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PV-AnlagenPV-Anlage einer Wohnungseigentümergemeinschaft: Ist die Entnahme zum Nullsteuersatz möglich?

Abo-Inhalt25.04.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Während bis zum 31.12.2022 auf alle PV-Anlagen 19 Prozent Umsatzsteuer anfiel, gilt für die meisten danach installierten Anlagen der neue Nullsteuersatz (§ 12 Abs. 3 UStG). Um bei „Altanlagen“ die künftige Umsatzsteuerbelastung zu reduzieren, überlegen viele Betreiber, die Anlage aus dem Unternehmen zum Nullsteuersatz zu entnehmen. So wird die Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben vermieden. Ein SSP-Leser fragt, ob das auch geht, wenn eine PV-Anlage von einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) betrieben wird. |

Der Ausgangssachverhalt (Fall 1)

Die WEG hat auf einem Haus mit 50 Wohneinheiten eine große PV-Anlage inkl. eines Batteriespeichers errichtet. Die Anlage wird von der WEG betrieben, der Strom von den Nutzern der Wohnungen (Eigentümer und Mieter) für private Zwecke verwendet. Diese zahlen der WEG für den Strom fremdübliche Preise. Der nicht in den Wohnungen verbrauchte Strom wird an den Netzbetreiber geliefert und von diesem nach dem EEG vergütet.

Umsatzsteuerpflichtige Stromlieferungen durch die WEG

Die WEG ist durch den Betrieb der PV-Anlage Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Die von ihr gegenüber den Nutzern der Wohnungen erbrachten Stromlieferungen sind umsatzsteuerbar (§ 1 UStG) und mangels Steuerbefreiung (§ 4 UStG) auch steuerpflichtig. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Nutzern der Wohnungen um Mieter oder Eigentümer handelt. Denn eine nach § 4 Nr. 12 a) UStG steuerfreie Nebenleistung zu einer steuerfreien Wohnungsvermietung kann sich bereits deshalb nicht ergeben, weil die WEG keine Wohnungen an die Mieter vermietet. Das tun die Eigentümer der Wohnungen.

Damit unterliegen die Stromlieferungen dem Steuersatz von 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG). Da das Entgelt fremdüblich ist, ergibt sich keine Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG). Gleichermaßen unterliegen auch die Vergütungen des Netzbetreibers der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz. Aufgrund der vollständigen Verwendung der PV-Anlage für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze stand der WEG bei Erwerb der PV-Anlage der volle Vorsteuerabzug zu (§ 15 UStG). Die Nutzer der Wohnungen können für den verbrauchten Strom hingegen keinen Vorsteuerabzug geltend machen, da der Strom nicht ihren unternehmerischen Zwecken dient.

Wichtig | Sollte die WEG vom Netzbetreiber unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 EEG einen Mieterstromzuschlag erhalten, handelt es sich hier um einen echten, nicht steuerbaren, Zuschuss. Dieser hat keine Auswirkung auf die Höhe des Vorsteuerabzugs – denn er ist nicht steuerfrei, sondern nicht steuerbar.

Keine Entnahme der PV-Anlage zum Nullsteuersatz

Soll die PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen der WEG entnommen werden, muss gegenüber dem Finanzamt eine Entnahme erklärt werden. Zudem ist nur eine vollständige – und keine anteilige – Entnahme möglich (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Az. III C 2 – S 7220/22/10002 :010, Abruf-Nr. 234002 Rz. 7).

Damit jedoch eine vollständige Entnahme aus dem Unternehmensvermögen zulässig ist, muss gemäß Abschn. 3.2 Abs. 3 Nr. 1 UStAE die PV-Anlage zukünftig (also ab dem Entnahmedatum) voraussichtlich zu mehr als 90 Prozent für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Da die PV-Anlage jedoch in vollem Umfang für unternehmerische Zwecke verwendet wird, ist eine Entnahme aus dem Unternehmensvermögen nicht möglich.

Der abgewandelte Fall

Die WEG betreibt wie im Ausgangsfall die PV-Anlage. Der erzeugte Strom wird von den Nutzern der Wohnungen für private Zwecke verwendet, der Überschuss an den Netzbetreiber geliefert. Diesmal wird allerdings unterstellt, dass die Wohnungsnutzer den verwendeten Strom nicht der WEG bezahlen müssen (unentgeltliche Stromnutzung).

Voller Vorsteuerabzug - aber unentgeltliche Wertabgaben

Werden mindestens zehn Prozent des erzeugten Stroms an den Netzbetreiber geliefert (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG), konnte die PV-Anlage zum Zeitpunkt der Anschaffung in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen der WEG zugeordnet werden (Abschn. 15.2c UStAE). Damit bestand für die WEG – wie im Ausgangsbeispiel – ein vollständiger Vorsteuerabzug. Es bleibt auch dabei, dass die Vergütungen des Netzbetreibers der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterliegen.

