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GemeinnützigkeitBFH stellt klar: Keine Förderung der Allgemeinheit bei zu hohen Schulgebühren
| Es fehlt an dem gemeinnützigkeitsrechtlichen Erfordernis der Förderung der Allgemeinheit, wenn eine Privatschule aufgrund der Höhe des Schulgelds und der konkreten Stipendienquote lediglich einen bestimmten Kreis von Schülern fördert, der nicht mehr als Repräsentation der Allgemeinheit angesehen werden kann. Dies hat der BFH entschieden und damit eine wichtige Entscheidung für alle Stiftungen gefällt, die im Sektor der (Fort- und Weiter-)Bildung tätig sind. |
Förderung der Allgemeinheit wesentlich für Gemeinnützigkeit
Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 S. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Nach S. 2 ist eine Förderung der Allgemeinheit nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist.
Das Gesetz konkretisiert dies an den Beispielen der „Zugehörigkeit zu einer Familie“ oder der „Belegschaft eines Unternehmens“. An einer Förderung der Allgemeinheit fehlt es nach S. 2 aber auch dann, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauerhaft nur klein sein kann. Die Förderung der Allgemeinheit ist danach eine notwendige Bedingung der steuerbegünstigten Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, wie sie im Katalog des § 52 Abs. 2 AO enthalten sind. Denn nach ausdrücklicher Vorgabe des S. 1 des § 52 Abs. 2 AO sind diese gemeinnützigen Katalogzwecke nur dann als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen, wenn die vorgenannten Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO gegeben sind.
Die Finanzverwaltung konkretisiert die gesetzliche Vorgabe in § 52 Abs. 1 AO am Beispiel eines Vereins wie folgt: Ein Verein, dessen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitgliedern zugute kommt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn er den Kreis der Mitglieder durch hohe Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge (einschl. Mitgliedsumlagen) klein hält (AEAO Nr. 1.1 ff. zu § 52 AO). Möglicherweise wird dieses Beispiel bald um den Fall hoher Gebühren einer Privatschule ergänzt, zu dem der BFH jüngst Stellung nehmen durfte.
Der Fall: Privatschule erhebt fünfstellige Schulgebühren
Im konkreten Fall betrieb eine satzungsmäßig gemeinnützige GmbH zur Förderung der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung sowie der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens eine internationale private (Ergänzungs-)Schule.
- Satzungsgemäß wurde bei mindestens 25 Prozent der Schüler keine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern vorgenommen.
- Von den Schülern wurden Schulgebühren in jährlicher Höhe von ca. 11.000 bis 17.000 Euro zzgl. Verwaltungsgebühren erhoben.
- Dazu kamen noch einmalig erhobene Immatrikulationsgebühren in Höhe von ca. 3.000 und 7.000 Euro.
- Schülern aus bedürftigen Familien wurden Stipendien angeboten.
Finanzamt entzog Gemeinnützigkeit
Das Finanzamt erachtete die Schulkosten als zu hoch und erkannte der GmbH die Gemeinnützigkeit ab. Aufgrund der erheblichen Höhe der Schulgebühren verstoße die Schule gegen das grundgesetzliche Verbot einer Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern und richte sich faktisch an einen nur kleinen, abgegrenzten Personenkreis.
Mit einer Förderung der Allgemeinheit, wie das Gesetz es in § 52 Abs. 1 AO verlange, sei dies nicht mehr zu vereinbaren. Insoweit ca. zehn Prozent aller Schüler unabhängig vom Einkommen der Eltern gefördert würden, sei dies für den Erhalt des Gemeinnützigkeitsstatus nicht ausreichend.
BFH bestätigt Beurteilung durch Finanzamt
Hiergegen klagte die GmbH, worüber letztlich der BFH zu entscheiden hatte. Der BFH gab dem Finanzamt und im Ergebnis auch dem Urteil der Vorinstanz Recht: Der Träger einer Privatschule fördert mit seinem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schüler nicht mehr als ein Ausschnitt der Allgemeinheit gelten können (BFH, Beschluss vom 26.05.2021, Az. V R 31/19, Abruf-Nr. 224725).
