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Umsatzsteuer„Zusatzprovision“ für Mitarbeiter und Werbung umsatzsteuerfrei oder doch steuerpflichtig?

Abo-Inhalt03.03.20222934 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Als Versicherungsvertreter erhalten Sie Ihre Provision vom Versicherer. Daneben werden Ihnen häufig Zusatzleistungen gewährt, z. B. für Mitarbeiter und Werbung, als Büro-/Organisationsbonus bzw. in Form einer Förderprovision. Fraglich ist, wie diese Zahlungen in umsatzsteuerlicher Hinsicht einzuordnen sind. Sind sie als echter Zuschuss nicht steuerbar oder handelt es sich um eine steuerbare Leistung, die steuerfrei oder -pflichtig sein kann? VVP zeigt anhand neuester Rechtsprechung, was für Vertreter gilt. |

Steuerfreie Umsätze eines Versicherungsvertreters

Unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG fallen die Umsätze „aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter“. Steuerfrei sind also die Vermittlung von Versicherungen sowie die damit in Zusammenhang stehenden Nebentätigkeiten (Betreuung der Kunden, Bestandspflege, Schadenabwicklung etc.). Werden daneben jedoch andere Leistungen erbracht, die nicht „aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter“ stammen, so sind diese nicht steuerfrei. Diese „Zusatzleistungen“ können damit der Umsatzsteuer unterliegen.

Beispiel

Versicherungsvertreter V hat im Jahr 2021 neben den Provisionen des Ver- sicherers von 120.000 Euro zwei Immobilien vermittelt und dafür eine Provision von insgesamt 10.000 Euro erhalten. Zudem betreibt er auf dem Dach seines Versicherungsbüros eine Photovoltaikanlage. Für den vollständig ins Stromnetz eingespeisten Strom erhielt er eine Vergütung in Höhe von 2.500 Euro.

Lösung: Die Provisionen des Versicherers sind bei V nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei. Die Umsätze aus der Vermittlung der Immobilien und dem Betrieb der PV-Anlage resultieren jedoch nicht aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter. Diese Umsätze unterliegen der Umsatzsteuer zum regulären Steuersatz von 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG). Die Umsatzsteuer beträgt 1.995 Euro (10.000 + 2.500 = 12.500 : 119 x 19). Im Gegenzug kann V Vorsteuern für Aufwendungen geltend machen, die ihm im Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen entstanden sind (z. B. für die Installation der Photovoltaikanlage).

Praxistipp | Möchte V die Umsatzsteuerpflicht umgehen, kann er die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG anwenden. Das geht aber nur, solange die steuerpflichtigen Umsätze im Kalenderjahr nicht mehr als 22.000 Euro betragen. Bei Anwendung der Kleinunternehmerregelung darf V auf seinen Rechnungen (Provision) bzw. Gutschriften (Einspeisevergütung) keine Umsatzsteuer ausweisen, sondern muss auf die Kleinunternehmerregelung hinweisen. Andernfalls schuldet er die Umsatzsteuer dennoch nach § 14c UStG. Bei Anwendung der Kleinunternehmerregelung steht ihm im Gegenzug gemäß § 19 Abs. 1 S. 4 UStG kein Vorsteuerabzug zu.

Unterscheidung in „echte“ und „unechte“ Zuschüsse

Erhalten Sie vom Versicherer neben den steuerfreien Provisionen noch Kostenzuschüsse, etwa für Mitarbeiter, das angemietete Büro oder für Werbung, muss unterschieden werden: Es kann sich sowohl um „echte“ als auch „unechte“ Zuschüsse handeln. Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen sind dabei vollkommen unterschiedlich.

Echte Zuschüsse

Echte Zuschüsse liegen vor, wenn die Zahlungen des Versicherers nicht aufgrund eines Leistungsaustauschverhältnisses erbracht werden. Das ist der Fall, wenn die Zahlungen des Versicherers nicht an bestimmte Umsätze des Vertreters anknüpfen, sondern unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt werden (Abschnitt 10.2 Abs. 7 UStAE). Es handelt sich typischerweise also um Zahlungen, durch die eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Vertreters gefördert werden soll. Der Vorteil für den Vertreter: Diese echten Zuschüsse sind umsatzsteuerlich nicht steuerbar. In der Praxis sind echte Zuschüsse aber extrem selten.

Unechte Zuschüsse

Vertreter erhalten von den Versicherern typischerweise unechte Zuschüsse. Hierbei handelt es sich um ein Entgelt für die Leistung des Vertreters an den Versicherer. Es besteht zwischen der Zahlung und einer Leistung des Vertreters ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Der Zuschuss wird gewährt, um eine Leistung des Vertreters zu erhalten. Es findet damit ein Leistungsaustausch statt. Der Zuschuss ist steuerbar.

