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LeserforumVereinfachtes und streitiges Unterhaltsfestsetzungsverfahren: Sind die Kosten mehrerer Anwälte erstattungsfähig?

Abo-Inhalt23.09.20244 Min. Lesedauer

| FRAGE: Für die Mandantin M hatte der Anwaltskollege K am 10.4.23 im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren (§§ 249 ff. FamFG) den Antrag gestellt, dass der Vater verpflichtet wird, 110 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe ab dem 1.2.23 zu zahlen. Nachdem der Vater Einwendungen erhoben (§ 253 Abs. 2 bis 4 FamFG) und diese der M mitgeteilt wurden (§ 254 FamFG), beauftragte M Rechtsanwalt R mit der weiteren Vertretung. R hat daraufhin am 15.5.24 das streitige Verfahren beantragt (§ 255 FamFG). Nach der mündlichen Verhandlung ist der Vater antragsgemäß verpflichtet worden, Unterhalt zu zahlen. Welche Vergütung kann R nach welchem Gegenstandswert berechnen? Sind die gesamten Kosten beider Anwälte zu erstatten? |

Antwort von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, (Berlin): Das vereinfachte Verfahren und das anschließende Streitverfahren bilden für den Anwalt gebührenrechtlich zwei verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 3 RVG). In beiden Verfahren berechnet sich der Wert nach § 51 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 FamGKG. Die Folge ist:

Für den laufenden Unterhalt (§ 51 Abs. 1 S. 2 FamGKG) ist der zwölffache monatliche Unterhaltsbetrag derjenigen Altersstufe maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Einreichung (hier: 10.4.23) galt. Der monatliche Zahlbetrag von 110 % des Mindestunterhaltes der 1. Altersstufe der ab 1.1.23 gültigen Düsseldorfer Tabelle betrug 356 EUR. Der zwölffache Betrag für den laufenden Unterhalt beläuft sich damit auf 4.272 EUR. Zu addieren (§ 51 Abs. 2 S. 1 FamFKG) sind noch die beiden bereits fälligen Beträge für 03/23 und 04/23 von je 356 EUR. Der Verfahrenswert für die Gerichtsgebühren (§ 55 Abs. 2 FamGKG) und damit auch der Gegenstandswert für den Anwalt (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG) für seine Gebühren beträgt also insgesamt 4.984 EUR.

Auch der Wert für das Streitverfahren beträgt 4.984 EUR. Denn für dessen Wertberechnung ist auf den Eingang des Antrags im vereinfachten Verfahren und nicht auf den späteren Eingang des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens abzustellen (vgl. z. B. N. Schneider in: HK-FamGKG, 4. Aufl., § 51 Rn. 185 m. w. N.). Weitere fällige Beträge, die sich im Laufe des vereinfachten Verfahrens ergeben, erhöhen also nicht den Wert des streitigen Verfahrens (N. Schneider, a. a. O.).

Beachten Sie | Sowohl die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 VV RVG (Anm. Abs. 1) als auch die Terminsgebühr nach der Nr. 3104 VV RVG (Anm. Abs. 4) des vereinfachten Verfahrens sind auf die im streitigen Verfahren entstehende Verfahrens- und Terminsgebühr anzurechnen. In der Praxis wird davon aber i. d. R. nur die Verfahrensgebühr betroffen sein. Denn die mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren vor dem Rechtspfleger (§ 25 Nr. 2 Buchst. c RPflG) ist nicht vorgeschrieben. Sie ist freigestellt (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 128 Abs. 4 ZPO) und daher eher unüblich.

Beispiel
Die Anwaltsvergütung des K für das vereinfachte Verfahren beträgt danach:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.984 EUR)
434,20 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
86,30 EUR
540,50 EUR
Im folgenden streitigen Verfahren beträgt die Anwaltsvergütung des R:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.984 EUR)
434,20 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 4.984 EUR)
400,80 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
162,45 EUR
1.017,45 EUR
Merke | Die Verfahrensgebühr ist in diesem Fall nicht anzurechnen, da in beiden Verfahren nicht derselbe Rechtsanwalt, sondern unterschiedliche Rechtsanwälte tätig waren.

Von der Entstehung der Anwaltsvergütung bei beiden Anwälten ist die Erstattungsfähigkeit ihrer Kosten für die antragstellende M strikt zu trennen: Denn nach (hier: § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m.) § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO müssen die Kosten mehrerer Anwälte nur erstattet werden, wenn ein notwendiger Anwaltswechsel vorliegt (vgl. z. B. AKPRSS/Ahlmann, RVG, 11. Aufl., § 6 Rn. 8a). Notwendig ist ein Anwaltswechsel, wenn er nicht auf ein Verschulden des Beteiligten oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts zurückzuführen ist. Dabei reicht aber nicht schon die objektive Notwendigkeit des Anwaltswechsels aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass ein Wechsel unvermeidbar war, somit nicht schuldhaft verursacht worden ist. Beides ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, insbesondere, ob der Wechsel auf Umständen beruht, die die Partei oder der Anwalt voraussehen oder in zumutbarer Weise hätten verhindern können (vgl. z. B. OLG Brandenburg JurBüro 03, 587). Das gilt auch im vorliegenden Fall.

Beachten Sie | Die Kosten des vereinfachten Verfahrens werden als Teil der Kosten des streitigen Verfahrens behandelt (§ 255 Abs. 5 FamFG). Insoweit gilt dasselbe wie für den Fall des Anwaltswechsels zwischen selbstständigem Beweisverfahren und nachfolgendem Hauptsacheverfahren (OLG Brandenburg JurBüro 22, 26) oder zwischen Mahn- und streitigem Verfahren (BGH NJW 18, 871).

Fortsetzung Lösung

Vorliegend erscheint der Anwaltswechsel als nicht notwendig. Folglich sind nur die Kosten zu erstatten, die im Fall der Vertretung durch einen Anwalt entstanden wären. Die Folge ist: Die doppelte Erstattung der Verfahrensgebühr von 434,20 EUR nebst der auf sie entfallenden Umsatzsteuer von 76,15 EUR fällt aus. Für das streitige Verfahren kann R nur die restliche Vergütung von 500,75 EUR erstattet verlangen (= 1,2-Terminsgebühr von 400,80 EUR + Auslagenpauschale von 20,00 EUR + 19 % USt. von 71,40 EUR).

AUSGABE: RVGprof 10/2024, S. 169 · ID: 50146252

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