BFH: Keine Förderung der Allgemeinheit
Die GmbH ist nach Auffassung des BFH mangels Förderung der Allgemeinheit nicht als gemeinnützig anzuerkennen. Sie fördert nämlich im Rahmen des Schulbetriebs aufgrund der Höhe der Schulkosten und des konkreten Stipendienangebots lediglich einen Kreis von Schülern, der nicht mehr die Allgemeinheit repräsentiert. Diese Entscheidung hat der BFH im Wesentlichen auf die folgenden Argumente gestützt:
Keine Gewährleistung des freien „Zutritts für jedermann“
Zwar sei es unschädlich, dass Bildungsinhalte gegen Entgelt angeboten werden. Entsprechende Einnahme werden typischerweise im Rahmen eines Bildungszweckbetriebs vereinnahmt, also in einer der steuerfreien Sphären. Aber von einer Förderung der Allgemeinheit könne nur dann ausgegangen werden, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zu den angebotenen Leistungen habe, die Geförderten sich entsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen.
Gemeinnützigkeitsschädlich seien folglich Verpflichtungen zur Zahlung von laufenden Beiträgen, Aufnahmebeiträgen und Umlagen, deren Höhe eine Repräsentation der Allgemeinheit unter den Geförderten nicht mehr gewährleistet. Nicht jedermann als solcher muss also „förderfähig“ sein, aber ein gewisser Ausschnitt aus der Allgemeinheit muss es schon sein.
Zu niedrige Stipendiatenquote
Der BFH sah sich überdies an die finanzgerichtliche Würdigung gebunden, der zufolge die Schülerschaft des von der GmbH betriebenen Schulbetriebs angesichts der Höhe des Schulgelds und der niedrigen Stipendiatenquote (weniger als zehn Prozent der Gesamtheit der Schüler) keinen repräsentativen Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt. Eine solch niedrige Stipendienquote ist folglich zu gering, um die hohen Schulkosten gemeinnützigkeitsrechtlich kompensieren zu können. Gefördert wurden im Ergebnis vor allem Schüler wohlhabender Eltern.
BFH zieht Vergleich mit monatlichem Haushaltsnettoeinkommen
Um die Gemeinnützigkeitsschädlichkeit der (zu) hohen Schulkosten zu plausibilisieren, verglich der BFH diese Kosten mit den monatlichen Haushaltsnettoeinkommen. Die monatlichen Kosten für den Schulbesuch betrugen im betreffenden Jahr zwischen ca. 950 und 1.450 Euro. Im gleichen Zeitraum verfügte fast ein Viertel aller Haushalte in Deutschland aber nur über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 1.500 Euro, knapp die Hälfte der Haushalte hatte nur ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 2.500 Euro.
Der BFH kam zu dem Schluss, dass sich der größte Teil der deutschen Haushalte den Schulbesuch nicht leisten könne. Angebote, die also jedenfalls für weite Teile der Bevölkerung aus finanziellen Gründen außer Betracht fallen, erweisen sich als gemeinnützigkeitsschädlich, wenn und weil sie sich zu „exklusiv“ erweisen. Die Höhe der Schulgebühren steuert im vorliegenden Fall faktisch die Zusammensetzung der Schülerschaft.
Sonderungsverbot spielt für BFH keine entscheidende Rolle
Aufgrund vorstehender Gründe konnte der BFH es offenlassen, ob ein etwaiger Verstoß gegen das Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG einer Förderung der Allgemeinheit entgegensteht. Die Vorschrift besagt, dass privaten Schulen eine Genehmigung des Staates zu erteilen ist, wenn diese in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird.
Konsequenzen für schulbetreibende Stiftungen
Der Betrieb einer Schule, die ein so hohes Schulgeld erhebt, dass es sich nur einkommensstarke Familien leisten können, ihre Kinder dort ausbilden zu lassen, kann nicht gemeinnützig anerkannt werden.
Wer jetzt seine „Schulgeldpolitik“ hinterfragen sollte Praxistipp | Stiftungen, die als Betreiber von Privatschulen oder anderer Bildungseinrichtungen auftreten, werden angesichts dieser neuen Entscheidung des BFH ihre „Schuldgeldpolitik“ auf den gemeinnützigkeitsrechtlichen Prüfstand stellen müssen. Dies gilt besonders, weil die BFH-Entscheidung die berüchtigte „Aufgriffsschwelle“ der Finanzämter spürbar abgesenkt haben dürfte. |
AUSGABE: SB 1/2022, S. 14 · ID: 47807889