 31.12.2024

50 T€

Fazit | Bei der Übertragung eines Praxisanteils an den Sohn oder die Tochter sind vielfältige steuerliche Gestaltungen möglich. Wichtig sind eine sorgfältige, individuelle Planung und ein ausreichender zeitlicher Vorlauf. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die Einkommensteuer und die Schenkungsteuer zu beachten, sondern unter Umständen auch das Erbrecht. Deshalb sollten in diesem Bereich Übertragungen nur nach ausführlicher versierter steuerrechtlicher und rechtlicher Beratung erfolgen.

  • Bleibt das vereinbarte Entgelt unterhalb des Bestands des steuerlichen Kapitalkontos, liegt insgesamt ein unentgeltlicher Vorgang vor, der die Buchwertfortführung zur Folge hat. Beim Übergeber entsteht kein Veräußerungsverlust, das Kind ist an die Buchwerte gebunden.
  • Überschreitet die Gegenleistung das Kapitalkonto, liegt ein entgeltlicher Vorgang vor. Durch die Gestaltung einer solchen Entgeltlichkeit kann über die (nur) teilweise Aufdeckung der stillen Reserven für das erwerbende Kind gezielt neues Abschreibungsvolumen geschaffen werden. Beim Übergeber entsteht insoweit jedoch ein Veräußerungsgewinn, der zudem nicht steuerbegünstigt, sondern als „normaler“ Gewinn zu versteuern ist.

AUSGABE: ZP 8/2024, S. 10 · ID: 50077555

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