Eine Änderung gibt es bei dem Strom, der von den Nutzern der Wohnungen verwendet wird. Da für diesen Strom keine Vergütungen gezahlt werden, handelt es sich um unentgeltliche Wertabgaben i. S. v. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG. Diese sind umsatzsteuerbar und auch umsatzsteuerpflichtig. Die Höhe der Bemessungsgrundlage richtet sich nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG; die Umsatzsteuer beträgt 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 UStG).

Entnahme der PV-Anlage zum Nullsteuersatz

Da die Erbringung unentgeltlicher Wertabgaben eine unternehmensfremde Verwendung darstellt, stellt sich die Frage, ob in diesem Fall eine Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen der WEG zulässig ist. Erforderlich dafür ist, dass die PV-Anlage von der WEG künftig voraussichtlich zu mehr als 90 Prozent für nichtunternehmerische Zwecke genutzt wird – also für die Erbringung der unentgeltlichen Wertabgaben gegenüber den Nutzern der Wohnungen. Diese Voraussetzung wird erfüllt, wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 Prozent nahelegt (Prognose). Eine derart hohe Stromnutzung durch die Wohnungsnutzer dürfte in der Praxis jedoch regelmäßig unrealistisch sein.

Aus Vereinfachungsgründen ist hiervon jedoch bereits dann pauschal auszugehen, wenn – wie im Musterfall – ein Teil des mit der PV-Anlage erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird. Das bedeutet, dass in diesem Fall eine Prüfung der 90-Prozent-Grenze entfällt (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Az. III C 2 – S 7220/22/10002 :010, Abruf-Nr. 234002, Rz. 5). Gleiches gilt auch dann, wenn der erzeugte Strom für die nicht nur gelegentliche Ladung in ein E-Fahrzeug, das nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, oder den Betrieb einer Wärmepumpe, die nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, verwendet wird (BMF, Schreiben vom 30.11.2023, Az. II C 2 – S 7220/22/10002 :013, Abruf-Nr. 238819, Rz. 3).

Wichtig | Diese Vereinfachungsregelungen hat das BMF nach Auffassung des Autors wohl deshalb geschaffen, um Privatpersonen die Entnahme einer PV-Anlage zu erleichtern, die auf dem eigenen Einfamilienhaus installiert ist. Ob sie deshalb auch bei einer WEG Anwendung findet, ist fraglich. Da sich aus den BMF-Schreiben dahingehend jedoch keine Einschränkungen ergeben und es sich deshalb um eine allgemeingültige Vereinfachungsregelung handelt, dürften auch WEG profitieren.

Da die WEG die PV-Anlage mit Batteriespeicher betreibt, erfüllt sie die Vereinfachung des BMF. Damit kann die WEG die Anlage aus dem Unternehmensvermögen entnehmen. Die Entnahme ist zwar gemäß § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG als unentgeltliche Wertabgabe umsatzsteuerbar und mangels Steuerbefreiung auch umsatzsteuerpflichtig. Allerdings unterliegt sie unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG dem neuen Nullsteuersatz, sodass die Entnahme tatsächlich keine Umsatzsteuer auslöst (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Rz. 7). Der vorangegangene volle Vorsteuerabzug bleibt der WEG ebenfalls erhalten, da sich die maßgebenden Verhältnisse für den Vorsteuerabzug nicht geändert haben. Es erfolgt keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Rz. 2).

Handlungsoption für WEG im „Vergütungsmodell“ (Fall 1)

Fällt eine WEG unter Fall Nr. 1 und ist deshalb keine Entnahme der PV-Anlage zum Nullsteuersatz möglich, kann überlegt werden, künftig auf die Vergütungen für den von den Wohnungsnutzern verwendeten Strom zu verzichten. Da der Strom dann insoweit für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird, kann unter den weiteren Voraussetzungen eine Entnahme der gesamten PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen der WEG erfolgen.

Der Vorteil: Ab dem Zeitpunkt der Entnahme unterliegt lediglich der weiterhin an den Netzbetreiber gelieferte Strom der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz. Der Nachteil: Die WEG erhält ab sofort keine Vergütungen mehr von den Wohnungsnutzern für den in den Wohnungen verbrauchten Strom.

Ob diese Strategie – alleine zur Reduzierung der Umsatzsteuer – wirtschaftlich sinnvoll ist, sollte eingehend durchkalkuliert werden. Dabei spielt auch sicherlich der Umstand eine Rolle, wie viele der die Wohnungen nutzenden Personen fremde Dritte bzw. Eigentümer sind, die zugleich an der WEG und damit an der PV-Anlage beteiligt sind.

AUSGABE: SSP 5/2024, S. 20 · ID: 49960046

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