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PV-AnlagenUpdate PV-Anlagen: Anhängige Musterprozesse kennen und für eine Verfahrensruhe nutzen

Abo-Inhalt27.08.20244 Min. Lesedauer

| Wurden im Jahr 2022 für eine unter § 3 Nr. 72 EStG fallende PV-Anlage Betriebsausgaben gezahlt, die sich noch auf 2021 oder früher beziehen, versagt das Finanzamt nicht immer, aber oft den Betriebsausgabenabzug. Gleichermaßen löst es für 2021 gebildete Investitionsabzugsbeträge rückwirkend auf, wenn die Investition erst im Jahr 2022 oder später getätigt wurde. Zwei für alle Steuerzahler unglückliche – und teure – Punkte. Doch nun sind die ersten Musterklagen anhängig, also handeln Sie! |

Betriebsausgaben für 2021 – in 2022 noch abzugsfähig?

Musterprozess Eins betrifft das Thema „Betriebsausgabenabzug für eine jetzt ertragsteuerbefreite Anlage“.

Musterfall 1

A betreibt seit einigen Jahren eine PV-Anlage und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG per Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR). Im Jahr 2022 hat er an das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2021 in Höhe von 500 Euro überwiesen, die er 2021 mit Zufluss vom Netzbetreiber als Betriebseinnahme versteuert hat. Zudem hat er 2022 an seinen Steuerberater netto 300 Euro für die Erstellung der Gewinnermittlung und Umsatzsteuererklärung für 2021 bezahlt. Das Problem: Die PV-Anlage ist seit dem 01.01.2022 nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei.

Viele, aber nicht alle Finanzämter weigern sich, die von A 2022 für das Jahr 2021 gezahlten Aufwendungen in Höhe von 800 Euro als abzugsfähige Betriebsausgaben anzuerkennen. Meistens werden zwei Gründe angeführt:

  • 1. Wegen der Steuerfreiheit der Anlage ist ab 2022 nach § 3 Nr. 72 S. 2 EStG kein Gewinn mehr zu ermitteln. Da in der Gewinnermittlung auch nachträgliche Betriebsausgaben für 2021 zu erfassen sind, ist kein Abzug möglich.
  • 2. Es besteht aufgrund der seit dem 01.01.2022 nach § 3 Nr. 72 S. 1 EStG steuerfreien Einnahmen ein Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG. Dabei ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen gegeben, da sich sowohl Einnahmen als auch Ausgaben auf die gleiche PV-Anlage beziehen. Unerheblich ist, dass sich die Ausgaben im Grunde noch auf Einnahmen des Jahres 2021 beziehen, die in voller Höhe der damaligen Steuerpflicht unterlegen haben.
Praxistipp | Versuchen Sie, Ihr Finanzamt davon zu überzeugen, dass § 3c Abs. 1 EStG für die Aufwendungen keine Anwendung findet. Denn es besteht nach Auffassung von SSP ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zu den Einnahmen des Jahres 2021, die in voller Höhe der Besteuerung unterlagen. Zudem würde sich ohne einen Abzug der Umsatzsteuer keine Neutralität der Um-
satzsteuer bei der Einkommensteuer und damit eine Doppelbesteuerung ergeben. Die 2021 vereinnahmte Umsatzsteuer wurde vollständig an das Finanzamt abgeführt und zugleich als Gewinn versteuert (Einkommensteuer auf Umsatzsteuer). Die Neutralität der Umsatzsteuer kann nur durch einen Betriebsausgabenabzug im Jahr 2022 vermieden werden, da es dann effektiv nur zu einer Umsatzsteuerbelastung kommt. Leserzuschriften an SSP belegen, dass bereits viele Leser Erfolg hatten und die Ausgaben anerkannt wurden. Weigert sich das Finanzamt, die Aufwendungen anzuerkennen, sollten Sie spätestens im Einspruchsverfahren auf das beim FG Nürnberg unter dem Az. 4 K 1440/23 anhängige Klageverfahren verweisen. Bitten Sie zugleich nach § 363 Abs. 2 S. 1 AO um Verfahrensruhe, bis das anhängige Verfahren rechtskräftig entschieden wurde.

Bildung eines IAB für 2021 – Rückwirkend auflösen?

Musterprozess Zwei betrifft die Frage „Muss ein Investitionsabzugsbetrag bei unter § 3 Nr. 72 EStG fallender Anlage rückwirkend aufgelöst werden?“

Musterfall 2

A beabsichtigt seit 2021, auf seinem privaten Einfamilienhaus eine PV-Anlage mit zehn kWp zu installieren. Entsprechende Angebote der Hersteller und eine positive Totalgewinnprognose zur Dokumentation der Gewinnerzielungsabsicht liegen ihm vor, weshalb er nach Maßgabe des § 7g Abs. 1 EStG für 2021 in Höhe von 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten einen steuermindernden Investitionsabzugsbetrag gebildet hat. Im Jahr 2022 erfolgte dann die Installation der PV-Anlage. Da diese unter den rückwirkend ab dem 01.01.2022 eingeführten § 3 Nr. 72 EStG fällt, ist die PV-Anlage steuerfrei.

Nach eindeutiger Auffassung der Finanzverwaltung muss der 2021 unstrittig rechtmäßig gebildete Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 3 EStG rückwirkend aufgelöst werden. Der Grund: § 7g Abs. 2 S. 1 EStG fordert, dass im Jahr der Anschaffung der PV-Anlage der gebildete Investitionsabzugsbetrag gewinnerhöhend hinzugerechnet wird. Das ist jedoch 2022 nicht möglich, da die PV-Anlage nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei ist und für diese folglich kein Gewinn zu ermitteln ist (BMF, Schreiben vom 17.07.2023, Az. IV C 6 – S 2121/23/10001 :001, Abruf-Nr. 236439, Rz. 19 und § 3 Nr. 72 S. 2 EStG).

Praxistipp | Wurde der Investitionsabzugsbetrag rückwirkend aufgelöst und liegt eine Gewinnerzielungsabsicht vor, sollten Sie gegen den steuererhöhenden Änderungsbescheid für das Jahr 2021 Einspruch erheben. Verweisen Sie auf das beim BFH unter dem Az. III B 24/24 anhängige Beschwerdeverfahren. Werden zudem für 2021 Nachzahlungszinsen gefordert, sollten Sie einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen stellen (§ 227 AO). Da 2021 der Investitionsabzugsbetrag anerkannt wurde, ist dieser erst aufzulösen, wenn bis zum Ende des Jahres 2024 (dreijähriger Investitionszeitraum) keine begünstigte Investition erfolgte. Eine frühere Auflösung ist nur dann zulässig, wenn Sie das beantragt haben oder der Auflösung zustimmen. Lassen Sie den Investitionsabzug bis Ende 2024 stehen, gewinnen Sie bis 2025 Zeit, um abzuwarten, wie der BFH entscheidet.

AUSGABE: SSP 9/2024, S. 18 · ID: 49929738

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