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InkassoSo rechnen Sie Inkassodienstleistungen bei unbestrittenen deliktischen Forderungen ab

Abo-Inhalt26.06.20256 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Die angemessene Vergütung anwaltlicher Inkassotätigkeit im Zusammenhang mit unbestrittenen Schadenersatzforderungen – insbesondere aus Verkehrsunfällen – ist seit der Einführung von Absatz 2 zu Nr. 2300 VV RVG Gegenstand intensiver rechtlicher und praktischer Diskussion. Dabei stellt sich die zentrale Frage, ob und inwieweit diese Regelung auch auf deliktische Forderungen anzuwenden ist, die typischerweise Gegenstand verkehrsunfallrechtlicher Mandate sind. Gerade in Fällen, in denen Rechtsanwälte im Wege der Abtretung tätig werden oder Mandanten über spezialisierte Inkassodienstleister vertreten sind, steht zur Klärung, ob die reduzierte Gebührenstruktur des neuen Absatzes 2 Anwendung findet – mit erheblichen Auswirkungen auf die Honorierung solcher außergerichtlichen Rechtsverfolgung. |

1. LG Stuttgart wendet Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG an

In dem Fall vor dem LG Stuttgart stellte sich die Frage, ob die Regelung des Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auf deliktische Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfällen Anwendung findet, wenn deren Einziehung im Wege einer Inkassodienstleistung erfolgt (LG Stuttgart 11.12.24, 1 S 18/23, Abruf-Nr. 246438).

Das Gericht beschäftigte sich hier erstmals explizit mit der Anwendung von Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auf Ansprüche aus Verkehrsunfallsachen. Es schafft dabei wegweisende Klarheit zur Einordnung solcher Tätigkeiten als Inkassodienstleistung im vergütungsrechtlichen Sinne. Es bejaht die Anwendung der Nr. 2300 VV RVG auf Inkassodienstleistungen, die die Einziehung unbestrittener deliktischer Forderungen (hier: aus Verkehrsunfall) zum Gegenstand haben.

2. Es muss nicht immer ein einfacher Fall abgerechnet werden

Die Entscheidung stellt klar, dass auch bei verkehrsunfallbedingten, deliktischen Schadenersatzforderungen Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG anwendbar ist, und zwar auch für Rechtsanwälte. Eine Reduktion auf eine 0,5-Gebühr ist nicht automatisch geboten. Folge: Sie können daher eine höhere Vergütung erreichen, wenn Sie Ihre Arbeit sauber dokumentieren und fundiert argumentieren. Das trifft auch auf außergerichtlich beigelegte Ansprüche zu.

a) Rechtslage

Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG regelt die Höhe der Geschäftsgebühr bei Inkassodienstleistungen. Im Einzelnen gilt:

  • in einfachen Fällen (z. B. bei Zahlung nach erster Aufforderung): maximal 0,5-Gebühr.
  • in nicht einfachen, aber nicht besonders schwierigen Fällen: Regelgebühr von 0,9.
  • nur bei besonderer Schwierigkeit oder besonderem Umfang kann bis zur vollen 1,3-Gebühr abgerechnet werden.

b) Anwendung auf Verkehrsunfallsachen

Im oben dargestellten Fall betraf die Inkassodienstleistung eine unbestrittene deliktische Forderung, was Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG grundsätzlich eröffnet. Die Vorschrift gilt nicht nur für Verbraucherforderungen, sondern auch bei Forderungen zwischen Unternehmen (vgl. BT-Drucks. 19/20348, S. 75). Vorliegend lag kein einfacher Fall vor, da der Inkassodienstleister auch Ermittlungen zur Schadenshöhe anstellen musste.

c) Vergütungsrechtliche Vorteile für Rechtsanwälte

Die Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG gilt auch für Anwälte. Folge: Rechtsanwälte, die im Rahmen der Mandatsbearbeitung Inkassodienstleistungen erbringen, können damit in nicht einfachen Fällen eine 0,9-Gebühr abrechnen – auch bei unbestrittenen Schadenersatzforderungen.

d) Vorteile für Kanzleien

Es besteht nunmehr eine klare Vergütungsstruktur bei außergerichtlicher Vertretung. Insofern ist auch bei deliktischen Ansprüchen wie Verkehrsunfällen eine Kürzung auf 0,5 nicht zwingend. Somit besteht die Möglichkeit zur differenzierten Argumentation für den Ansatz über 0,5 hinaus bis maximal 0,9 – abhängig vom tatsächlichen Aufwand.

Checkliste / Handlungsempfehlungen für Rechtsanwälte

1. Prüfen Sie die Qualifikation der Tätigkeit als Inkassodienstleistung
  • Liegt eine Einziehung auf fremde Rechnung im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG vor?
  • Wird die Tätigkeit als eigenständiges Geschäft betrieben (z. B. auch bei Abtretung)?
2. Dokumentieren Sie Komplexität und Umfang
  • War die Schadenshöhe zu ermitteln?
  • Mussten rechtliche Fragen (z. B. Haftungsquote, Ersatzfähigkeit) geprüft werden?
  • Bestand eine Tätigkeit, die über eine reine Zahlungsaufforderung hinaus ging?
3. Akzeptieren Sie keine vorschnelle Einstufung als „einfacher Fall“
  • Auch bei Zahlung nach erster Aufforderung kann der Fall überdurchschnittlich sein.
  • Begründen Sie ausführlich, warum 0,9 oder ggf. 1,3 gerechtfertigt sind.
4. Führen Sie Aktenvermerke
  • Dokumentieren Sie sorgfältig den tatsächlichen Aufwand.
  • Hilfreich für Streitfälle bei der Kostenfestsetzung oder gegenüber Versicherern.
5. Klären Sie Mandanten über abweichende Gebührenstruktur auf
  • Besonders erforderlich bei Mandanten, die nicht rechtsschutzversichert sind.

