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Arbeitsrechtliche Kündigung (Teil 2)So wird die gerichtliche Vertretung der Kündigung mit Zustimmungserfordernis abgerechnet

Leseprobe21.03.20256 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Wenn die Kündigung eines Arbeitnehmers (in den Fällen der §§ 85 ff. SGB IX, § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG, § 17 Abs. 2 S. 1 MuSchG) der Zustimmung einer besonderen behördlichen Stelle bedarf, gilt § 4 S. 4 KSchG. Diese Vorschrift lässt die Dreiwochenfrist der Kündigungsschutzklage erst beginnen, wenn die behördliche Entscheidung dem Arbeitnehmer bekannt gegeben worden ist. Bei der Abrechnung müssen Sie als Anwalt beachten, dass Sie die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und den Arbeitsgerichten voneinander trennen (zur außergerichtlichen Vertretung s. RVG prof. 25, 47). |

1. Gerichtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Wird der Anwalt in den genannten Fällen von seinem Auftraggeber (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) sowohl mit dessen Vertretung vor der Behörde als auch mit dem Ausspruch der Kündigung bzw. deren Abwehr beauftragt, so liegen zwei verschiedene Angelegenheiten i. S. d. § 15 RVG vor. Bei dem Zustimmungs- oder Zulässigkeitsverfahren handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit. Bei dem Verfahren betreffend Kündigung bzw. deren Abwehr liegt eine arbeitsrechtliche Angelegenheit zugrunde.

Möglich ist, dass es wegen der Zustimmung zu einem gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht kommt.

Beispiel 1: Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt mit Widerspruchsverfahren und Klageverfahren vor dem VG; anschließende Kündigung
Der Arbeitgeber des schwerbehinderten Mandanten möchte diesem kündigen und beantragt vor dem Integrationsamt die Zustimmung hierzu. Der Mandant beauftragt seinen Anwalt, ihn in diesem Verfahren zu vertreten. Die Zustimmung wird verweigert. Der Widerspruch wird zurückgewiesen. Es kommt sodann zu einem Verfahren vor dem VG, in dem die Zustimmung schließlich erteilt wird. Anschließend erhält der Mandant die Kündigung (Monatseinkommen: 3.000 EUR). Hiergegen wendet sich der Anwalt auftragsgemäß zunächst außergerichtlich.
Lösung
Ausgehend jeweils von den Schwellengebühren bei den Geschäftsgebühren ist wie folgt zu rechnen:
1. Verfahren vor dem Integrationsamt
a) Außergerichtliche Vertretung
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Regelwert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

86,30 EUR

504,50 EUR

b) Widerspruchsverfahren
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR

- 217,10 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

45,05 EUR

282,15 EUR

c) Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR

- 217,10 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

400,80 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

121,20 EUR

759,10 EUR

2. Kündigung
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

725,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

141,63 EUR

887,03 EUR

Möglich ist auch, dass mehrere Zustimmungsverfahren durchgeführt werden. In diesem Fall ist jedes Zustimmungsverfahren eine eigene Angelegenheit.

Beispiel 2: Mehrere Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt
Der Arbeitgeber des schwerbehinderten Mandanten möchte diesem kündigen und beantragt vor dem Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und anschließend zur ordentlichen Kündigung. Der Mandant beauftragt seinen Anwalt, ihn in diesen Verfahren zu vertreten. Die Zustimmungen werden verweigert, sodass jeweils Widerspruch erhoben wird.
Lösung
Es liegen jetzt gesonderte Verwaltungsverfahren und gesonderte Widerspruchsverfahren vor. Ausgehend jeweils von den Schwellengebühren bei den Geschäftsgebühren ist wie folgt zu rechnen:
1. Verfahren vor dem Integrationsamt (ordentliche Kündigung)
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

86,30 EUR

504,50 EUR

Widerspruchsverfahren
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR

- 217,10 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

45,05 EUR

282,15 EUR

2. Verfahren vor dem Integrationsamt (außerordentliche Kündigung)
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

86,30 EUR

504,50 EUR

Widerspruchsverfahren
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR)

434,20 EUR

gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR

-217,10 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

45,05 EUR

282,15 EUR

Beachten Sie | Werden die Widersprüche zurückgewiesen, kann sich jeweils ein Klageverfahren vor dem VG anschließen (zur Abrechnung s. Beispiel 2). Häufig ist allerdings eine einzige Klage, die sich gegen beide Ablehnungen in Gestalt der Widersprüche richtet. In diesem Fall ist nur ein gerichtliches Verfahren gegeben. Trotz des ggf. zugrunde liegenden einheitlichen Lebenssachverhalts liegen selbstständige Streitgegenstände vor, für die jeweils der Auffangwert von 5.000 EUR anzusetzen ist. Die Einzelwerte der Streitgegenstände werden gemäß § 39 Abs. 1 GKG addiert (OVG Lüneburg AGS 20, 414). Bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr ist § 15a Abs. 2 RVG zu beachten.

