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KündigungsgründeDie Kündigung von „Low-Performern“, Kurzzeit-erkrankten und Arbeitszeitbetrügern im Überblick

Abo-Inhalt05.03.20251284 Min. LesedauerVon RAin Heike Mareck, Externe Datenschutzbeauftragte, Dortmund

| Mögliche Abmahnungs- und Kündigungsgründe sowie der richtige Umgang mit „Low-Performern“, Kurzzeiterkrankten oder Arbeitszeitbetrügern hängen häufig von sehr speziellen Fragen und noch detaillierteren Antworten ab. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick darüber, worauf sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. deren Rechtsbeistände hierbei einstellen sollten und wohin sich die Rechtsprechung in diesem Themenkomplex in der letzten Zeit bewegt. |

„Low-Performer“

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Arbeitnehmer ein „Low-Performer“, wenn er längerfristig im Durchschnitt weniger als 66 Prozent der Leistung eines vergleichbaren Arbeitnehmers erbringt (Urteil vom 03.06.2004, Az. 2 AZR 386/03, Abruf-Nr. 153771 und Urteil vom 11.12.2003, Az. 2 AZR 667/02).

Welche Leistung schuldet der Arbeitnehmer? Es gilt der sogenannte subjektiver Leistungsbegriff des BAG: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann“. Der Begriff orientiert sich an der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, die ausgeschöpft werden muss (BAG, Urteil vom 17.01.2008, Az. 2 AZR 536/06).

Nach Ansicht eines Teils der Literatur ist die „objektive Normalleistung“ geschuldet. Dies ist die „Leistung, die der Arbeitnehmer nach Einarbeitung bei angemessenen Arbeitsbedingungen ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter, normale Schwankungen ohne gesteigerte Anstrengungen erbringen kann“.

Wie kann einem Low-Performer gekündigt werden? Wenn ein Arbeitnehmer trotz persönlicher Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum die Durchschnittsleistung um mehr als ein Drittel unterschreitet, kann dies ggf. nach einer einschlägigen Abmahnung eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 03.05.2022, Az. 4 Sa 548/21, Abruf-Nr. 230336 und Az. 4 Sa 762/21, Abruf-Nr. 230339).

Checkliste / Unterschied „Low-Performer“ und „Quiet Quitting“

Ein „Low-Performer“ ist ein „Minderleister“, dessen Leistung unter dem objektiven Durchschnitt der Normalleistung liegt. Ursachen können fehlende körperliche Leistungsfähigkeit oder mangelnder Leistungswille und damit personen- oder verhaltensbedingt sein.

Beim „Quiet Quitting“ hingegen kann der Arbeitnehmer durchaus leistungsfähig und auch leistungswillig sein, aber nur in dem vertraglichen Rahmen. Das äußert sich darin, dass keine Überstunden geleistet, keine Mehrarbeit und keine Extraaufgaben oder Sonderprojekte freiwillig übernommen werden. Die Grenzen können bei diesen Verhaltensweisen aber verschwimmen.

Checkliste / Low-Performer: Wann kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht?

Auch auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Nachfolgend sechs Fakten:

  • 1. Ob eine Leistung eine Schlechtleistung ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers.
  • 2. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitspflicht selbst willkürlich nicht bestimmen. Er darf nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig bestimmen. Er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten.
  • 3. Ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierbarer Kriterien nicht immer erkennbar. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.
  • 4. In einer Vergleichsgruppe ist stets ein Angehöriger der Gruppe das „Schlusslicht“. Das kann auch daran liegen, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark sind, sich überfordern oder dass umgekehrt der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach ist.
  • 5. Andererseits ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären. Dem muss auch im Rahmen des Kündigungsschutzrechts Rechnung getragen werden. Ansonsten würde einer Vertragspartei die Möglichkeit genommen, einen vertragswidrigen Zustand mit rechtlich zulässigen Mitteln zu beseitigen (BAG, Urteil vom 17.01.2008, Az. 2 AZR 536/06, Abruf-Nr. 081964).
  • 6. Bei quantitativen Minderleistungen orientiert sich die Rechtsprechung an den Werten, die für die Annahme einer grundlegenden Störung des Leistungsgleichgewichts herangezogen worden sind (BAG, Urteil vom 11.12.2003, Az. 2 AZR 667/02, Abruf-Nr. 042210).

Checkliste / Low-Performer-Kündigung: Wer muss was beweisen?

Es gelten die Regeln der abgestuften Darlegungslast:

  • 1. Zunächst ist es Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen hervorgeht, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten.
  • 2. Davon kann dann gesprochen werden, wenn – gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer – das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Zum Beispiel bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um mehr als ein Drittel. Dem entspricht es, wenn das BAG in anderen Fällen unterhalb einer Grenze von etwa einem Drittel liegende Vergütungseinbußen als noch hinnehmbar und nicht als eine grundlegende Störung des Leistungsgleichgewichts im kündigungsrechtlich geschützten Kernbereich ansieht (BAG, Urteil vom 11.12.03, Az. 2 AZR 667/02, Abruf-Nr. 042210).
  • 3. Trägt der Arbeitgeber vor, dass die Leistungen des Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen – ggf. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hier können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit oder betriebliche Umstände eine Rolle spielen.
  • 4. Legt der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel dar, ist es Sache des Arbeitgebers, sie zu widerlegen. Trägt der Arbeitnehmer hingegen derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 Zivilprozessordnung [ZPO]). Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.

