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AnrechnungIsolierte Kostenerstattungsklage: Vorgerichtliche Geschäftsgebühr muss angerechnet werden
| Erfüllt der erstattungspflichtige Gegner außergerichtlich zwar die geltend gemachte Hauptforderung, verweigert er aber die Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten, müssen diese isoliert gerichtlich geltend gemacht werden. Der BGH hat in diesem Zusammenhang geklärt, dass die außergerichtliche Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr dieses Rechtsstreits gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet werden muss. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Während die bisherige Rechtsprechung (LG Saarbrücken AGS 07, 291; AG Rosenheim AGS 20, 202; AG Berlin-Mitte JurBüro 15, 576) und die Literatur (z. B. AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 232) bei der isolierten gerichtlichen Geltendmachung der vorgerichtlichen Anwaltskosten eine Anrechnung ausschließen, hat der BGH nun das Gegenteil entschieden. Denn bei den aus der Hauptforderung entstandenen Rechtsanwaltskosten und der in ihr enthaltenen Geschäftsgebühr handelt es sich um denselben Gegenstand i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG (24.10.23, VI ZB 39/21, Abruf-Nr. 238672).
Wirtschaftlich gesehen ist das derselbe Gegenstand |
Dass die vorgerichtliche Hauptforderung und die daraus entstandenen Anwaltskosten einen unterschiedlich hohen Wert haben und damit der Gegenstand nur teilweise identisch ist, ändert nach Auffassung des BGH nichts. In diesem Fall erfolgt die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV RVG nur nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Die Folge ist: Der für die Abrechnung maßgebliche Wert wird durch die Höhe der im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestimmt.
Relevanz der Entscheidung
Die Entscheidung bewirkt, dass die Anrechnung folgendermaßen vorzunehmen ist:
Ausgangsfall | |
Anwalt A macht mit Schreiben vom 1.11.23 für seinen Mandanten eine Schadenersatzforderung aus einem Verkehrsunfall i. H. v. 10.000 EUR gegenüber dem Gegner geltend. A verlangt daneben die Erstattung der aus dem Gegenstandswert von 10.000 EUR außergerichtlich (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i. V. m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO) entstandenen Anwaltskosten, also: | |
1,3-Geschäftsgebühr aus 10.000 EUR, § 14 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG | 798,20 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 155,45 EUR |
973,66 EUR | |
Klage mit Urteil | |
1,3-Verfahrensgebühr aus 973,66 EUR, Nr. 3100 VV RVG | 114,40 EUR |
0,65 Anrechnung gemäß § 15a Abs. 1 RVG, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | – 57,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr aus 973,66 EUR, Nr. 3104 VV RVG | 105,60 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 34,73 EUR |
217,53 EUR |
Beachten Sie | Der erstattungspflichtige Gegner kann sich im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Anrechnung berufen, da mit dem Urteil die Geschäftsgebühr gegen ihn tituliert worden ist (Var. 2 des § 15a Abs. 3 RVG).
Abwandlung 1: Zahlung nach Klagezustellung | |
Übereinstimmende Erledigungserklärung | |
1,3-Verfahrensgebühr aus 973,66 EUR, Nr. 3100 VV RVG | 114,40 EUR |
0,65 Anrechnung gemäß § 15a Abs. 1 RVG, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | – 57,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr aus 973,66 EUR, Nr. 3104 VV RVG | 105,60 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 34,73 EUR |
217,53 EUR |
Beachten Sie | Der erstattungspflichtige Gegner kann sich im Kostenfestsetzungsverfahren auf diese Anrechnung berufen, da er die Geschäftsgebühr unstreitig erfüllt hat (Var. 1 des § 15a Abs. 3 RVG).
Abwandlung 2: Mahn- und Vollstreckungsbescheid | |
Wie im Ausgangsfall. Nachdem der Gegner vorgerichtlich zwar den Schadenersatz, aber nicht die Anwaltskosten zahlt, beantragt A für seinen Mandanten den Erlass eines Mahnbescheids. Dort trägt A das Folgende ein: | |
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© IWW Institut
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Im Mahnbescheid wird weiterhin Katalog-Nr. 29 angegeben | |
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© IWW Institut
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Hier hat A korrekt beachtet: Die bisherigen vorgerichtlichen Anwaltskosten (= 973,66 EUR) werden nach dem bisherigen Gegenstandswert (= 10.000 EUR) eingetragen. Der Anrechnungsbetrag berechnet sich aber nur anhand der Höhe der Anwaltskosten und wird entsprechend eingetragen (Anrechnung Vorbem. 3 Abs. 4 VV = Gebührensatz 0,65 aus Gegenstandswert 973,66 EUR = Anrechnungsbertrag 57,20 EUR netto). Nach Zustellung des Mahnbescheids beantragt A den Erlass eines Vollstreckungsbescheids, der rechtskräftig wird. Es sind die folgenden Anwaltskosten für das Mahnverfahren entstanden: | |
Diese Anwaltskosten sind für das Mahnverfahren entstanden | 88,00 EUR |
0,65 Anrechnung, §§ 1, 2, 13, 15a Abs. 1 RVG, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | – 57,20 EUR |
0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3308 VV RVG | 44,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 18,01 EUR |
112,81 EUR |
AUSGABE: RVGprof 2/2024, S. 25 · ID: 49868504