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VereinsrechtOLG Brandenburg bezieht Stellung: Wann ist eine Mitgliederklage zulässig?

Abo-Inhalt01.06.20235924 Min. Lesedauer

| Einzelne Mitglieder haben im Verein grundsätzlich keine Möglichkeit, Ansprüche gegen den Vorstand durchzusetzen. Das kann nur die Mitgliederversammlung. Eine Ausnahme gilt für die – in Literatur und Rechtsprechung bisher kaum behandelte – Mitgliederklage. Etwas Licht ins Dunkel bringt jetzt ein Urteil des OLG Brandenburg. |

Typische Anwendungsfälle aus der Vereinspraxis

Einzelne Mitglieder haben im Verein grundsätzlich keine Möglichkeit, Ansprüche gegen den Vorstand durchzusetzen. Das kann nur die Mitgliederversammlung (MV). In der Praxis kommt es deshalb öfter zu einer problematischen Situation: Teile der Mitgliedschaft wollen gegen grobe Fehler oder gar Satzungs- bzw. Gesetzesverstöße vorgehen. Sie haben aber keinen rechtlichen Hebel, weil

  • die Einberufung der MV vom Vorstand blockiert wird und
  • ein Minderheitenbegehren wegen großer Mitgliederzahlen oder einem hohen satzungsmäßigen Quorum nicht praktikabel ist.

Für solche Sonderfälle gibt es prinzipiell die Möglichkeit einer Mitgliederklage. Sie wird typischerweise dann erhoben, wenn der erforderliche Beschluss der MV nicht rechtzeitig gefasst werden kann.

Der Fall vor dem OLG Brandenburg

Im Fall vor dem OLG Brandenburg ging es um den Vorstand eines gemeinnützigen Wohlfahrtspflegevereins, der den Anstellungsvertrag mit seinem Geschäftsführer vorzeitig beenden wollte. Dazu sollte der Geschäftsführer für die restliche Vertragslaufzeit freigestellt und für diese Zeit ein Teil seines Gehalts fortgezahlt werden.

Dagegen wandten sich einige Mitglieder. Sie versuchten, vor dem LG eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Sie vertraten die Auffassung, dass die beabsichtigte Beendigungsvereinbarung den Tatbestand der Untreue verwirkliche. Das Zahlungsversprechen sei deshalb nach § 134 BGB unwirksam. Die geplanten Zahlungen würden zudem die Gemeinnützigkeit des Vereins gefährden. Das LG war dem Antrag der Mitglieder gefolgt. Es hatte dem Vorstand untersagt, entsprechende Zahlungen an den Geschäftsführer zu leisten. Gegen dieses Urteil klagte der Vorstand und bekam vor dem OLG Recht.

Die Feststellung des Gerichts: Die Mitglieder sind auf den regulären vereinsinternen Weg verwiesen, d. h. eine Beschlussfassung der MV mit entsprechender Weisung an den Vorstand. Eine Mitgliederklage ist nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Ein solcher lag hier nicht vor (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.05.2023, Az. 5 U 38/23, Abruf-Nr. 235372).

Grundsatz im Verein: Die Weisungsbefugnis liegt bei der MV

Die Geschäftsführung des Vorstands für den Verein richtet sich nach den Vorschriften des Auftrags (§§ 27 Abs. 3, 664 bis 670 BGB). Im Verhältnis zum Vorstand ist der Verein durch seine MV faktisch der „Geschäftsherr“. Die MV kann – auch ganz konkrete – Weisungen an den Vorstand erteilen. Enthält nicht bereits die Satzung Weisungen an den Vorstand, erfolgen sie also aufgrund der Beschlussfassung der MV.

An solche Weisungen ist der Vorstand gebunden (§ 665 BGB) und macht sich bei Zuwiderhandlung schadenersatzpflichtig. Das Weisungsrecht gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern steht nur der MV als „Auftraggeber“ zu. Einzelne Vereinsmitglieder können dem Vorstand nicht bestimmte Handlungen auferlegen. Sie können allenfalls die Unterlassung und Beseitigung konkreter Satzungsverstöße verlangen sowie in der MV Missstände aufzeigen, die Entlastung verweigern oder bei einer Schädigung des Vereins Schadenersatz verlangen. Auch dafür ist eine Beschlussfassung der MV erforderlich.

Ausnahme: Die Mitgliederklage („actio pro socio“)

Nur im Sonderfall kann ein Mitglied – für den Verein – vom Vorstand direkt verlangen, dass er bestimmte Handlungen vornimmt. Das hier angewendete Rechtsinstrument wird als „actio pro socio“ bezeichnet und ist im Vereinsrecht umstritten. Rechtlich wird ein solches Handeln der Mitglieder für den Verein ohne „Umweg“ über die MV damit begründet, dass ein Rechtsschutz bei Einhaltung der vereinsinternen Zuständigkeiten möglicherweise zu spät greift.