Beispiel 3: Mehrere Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt; anschließende gemeinsame Klage vor dem VG
Wie Beispiel 2. Die Widersprüche werden jeweils gesondert zurückgewiesen. Es kommt zu einem Verfahren vor dem VG, in dem die Verweigerungen der Zustimmung zur ordentlichen und zur außerordentlichen Kündigung angegriffen wird.
Lösung
Zur Abrechnung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren siehe Beispiel 2. Im gerichtlichen Verfahren ist jetzt wie folgt zu rechnen:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

798,20 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR
(Widerspruch ordentliche Kündigung)

- 217,10 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR (Widerspruch außerordentliche Kündigung)

- 217,10 EUR

Gem. § 15a Abs. 2 RVG nicht mehr als 0,65 aus 10.000 EUR

- 399,10 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

736,80 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

219,62 EUR

1.375,52 EUR

2. Gerichtliches Verfahren hinsichtlich Kündigung vor ArbG

Wegen der Kündigung kann es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen. Vor dem ArbG entsteht eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), auf die die außergerichtliche Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen ist.

Beispiel 4: Zustimmungsverfahren, Kündigung, Kündigungsschutzprozess
Wie vorherige Beispiele. Nach Erteilung der Zustimmung wird die Kündigung ausgesprochen. Dagegen erhebt der Mandant Kündigungsschutzklage.
Lösung
Zur Abrechnung der Vergütung hinsichtlich der Zustimmung sowie der Vergütung hinsichtlich der Kündigung s. Beispiele vorher. Im gerichtlichen Verfahren vor dem ArbG entsteht jetzt unter Anrechnung der Geschäftsgebühr folgende Vergütung.
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

725,40 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 9.000 EUR

- 362,70 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

669,60 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

199,94 EUR

1.252,24 EUR

3. „Gesamtvergleich“ über Sache insgesamt

Wird hinsichtlich der Kündigung ein Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen und regeln die Parteien zusätzlich die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seinen Widerspruch gegen den Bescheid der Behörde zurückzunehmen, hat dieser Regelungsgegenstand keinen Mehrwert. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird der Widerspruch gegenstandslos, sodass der rein deklaratorisch festgeschriebenen Rücknahmevereinbarung im arbeitsgerichtlichen Vergleich kein zusätzlicher wirtschaftlicher Wert zukommt (LAG Nürnberg AGS 16, 483; LAG Rheinland-Pfalz AGS 12, 424). Die gegenteilige Auffassung des LAG Köln (AGS 16, 484), das einen Mehrwert in Höhe eines Bruttogehalts annimmt, ist angesichts der eindeutigen Regelung im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht mehr vertretbar. Denn dort heißt es in Nr. 25.1.7: „Kein Mehrwert bei Erledigung bzw. Verpflichtung zur Erledigung/Rücknahme bei behördlichen Verfahren (Integrationsamt, sonstige Arbeitsschutzbehörde) oder Gerichten (Verwaltungsgericht) im Zusammenhang mit Kündigungsverfahren.“

Beispiel 5: „Gesamtvergleich“ vor dem ArbG
Wie Beispiel 4. Im Verfahren vor dem ArbG einigen sich die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben wird und der Kläger seinen Widerspruch gegen die Zustimmungserklärung vor der Behörde zurücknimmt.
Lösung
Zur Abrechnung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie zur Geschäftsgebühr hinsichtlich der Kündigung siehe die vorstehenden Beispiele. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist jetzt wie folgt abzurechnen:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

725,40 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 9.000 EUR

- 362,70 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

669,60 EUR

1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 9.000 EUR)

558,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % USt., Nr. 7008 VV RVG

305,96 EUR

1.916,26 EUR

AUSGABE: RVGprof 5/2025, S. 91 · ID: 50282728

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