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FortbildungskostenSo vereinbaren Sie wirksam die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten Ihrer Mitarbeiter

Abo-Inhalt31.03.2025236 Min. LesedauerVon Dr. Guido Mareck, Direktor am Arbeitsgericht Dortmund

| Praxismitarbeiter, insbesondere angestellte Therapeuten, sollen sich fort- und weiterbilden, um mit ihrem Wissen auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Hiervon profitiert auch der Praxisinhaber. Aber was ist mit den Kosten? Eine Fortbildung kann schnell mehrere tausend Euro kosten. Und dann ist der Mitarbeiter vielleicht nach einigen Monaten mit dem ganzen Wissen weg – und der nächste Arbeitgeber profitiert. Der Beitrag zeigt auf, wie sich der Praxisinhaber mit einer Rückzahlungsvereinbarung absichern kann. |

Wann sind Rückzahlungsvereinbarungen zulässig?

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Situationen, in denen eine Rückzahlungsvereinbarung wirksam ist oder nicht. Hierzu hat sie einige Kriterien entwickelt.

a) Zulässige Rückzahlungsvereinbarungen

Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) sind Rückzahlungsvereinbarungen im Grunde bei solchen Fortbildungen wirksam, die für den Praxismitarbeiter „vorteilhaft“ sind. Doch was meint das BAG mit „vorteilhaft“? Damit sind Fortbildungen gemeint, die ihre beruflichen Möglichkeiten verbessern. Das ist der Fall, wenn der Praxismitarbeiter durch die Fortbildung eine neue – bisher verschlossene – Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt oder eine höher dotierte Vergütung in der Physiopraxis in Aussicht gestellt bekommt.

Beispiele: Diese Fortbildungen rechtfertigen eine Rückzahlungsvereinbarung

  • Der Therapeutin Anja wird eine Fortbildung zur Fitnesstrainerin (B-Lizenz) ermöglicht. Der Kurs erstreckt sich als Modulausbildung über sechs Monate. Der Praxisinhaber ist damit einverstanden und würde ihr die Kursgebühren und die Freistellung finanzieren. Da sich in diesem Fall die beruflichen Möglichkeiten erheblich verbessern, ist eine Vereinbarung zur Rückzahlung in der Regel wirksam.
  • Der Therapeut Jonas wird gefragt, ob er künftig bei MLD-Behandlungen eingesetzt werden möchte. Er bejaht dies – unter der Voraussetzung, dass ihm die Kosten des Lehrgangs bezahlt werden. Der Praxisinhaber stimmt zu. Erhält Jonas später mit seiner zusätzlichen Funktion eine höhere Vergütung, so ist eine Vereinbarung zur Rückzahlung dem Grunde nach zulässig.

Wichtig | Wenn die Fortbildung im erkennbaren Interesse oder auf eigenen Wunsch des Praxismitarbeiters erfolgt, sind Rückzahlungsvereinbarungen meist unproblematisch zulässig.

b) Unzulässige Rückzahlungsvereinbarungen

Wann sind Rückzahlungsvereinbarungen von Fortbildungen ausgeschlossen? Hier gilt: Handelt es sich um eine kurze Fortbildung, die zwar betriebsbezogen ist, aber nur die vorhandenen Fähigkeiten vertieft bzw. auffrischt, kann der Praxisinhaber keine Rückzahlung vereinbaren. Dieser Ausschluss gilt auch bei

  • Lehrgängen im bisherigen Berufsfeld ohne qualifizierten Abschluss,
  • fachlichen Fortbildungskursen, die lediglich Fachwissen auffrischen, um damit neue betriebliche Gegebenheiten umsetzen zu können,
  • Maßnahmen, die notwendig sind, um sich an einem bestimmten Arbeitsplatz einzuarbeiten.

Solche Maßnahmen bezwecken nicht, berufliche Möglichkeiten zu verbessern. Der Mitarbeiter hat hierbei meist nicht die Chance auf mehr Gehalt oder bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Auch ist es nicht ohne Weiteres zulässig, die Rückzahlungspflicht allein an das wiederholte erfolglose Ablegen einer angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne nach den Gründen zu differenzieren. Gründe für die Nichtablegung, die nicht in den Verantwortungsbereich des Mitarbeiters fallen, sind konkret zu benennen und von der Rückzahlungspflicht auszunehmen (BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 187/22, Abruf-Nr. 236865).

Beispiel

Therapeutin Saskia arbeitet am Empfang von Physiotherapeutin Andrea und ist auch für die Abrechnung zuständig. Nun muss eine neue Software für die Abrechnungen eingesetzt werden. Die Einweisung erfolgt durch eine Fortbildungseinheit von 3 x 2 Tagen. Hierbei handelt es sich um eine Fortbildung, die nur für die Praxis von Nutzen ist. Für Saskia bieten sich weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in der Praxis selbst Vorteile.