Praxistipp | Erhalten Sie unechte Zuschüsse, können Sie die Steuerbelastung durch Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG umgehen. Voraussetzung ist, dass Sie die Umsatzgrenze von 22.000 Euro (ohne Berücksichtigung der nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfreien Umsätze) einhalten. Lässt sich die Kleinunternehmerregelung nicht nutzen, können Sie zumindest für erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit dem unechten Zuschuss einen Vorsteuerabzug geltend machen.

Büro- und Organisationsbonus sowie Förderprovision

Leistet der Versicherer neben der typischen Provision auch einen allgemeinen Büro- bzw. Organisationsbonus oder eine Förderprovision für den Aufbau eines Vertriebs, ist die Rechtslage ebenfalls schwierig zu beurteilen. Auch hier ist zu prüfen, ob für entsprechende Vergütungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG gilt. Dafür ist jedoch immer erforderlich, dass

  • die Leistung des Vertreters sowohl (zumindest mittelbar) mit dem Ver- sicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung steht und
  • die Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlung umfasst.

Da die mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Vertriebs einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Vertretern nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehört, greift für die Förderprovision im Hinblick auf den Vertrieb die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG regelmäßig nicht. Dies gilt insbesondere für Provisionen im Hinblick auf die Anwerbung neuer Vertreter.

Eine Steuerbefreiung ergibt sich nur, wenn der Vertreter durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann. Ausreichend ist es allerdings, wenn die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall vorzunehmen, gegeben ist (BFH, Urteil vom 30.10.2008, Az. V R 44/07, Abruf-Nr. 083941 und Abschnitt 4.11.1 Abs. 2 UStAE). Gleiches gilt, wenn die Zahlungen im Hinblick auf das steuerfreie Gruppengeschäft des Vertriebs geleistet werden.

In einem aktuellen Fall hatte das FG Niedersachsen darüber zu entscheiden, ob ein vom Versicherer an den Vertreter gezahlter Büro- und Organisationsbonus sowie eine Förderprovision unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG fällt. Das Finanzamt hatte das verneint. Das FG Niedersachsen hat es bejaht: Die Zahlungen stellten im äußerst detailliert geschilderten Streitfall tatsächlich eine Aufstockung der vom Versicherer für die Gruppenumsätze gezahlten steuerfreien Grundprovisionen dar. Denn zwischen Zahlung des Büro-/Organisationsbonus bzw. der Förderprovision bestand ein spezifischer und wesentlicher Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften, weil die Zahlung auf das jeweilige steuerfreie Gruppengeschäft zurückgeführt werden konnte. Das FG wendete deshalb die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG vollumfänglich an und verschonte den Vertreter von der Umsatzsteuer (FG Niedersachsen, Urteil vom 19.08.2021, Az. 11 K 190/19, Abruf-Nr. 225401).

Das Finanzamt bemüht sich mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH (Az. beim BFH: XI B 85/21), die Entscheidung zu korrigieren. Es bleibt also abzuwarten, wie der BFH die Zahlung des Büro- bzw. Organisationsbonus sowie der Förderprovision einordnet und ob er die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG für anwendbar hält.

Praxistipps | Für Sie ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:

  • Nimmt das Finanzamt bei Ihnen in einem vergleichbaren Sachverhalt eine Steuerpflicht des Büro- und Organisationsbonus bzw. der Förderprovision an, sollten Sie dies nicht tatenlos akzeptieren. Legen Sie Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen ein und verweisen Sie auf das Urteil des FG sowie auf das anhängige Verfahren beim BFH. Das Einspruchsverfahren ruht dann gemäß § 363 Abs. 2 S. 2 AO, bis der BFH entschieden hat. Möchten Sie in der Zwischenzeit die sich ergebende Umsatzsteuer nicht bezahlen, sollten Sie parallel einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO stellen.
  • Sollte § 4 Nr. 11 UStG nicht anwendbar sein und ergibt sich deshalb eine Umsatzsteuerpflicht, denken Sie an die Kleinunternehmerregelung. Ist diese aufgrund der Höhe Ihrer Umsätze nicht anwendbar, sollten Sie zumindest einen anteiligen Vorsteuerabzug geltend machen. Teilen Sie alle Vorsteuern, die sich nicht direkt den steuerfreien Umsätzen zurechnen lassen, anhand des prozentualen Anteils der umsatzsteuerpflichtigen zu den umsatzsteuerfreien Umsätzen auf und machen Sie den auf den umsatzsteuerpflichtigen Anteil entfallenden Betrag beim Finanzamt geltend (§ 15 Abs. 4 UStG). So reduziert sich die Steuerlast.

AUSGABE: VVP 5/2022, S. 18 · ID: 47986004

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