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EnergiepreiseVereine und die Auswirkungen der Energiekrise
| Erst kam Corona, dann „Ukraine“. Unsere Vereine schlittern von einer Krise in die nächste. Eine Umfrage des Instituts für Sportstättenentwicklung ergab, dass mehr als 40 Prozent der Vereine starke Auswirkungen durch die Energiekrise erwarten. Konkret drohen Einschränkungen des Trainingsbetriebs, die Schließung einzelner Abteilungen sowie generell Mitgliederrückgänge. Sechs Prozent der Vereine sehen sich sogar in ihrer Existenz bedroht. VB zeigt, worauf Sie achten müssen, um Ihren Verein auch durch diese Krise zu bringen. |
Verlust-Situationen in Zweck- und Geschäftsbetrieben
Nicht nur der „For-Profit-Bereich“ erleidet derzeit Umsatzrückgänge und Verlustsituationen, sondern auch der Non-Profit-Bereich. Das betrifft sowohl die steuerbegünstigten als auch die nicht steuerbegünstigten wirtschaft- lichen Geschäftsbetriebe.
Beispiel |
Die Menschen sparen. Sie verzichten nicht nur auf Theater- oder Konzertbesuche (Zweckbetriebe) sondern oder auch auf den Besuch von Vereinsfeiern (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb). Außerdem überdenken Unternehmen ihr Sponsoring-Engagement. |
Das kann unter Umständen Auswirkungen auf die Steuerbegünstigung Ihres Vereins haben, da eine Verlustsituation im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb seitens der Finanzverwaltung immer kritisch gesehen wird.
Wichtig | Sobald für Sie absehbar ist, dass durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zeitnah keine Überschüsse mehr erzielt werden können, müssen Sie die wirtschaftliche Tätigkeit einstellen (BFH, Beschluss vom 01.07.2009, Az. I R 6/08, Abruf-Nr. 093504).
Bislang hat sich das BMF (noch) nicht zu der Frage geäußert, ob es auch hier wieder, wie seinerzeit in der Corona-Krise, für die Steuerbegünstigung unschädlich ist, wenn ein Verlustausgleich im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb mit Mitteln des ideellen Bereichs vorgenommen wird.
Sofern Sie aufgrund der gestiegenen Energiekosten einen Verlust im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erleiden sollten, können Sie diesen für das Geschäftsjahr 2022 erlittenen Verlust gleichwohl mit Mitteln des ideellen Bereichs ausgleichen. Dies vor dem Hintergrund, dass hier eindeutig keine Fehlkalkulation vorliegt; es konnte keiner zu Beginn des Jahres diese Entwicklung absehen. Als weitere Voraussetzung sieht die Finanzverwaltung hier vor (Anwendungserlass zur Abgabenordnung [AEAO] Nr. 6 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO), dass Sie in diesem Fall bis zum 31.12.2023 dem ideellen Tätigkeitsbereich wieder Mittel in entsprechender Höhe zuführen und die zugeführten Mittel dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entnommen werden.
Wichtig | Sie können für den Verlustausgleich auch zweckbestimmte Umlagen oder Zuschüsse verwenden. Derartige Zuwendungen sind jedoch keine steuerbegünstigten Spenden. Ob Sie überhaupt eine Umlage erheben können, hängt von der Satzung ab (s. u.). Schlussendlich müssen Sie schon jetzt überlegen, ob Ihr Verein alle Angebote aufrechterhalten kann.
Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Situation
Die finanzielle Lage des Vereins lässt sich durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, die Erhebung von Umlagen oder auch durch Einsparmaßnahmen verbessern. Hinsichtlich der Steigerung der Einkünfte kommt es maßgeblich auf Ihre Satzungsregelung an.
1. Erhöhung der Mitgliedsbeiträge
In der Praxis dürften in 99 Prozent der Satzungen geregelt sein, dass die Mitgliederversammlung für die Bemessung der Mitgliedsbeiträge zuständig ist. Sie müssten hier also eine (außerordentliche) Mitgliederversammlung einberufen, um eine Anhebung der Mitgliedsbeiträge zu beschließen.