Checkliste / Prüfungsschema

Ja
Nein
Anmerkung
Handelt es sich um eine unbestrittene Forderung?
Nur dann gilt Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG
Wurde der Anwalt mit Inkasso auf fremde Rechnung beauftragt?
Z. B. bei Abtretung von Ansprüchen
Lag mehr als eine reine Zahlungsaufforderung vor?
Ermittlungen zur Schadenshöhe etc.
Ist der Fall nicht einfach i. S. d. RVG, z. B. aufgrund besonderer Umstände?
Dann 0,9 statt 0,5 abrechenbar
Ist der Fall ggf. besonders schwierig/umfangreich?
Dann ggf. bis 1,3-Gebühr möglich
Wurde der Aufwand in der Akte dokumentiert?
Wichtig für Abrechnung und Nachweis
Wurde der Mandant über mögliche Kosten transparent informiert?
Insbesondere bei Nichtbestehen einer Rechtsschutzversicherung

3. Muster: Kanzleirundschreiben

Es ist sinnvoll, dass Sie in Ihrer Kanzlei dabei einheitlich vorgehen. Dies können Sie z. B. durch ein Kanzleirundschreiben gewährleisten. Hier finden Sie einen Vorschlag für ein solches Schreiben, welches Sie intern (z. B. Versicherungen, Inkassopartnern oder Sachverständigen) verwenden können.

Checkliste / Kanzleirundschreiben

Anwendung von Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auf Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfällen – neue vergütungsrechtliche Perspektiven für Inkassotätigkeiten durch Rechtsanwälte
Sehr geehrte Damen und Herren,
die aktuelle Rechtsprechung zur Anwendung der Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auf deliktische Schadenersatzansprüche – insbesondere aus Verkehrsunfällen – eröffnet neue vergütungsrechtliche Möglichkeiten für die außergerichtliche Bearbeitung solcher Fälle.
1. Hintergrund
Das LG Stuttgart hat mit Urteil vom 11.12.24 (1 S 18/23) entschieden, dass Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG auch auf unbestrittene Schadenersatzforderungen aus Verkehrsunfällen anzuwenden ist, wenn deren Einziehung im Rahmen einer Inkassodienstleistung erfolgt – unabhängig davon, ob diese durch einen Inkassodienstleister oder eine Rechtsanwaltskanzlei erfolgt.
Dabei wurde bestätigt, dass auch Rechtsanwälte unter den Begriff der „Inkassodienstleister“ im Sinne der Vorschrift fallen, wenn sie entsprechend tätig werden. Die Entscheidung stärkt die Position der Anwaltschaft in Konkurrenz zu Inkassodienstleistern und schützt vor pauschalen Kürzungen durch Versicherer oder Gerichte.
2. Vergütungsrechtliche Auswirkungen für unsere Kanzlei
In Fällen unbestrittener deliktischer Forderungen (z. B. aus § 7 StVG, § 823 BGB) ist eine Kürzung der Geschäftsgebühr auf 0,5 nicht zwingend erforderlich. Vielmehr kann bei nachweislich überdurchschnittlichem Aufwand eine 0,9-Gebühr rechtssicher abgerechnet werden. Nur bei besonderem Umfang oder Schwierigkeit ist ein Ansatz bis zur vollen 1,3-Gebühr möglich.
3. Kanzleiinterne Handlungsschritte zur Sicherung der optimalen Vergütung
Zur Optimierung unserer Abrechnungspraxis werden wir künftig folgende Maßnahmen konsequent umsetzen:
  • Einstufung der Mandate nach Inkassorelevanz: Jede Schadenersatzforderung ist hinsichtlich ihrer Inkassoeigenschaft zu prüfen.
  • Dokumentation des Aufwands: Ermittlungen zur Schadenshöhe, rechtliche Prüfungen und Kommunikationsaufwand sind lückenlos zu dokumentieren.
  • Begründung bei Rechnungsstellung: Abweichungen vom 0,5-Regelsatz sind sachlich zu begründen, um dadurch Nachfragen bei Versicherern oder Gerichten vorzubeugen.
  • Aufklärung unserer Mandantschaft: Die Kostenstruktur ist bereits bei Mandatsannahme zu kommunizieren und in den Akten zu vermerken.
4. Checkliste für die Aktenbearbeitung (intern)

Ja

Nein

Unbestrittene Forderung liegt vor

Inkassodienstleistung durch die Kanzlei (auch nach Abtretung)

Schadenshöhe war bei Beauftragung noch zu klären

Dokumentation von Aufwand und rechtlicher Prüfung erfolgt

Fall als „nicht einfach“ eingestuft → Ansatz 0,9-Gebühr

Begründung bei Abrechnung beigefügt

Zur Abstimmung von Einzelfällen ist Rücksprache mit der Büroleitung/Fachbereichsleiter zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt/Partner

AUSGABE: RVGprof 7/2025, S. 127 · ID: 50441176

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