Voraussetzung dafür ist, dass Handlungen des Vorstands nur durch zeitnahes Eingreifen verhindert werden können, der Vorstand aber nicht rechtzeitig abberufen oder anderweitig gehindert werden kann. Das ist z. B. der Fall, weil die nächste Vorstandswahl zu weit in der Zukunft liegt, der Vorstand sich weigert, die MV einzuberufen und ein Minderheitenbegehren wegen der großen Mitgliederzahl nicht praktikabel ist.

Es muss also ein satzungs- oder gesetzwidriger Zustand bestehen, der durch die MV, insbesondere die Anfechtung rechtswidriger Beschlüsse der Versammlung, nicht mehr rechtzeitig repariert werden kann. Zudem muss der Vorstand eine grobe Pflichtverletzung begehen, durch die dem Verein ein erheblicher Schaden droht.

Beispiel

Der Vorstand veruntreut Vermögen des Vereins, und spätere Schadenersatzforderungen sind voraussichtlich nicht mehr durchsetzbar.

Eine Mitgliederklage ist zudem nur möglich, wenn es keinen anderen vereinsinternen Weg gibt, Ansprüche durchzusetzen. So könnte es z. B. Aufsichtsorgane geben, die laut Satzung dem Vorstand gegenüber weisungsbefugt sind. Außerdem muss der Vereinszweck gefährdet sein oder es müssen existenzgefährdende finanzielle Auswirkungen drohen, wodurch die Rechte der Vereinsmitglieder beeinträchtigt sind. Ein drohender Verlust der Gemeinnützigkeit stellt für das OLG keinen solchen Ausnahmefall dar.

Darum hat das OLG keine Mitgliederklage zugelassen

Vor diesem rechtlichen Hintergrund verneinte das OLG die Zulässigkeit einer Mitgliederklage. Die finanziellen Auswirkungen durch den Abschluss der Beendigungsvereinbarung mit dem Geschäftsführer stellten von vornherein keinen – den Vereinszweck aushöhlenden – Satzungsverstoß dar, der eine Umgehung der verbandsinternen Zuständigkeiten rechtfertige. Es lag allein bei der MV, die Vor- und Nachteile einer solchen Vereinbarung abzuwägen und dem Vorstand den Abschluss der Vereinbarung zu untersagen.

Die klagenden Mitglieder hatten zudem nach Auffassung des OLG nicht ausreichend dargelegt, dass die Einhaltung vereinsinterner Zuständigkeiten zu spät greifen würde. Insbesondere fehlte der Nachweis, dass ein Minderheitenbegehren (laut Satzung war dafür ein Drittel der Mitglieder erforderlich und die Einberufungsfrist betrug vier Wochen) nicht zur erreichen war.

Die Mitgliederklage wäre nur zulässig gewesen, wenn die Gefahr bestünde, dass vor einer MV durch den Abschluss des Beendigungsvertrags die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die erforderliche Dringlichkeit sah das Gericht nicht. Die Kläger hätten nachweisen müssen, dass die Einberufung einer MV nicht schneller zum gewünschten Erfolg geführt hätte, als die Mitgliederklage mit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung.

Fazit und Gestaltungsempfehlungen für die Vereinspraxis

Die Entscheidung lehrt, dass die Mitgliederklage im Verein die seltene Ausnahme ist (ähnlich OLG Celle, Beschluss vom 12.12.2017, Az. 20 W 20/17, Abruf-Nr. 235373). Sie kann also regelmäßig nicht als Kontrollinstrument gegenüber dem Vorstand eingesetzt werden. Will sich ein Verein gegen ein eigenmächtiges Handeln des Vorstands eine effektive und zeitnahe Eingriffsmöglichkeit schaffen, muss die Satzung dafür eine Grundlage schaffen. Dazu gehört insbesondere, dass das Minderheitenbegehren nicht erschwert wird – etwa durch ein höheres als das gesetzlich vorgesehene Quorum von zehn Prozent. Denkbar wären aber auch andere Kontrollinstrumente:

  • Die Satzung könnte ein Kontrollorgan installieren, das kurzfristig und von nur wenigen Mitgliedern angerufen werden kann und dem Vorstand gegenüber weisungsbefugt ist.
  • Auf Antrag einer geringeren Prozentzahl als für das Minderheitenbegehren könnte eine Beschlussfassung auf elektronischem Weg durchgeführt werden, für die relativ kurze Fristen vorgesehen werden.
  • Viele Satzungen sehen vor, dass die MV bei finanziellen Entscheidungen bestimmter Größenordnungen zustimmen muss. Hier muss man aber darauf achten, dass die Arbeit des Vorstands dadurch nicht unnötig erschwert wird.

AUSGABE: VB 6/2023, S. 8 · ID: 49486300

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