Wichtig | Die Anhebung der Mitgliedsbeiträge kann auch nur „temporär“, z. B. für ein oder zwei Jahre erfolgen. Es ist nicht absehbar, wie lange diese extreme Situation bestehen wird, so dass Sie hier konkret überlegen müssen, ob eine temporäre Anhebung sinnvoll ist.
Musterformulierung / Temporäre Anhebung der Beiträge |
Die Mitgliederversammlung möge beschließen, den Mitgliedsbeitrag von derzeit 60 Euro jährlich auf 80 Euro jährlich zu erhöhen. Die Erhöhung gilt für die Geschäftsjahre 2023 bis einschließlich 2024. |
Beachten Sie, dass eine rückwirkende Beitragserhöhung nur bei ausdrücklichem Satzungsvorbehalt zulässig ist (LG Hamburg, Urteil vom 29.04.1999, Az. 302 S 128/98). Eine Beitragserhöhung könnte also erst ab dem Geschäftsjahr 2023 Geltung erlangen.
2. Erhebung von Umlagen
Neben dem Mitgliedsbeitrag können die Mitglieder mit einer Umlage belastet werden. Dabei handelt es sich um ein finanzielles Sonderopfer, das aber nur unter bestimmten Umständen erhoben werden kann. Der BGH (Urteil vom 24.09.2007, Az. II ZR 91/06, Abruf-Nr. 073616) vertritt hier eine strenge Auffassung. Die Begründung und Vermehrung von Leistungspflichten gegenüber dem Verein setzt immer die Zustimmung des betroffenen Mitglieds voraus.
Diese kann jedoch – antizipiert – in der Satzung erteilt werden. Damit das einzelne Mitglied vor einer schrankenlosen Pflichtenmehrung geschützt ist, muss sich der maximale Umfang der Pflicht aus der Satzung entnehmen lassen.
Neben dem Umstand, dass überhaupt eine Umlage erhoben werden kann, muss sich aus der Satzung die Höhe der Umlage betragsmäßig ergeben bzw. objektiv bestimmbar sein (BGH, Urteil vom 24.09.2007, Az. II ZR 91/06, Abruf-Nr. 073616; BGH, Beschluss vom 21.05.2019, Az. II ZR 157/18, Abruf-Nr. 210112; OLG München, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 34 Wx 153/22). Außerdem setzt eine Umlage voraus, dass sie zur Erfüllung des Vereinszwecks nötig ist (OLG München, Urteil vom 18.02.1998, Az. 3 U 4897/97, Abruf-Nr. 215014).
Satzungsklausel / Erhebung von Umlagen |
Zur Förderung des Vereinszwecks kann die Mitgliederversammlung (alternativ der Vorstand) die Erhebung einer Umlage beschließen. Diese darf den 1,5-fachen Jahresbeitrag nicht übersteigen. |
Dieser Berechnungsmodus bietet sich an, wenn Sie in Ihrem Verein für verschiedene Mitgliedergruppen auch unterschiedliche Beitragshöhen vorsehen. Fehlt in der Satzung eine ausdrückliche und rechtlich einwandfreie Regelung zur Erhebung von Umlagen, kann in bestimmten Ausnahmefällen dennoch die Erhebung einer Umlage beschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.09.2007, Az. II ZR 91/06, Abruf-Nr. 073616) ist dies jedoch von folgenden Voraussetzungen abhängig:
- Die Erhebung ist für den Fortbestand des Vereins unabweisbar notwendig.
- Dem einzelnen Mitglied ist die Erhebung unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar.
Wichtig | Der BGH räumt dem Mitglied aber auch ein Sonderkündigungsrecht ein. Sie müssen also damit rechnen, dass einige Mitglieder den Verein verlassen werden.