Genaue Bezeichnung der Kosten in der Vereinbarung notwendig

Das BAG erkennt eine Rückzahlungsvereinbarung nur als wirksam an, wenn vor Beginn der Maßnahme die konkreten wirtschaftlichen Vorteile und die genaue wirtschaftliche Belastung des Mitarbeiters bei vorzeitigem Ausscheiden eindeutig für den Mitarbeiter erkennbar sind (Urteil vom 21.11.2002, Az. 6 AZR 77/01, und vom 23.01.2007, Az. 9 AZR 482/06). Zudem darf der Arbeitgeber höchstens den Betrag verlangen, den er für die Aus- oder Weiterbildung des Mitarbeiters tatsächlich investiert hat. Dabei muss der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss wissen, was ggf. auf ihn zukommt (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.10.2022, Az. 8 Sa 123/22).

Praxistipp | In der Praxis heißt dies, dass die Rückzahlungsvereinbarung selbst diese Kosten im Einzelnen so genau wie möglich (konkrete Beträge!) bezeichnen muss, um wirksam zu sein. Hieran scheitern im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung oft die Bemühungen des Arbeitgebers um Rückzahlung zumindest eines Teils der Fortbildungskosten.

Die untrennbaren Schwestern: Weiterbildungsdauer und Bindungsdauer

Weiterbildungsdauer und Bindungsdauer – das sind bei der Frage nach einer zulässigen Rückzahlungsvereinbarung zwei untrennbare Schwestern. Mit der Weiterbildungsdauer ist der Zeitraum gemeint, den die Bildungsmaßnahme einnimmt. Die Bindungsdauer sagt aus, wie lange sich der Praxisinhaber nach der Fortbildung auf die Klausel berufen darf. Diese beiden Schwestern müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Grundsätzlich darf die Bindungswirkung nicht zu lang sein. Die optimale Länge hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß die beruflichen Chancen des Mitarbeiters infolge der Fortbildung gestiegen sind.

Beispiele für Bindungsdauer von Rückzahlungsklauseln

So hat die Rechtsprechung entschieden:

  • Weiterbildung = 1 Monat; Bindungsdauer = 6 Monate
  • Weiterbildung = 2 Monate; Bindungsdauer = 1 Jahr
  • Weiterbildung = über 6 Monate; Bindungsdauer = 3 Jahre
  • Weiterbildung = 2 Jahre; Bindungsdauer = 5 Jahre

Rückzahlungsmodalitäten korrekt gestalten

Bei einer Vereinbarung sind auch die Rückzahlungsmodalitäten zu regeln. Die Rechtsprechung hat hierzu eine Regel aufgestellt: Danach ist der zurückzuzahlende Betrag zeitanteilig im Verhältnis zu staffeln.

Beispiele: So beeinflusst die Bindungsdauer den Rückzahlungsbetrag

Bei einer einjährigen Bindungsdauer sollte der Rückzahlungsbetrag pro Monat der Bindungsdauer um 1/12 reduziert werden. Handelt es sich um eine zweijährige Bindungsdauer, würde entsprechend um 1/24 gekürzt werden.

Unzulässig wäre es, den vollen Betrag zu fordern, wenn der Mitarbeiter innerhalb der Bindungsdauer die Praxis verlässt. Der zurückzuzahlende Betrag darf zudem nur die tatsächlich angefallenen Fortbildungskosten umfassen.

Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich

Nicht jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist löst wirksame Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers aus. Die vorzeitige Beendigung muss vielmehr der Sphäre des Praxismitarbeiters zuzurechnen sein. Das ist beispielsweise bei einer Eigenkündigung des Mitarbeiters oder einer berechtigten verhaltensbedingten Kündigung der Fall. Unterscheidet die Klausel nicht in diesem Sinne nach dem Grund der Beendigung, so ist sie wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion allgemeiner Geschäftsbedingungen insgesamt unwirksam und der Praxisinhaber kann keine Rückzahlung erfolgreich durchsetzen. In diesem Zusammenhang ist auch allein das Ausscheiden durch Eigenkündigung des Mitarbeiters nicht Grund genug, um wirksam die Rückzahlungspflicht auszulösen und eine unangemessene Benachteiligung auszuschließen. Vielmehr ist auch hier nach dem Anlass der Eigenkündigung (Sphäre des Mitarbeiters oder nicht) zu differenzieren (BAG 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21, Abruf-Nr. 229055).

Merke | Überdies gilt zulasten des Praxisinhabers, dass sich dieser nicht zu seinen Gunsten auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst verwendeten Klauseln berufen kann (aktuell: BAG, Urteil vom 16.04.2024, Az. 9 AZR 181/23, Abruf-Nr. 243077). Dies bedeutet in der Praxis zum Beispiel, dass der Arbeitgeber, der eine Rückzahlungsklausel mit einer unwirksamen, weil zu kurzen oder zu umfangreichen („alle Ansprüche“ ohne Ausschluss der deliktischen oder MiLo-Ansprüche), Ausschlussklausel versieht, sich als Klauselverwender nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, sondern sie gegen sich gelten lassen muss.

Weiterführender Hinweis
  • Eine Musterformulierung für einen Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel finden Sie online unter iww.de/pp, Abruf-Nr. 48486351

AUSGABE: PP 9/2025, S. 14 · ID: 50365376

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