3. Von Fördermaßnahmen und -programmen Gebrauch machen
In der Corona-Krise gab es zahlreiche Förderprogramme für Vereine. Auch aktuell werden neue Programme aufgelegt, teils fachspezifischer, teils allgemeiner Art. VB sieht sich nicht in der Lage, alle Programme „auf dem Schirm“ zu haben. Es wird auf allgemeine Suchmaschinen für Förderprogramme verwiesen:
Übersicht für Förderprogramme für Bau- oder Sanierungsvorhaben | |
Förderwegweiser Energieeffizienz (Förderangebote der Bundesregierung) | |
Überblick über Förderprogramme Bund, Länder, EU |
Wichtig | Erfahrungsgemäß kommen nahezu täglich neue Angebote hinzu, so dass Sie sich regelmäßig über aktuelle Entwicklungen informieren müssen. Da den Vorstand auch im Rahmen seiner organschaftlichen Pflichten eine „Vermögenserhaltungspflicht“ trifft, sollten Sie sich innerhalb des Vorstandes abstimmen, welches Vorstandsmitglied sich über neue Fördermöglichkeiten informieren muss.
4. Gilt die Gaspreisbremse auch für Vereine?
Eine direkte Unterstützung für Verbraucher von Gas kommt direkt im Dezember, da hier der fällige Abschlag entfällt. Zwar besteht dieser Anspruch nicht bei Entnahmestellen, wenn der Jahresverbrauch mehr als 1.500.000 Kilowattstunden beträgt. Das „Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG)“ sieht aber in § 2 Abs. 1 folgende Ausnahmen vor:
- Gemeinnützige Einrichtungen des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereichs oder... vom Erdgas- Wärme- Soforthilfegesetz
- Bildungseinrichtungen der Selbstverwaltung der Wirtschaft die in der Rechtsform als e. V. organisiert sind, oder
- Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, anderer Leistungsanbieter oder Leistungserbringer der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX.
Auch diesen Gas-Verbrauchern wird der Versorger im Dezember keinen Abschlag berechnen. Der Gesetzgeber verweist in der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 20/4373, S. 24) darauf, dass auch zivilgesellschaftliche Institutionen, vor allem Vereine, die durch die Pandemie bereits teils erhebliche finanzielle Einbußen erlitten haben, angesichts der Preisentwicklung vor großen Herausforderungen stehen.
Wichtig | Die Gaspreisbremse, die zum 01.03.2023 (ggf. mit Rückwirkung zum 01.02.2023) kommt, soll nach dem Willen der MPK (Beschlüsse der MPK 02.11.2022) auch für Vereine gelten.
5. Einsparmaßnahmen ergreifen
Auch Maßnahmen zum „Energiesparen“ verbessern die finanzielle Situation Ihres Vereins. Auch hier gibt es viele Internetangebote, die sich allgemein mit dem Thema „Energiesparen“ und speziell mit dem Vereinsbereich befassen:
Wichtig | Auch die Verbraucherzentralen und die Kommunen stellen hier umfangreiche Beratungsangebote zur Verfügung, auf die Sie zurückgreifen können und sollten. Da die Sparergebnisse auch vom Verhalten der Mitglieder abhängig sind, sollten Sie diese in Ihre Überlegungen einbeziehen. Nutzen Sie Rundschreiben oder vielleicht auch die anstehende Weihnachtsfeier.
Insolvenzgefahr richtig einschätzen
Wenn weder eine Beitragserhöhung noch eine Umlageerhebung möglich sind, und auch eine schnelle Förderung nicht erreichbar ist, müssen Sie prüfen, ob eine Insolvenzlage vorliegt. Insolvenzeröffnungstatbestände sind die die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO).
Wichtig | Hier ist es auch irrelevant, ob es sich um einen eingetragenen oder einen nicht eingetragenen Verein handelt, da letztere hier einer juristischen Person gleichstehen (§ 11 Abs. 1 S. 2 InsO). Auch das BGB sieht in § 42 Abs. 2 S. 1 vor, dass Sie als Vorstand im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen müssen. Zusätzlich räumt das Gesetz in § 18 InsO die Möglichkeit ein, freiwillig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, wenn eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht.
Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund
Nach dem Gesetzeswortlaut liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn ein Schuldner – also hier der Verein – nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Als Vereinsvorstand müssen Sie daher prüfen, welche Zahlungsverpflichtungen aktuell bestehen und welche Mittel dem Verein dafür zur Verfügung stehen.
Hier wird seitens der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 19.12.2017, Az. II ZR 88/16, Abruf-Nr. 199384) verlangt, dass für die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit eine geordnete Gegenüberstellung der zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mittel des Schuldners erstellt werden muss; dies kann in Form einer Liquiditätsbilanz erfolgen.
Von einer Zahlungsunfähigkeit ist auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners zehn Prozent oder mehr beträgt. Als Liquiditätslücke bezeichnet man hier den Betrag, der fehlt, um alle Verbindlichkeiten zu bedienen.
Beispiel |
Beispiel aus der Vereinspraxis Dem Verein stehen an liquiden Mitteln 5.000 Euro zur Verfügung. Dem stehen 12.000 Euro an Verbindlichkeiten gegenüber. Die Liquiditätslücke beträgt 7.000 Euro; was einem Anteil von 58,33 Prozent entspricht. Wenn die Liquiditätslücke jedoch innerhalb von drei Wochen vollständig oder fast vollständig geschlossen werden kann und dies den Gläubigern nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist, soll noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegen. |
Überschuldung als Insolvenzgrund
Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt eine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Um den Überschuldungsstatus ermitteln zu können, müssen Sie die Vermögenswerte des Vereins ermitteln, um sie dann den bestehenden Verbindlichkeiten gegenüberstellen zu können. Vereinfacht gesagt müssen Sie die Frage beantworten können, ob alle Schulden des Vereins beglichen werden können, wenn Sie alles verkaufen würden, was der Verein hat. Sofern eine rechnerische Überschuldung festgestellt wurde, heißt das jedoch noch nicht, dass der Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt. Die Fortführung des Vereins darf nach den Umständen des Einzelfalls nicht überwiegend unwahrscheinlich erscheinen. Das wird eine Einzelfallfrage und davon abhängig sein, wie Ihr Verein „aufgestellt“ ist. Vereinfacht gesagt: In welchem Bereich ist Ihr Verein tätig und wie ist die aktuelle Konkurrenzsituation?
Wichtig | Sofern die Prüfung ergeben hat, dass eine Insolvenzlage vorliegt, müssen Sie als Vorstand nach § 42 Abs. 2 S. 1 BGB bei dem zuständigen Amtsgericht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. Sie haften als Gesamtschuldner.
Darf der Verein auch Mitglieder entlasten?
Nicht nur die Vereine leiden unter der Krise, auch die Mitglieder. Ob Sie steuerunschädlich Mitgliedsbeiträge erlassen können, wird von der Satzung abhängen. Da bislang konkrete Vorgaben des BMF fehlen, kann man auf die Hinweise zurückgreifen, die zur Corona-Situation (FAQ Corona Steuern, Stand 20.10.2022) ergangen sind. Dort verwies das BMF darauf, dass eine Rückzahlung von Beiträgen oder die Befreiung von Beitragszahlungen rechtlich grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn dies in den Satzungsbestimmungen oder der Beitragsordnung des Vereins mit aufgenommen ist.
Lassen die Satzungsbestimmungen oder Beitragsordnungen die Rückzahlung von Beiträgen oder Beitragsbefreiung nicht zu, sei eine Rückzahlung oder Befreiung ausnahmsweise bis zum 31.12.2022 steuerrechtlich unschädlich für den Status der Gemeinnützigkeit.
Wichtig | Ihr Verein muss sich die von dem Mitglied geltend gemachte wirtschaftliche Notlage nicht nachweisen lassen. Es reicht, wenn sich das Mitglied plausibel auf eine solche Not beruft oder sich die Notsituation für Sie plausibel aus den Umständen ergibt. Um sicher zu gehen, ob Sie Ihre Mitglieder unterstützen können, können Sie auch Ihr Finanzamt befragen.
Fazit | Auch wenn Vereine bereits „krisenerprobt“ sind, sind es diesmal besondere Herausforderungen, die Sie zu stemmen haben. VB wünscht viel Erfolg und Durchhaltevermögen. |
AUSGABE: VB 12/2022, S. 11 · ID: 48758919