Rechtsprechungsübersicht / Kündigung bei Low-Performern

LAG Hamm, Urteil vom 23.08.2000, Az. 18 Sa 463/00

Kündigung eines Hilfsarbeiters in der Kunststoffverarbeitung wegen erfolglos abgemahnter Schlechtleistungen.

LAG Köln, Urteil vom 17.06.2003, Az. 13 (3) Sa 1043/02, Abruf-Nr. 153723

Verhaltensbedingte Kündigung eines Vorarbeiters im Reinigungsdienst bei der Deutschen Bahn AG wegen wiederholter Schlechtleistung.

LAG Köln, Urteil vom 26.02.1999, Az. 11 Sa 1216/98

Kündigung eines Hilfsarbeiters in der Produktion wegen erheblicher Minderleistungen, die nicht als verhaltens-, aber als personenbedingt bestätigt wurde.

BAG, Urteil vom 03.06.2004,

Az. 2 AZR 386/03, Abruf-Nr. 153771

Personenbedingte Kündigung eines Vertriebsbeauftragten in der Unternehmensberatung wegen anhaltender Erfolglosigkeit.

LAG Köln, Urteil vom 04.09.2006, Az. 14 Sa 635/06

Kündigung eines Lkw-Fahrers wegen Verkehrsverstößen.

LAG Hamm, Urteil vom 25.09.2012, Az. 9 Sa 702/12

Personenbedingte Kündigung eines Konstrukteurs im Maschinenbau wegen Fehl- und Minderleistungen ohne vorherige Abmahnung.

BAG, Urteil vom 09.06.2011,

Az. 2 AZR 284/10, Abruf-Nr. 121163

Kündigung eines Sachbearbeiters im öffentlichen Dienst wegen fortgesetzter Nichterfüllung wichtiger Arbeitsaufgaben und Vortäuschens der Aufgabenerfüllung.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2008, Az. 13 Sa 1916/07

Kündigung einer Kassiererin im Einzelhandel wegen Übersehens von Waren beim Kassieren.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.09.2009, Az. 3 Sa 153/09, Abruf-Nr. 093735

Kündigung eines Hilfsarbeiters in der Werkstatt eines Autohauses wegen nicht mehr ausreichender Qualifikation.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.04.2009, Az. 7 Sa 1385/08

Bewusste Einschränkung der Arbeitsleistung aus Ärger über Weisungen des Arbeitgebers.

BAG, Urteil vom 11.12.2003,

Az. 2 AZR 667/02, Abruf-Nr. 042210

Kommissionierer leistet 40 bis 50 Prozent weniger als Durchschnitt. Eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistungen setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht verstößt. Es kommt darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird.

LAG Nürnberg, Urteil vom 12.06.2007, Az. 6 Sa 37/07

Kündigung wegen personenbedingter Minderleistungen ist nur berechtigt, wenn auch zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass keine Besserung der Arbeitsleistung erwartet werden kann; hierfür kann der erfolglose Ausspruch einer Abmahnung Indiz sein.

BAG, Urteil vom 17.01.2008, Az. 2 AZR 536/06, Abruf-Nr. 081964

Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorwerfbar verletzt, indem er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten verletzt.

Checkliste / Empfehlungen für den Arbeitgeber

  • 1. Leistungsabfall dokumentieren: Darlegen und nachvollziehbar dokumentieren,
    • welche Arbeitnehmer aus welchen Gründen mit dem „Low-Performer“ vergleichbar sind;
    • dass der schlechte Mitarbeiter im Durchschnitt weniger als 66 Prozent der Leistung der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer erbringt.
  • 2. Konsequente Kündigung in der Probezeit: Für Arbeitgeber von Vorteil, weil in dieser Zeit das KSchG noch keine Anwendung findet und so die Kündigung nicht durch betriebliche, personen- oder verhaltensbedingte Gründe sozial gerechtfertigt sein muss. Es genügt die bloße Erklärung, dass der gekündigte Arbeitnehmer z. B. nicht ins Team passt oder nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt.
  • 3. Nach der Probezeit: Der Arbeitgeber hat den Eindruck, dass der Leistungsabfall des „Low-Performers“ darauf zurückzuführen ist, dass dieser 100 Prozent bringen kann, dies aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht will: dann Abmahnung. Nicht selten führt das zu einer Leistungssteigerung. Sollte der „Low-Performer“ weiter nicht leistungsbereit sein, liegt im erfolglosen Ausspruch einer Abmahnung die Grundlage für eine spätere verhaltensbedingte Kündigung. Aus Beweisgründen Abmahnung schriftlich erteilen und wiederum um die Bestätigung des Mitarbeiters bitten, dass er sie erhalten hat bzw. einen verlässlichen Zeugen bei der Übergabe hinzuziehen.
  • 4. Verhaltensbedingte Kündigung? Der Arbeitgeber muss dokumentieren, dass der Mitarbeiter die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg schuldhaft um mindestens ein Drittel unterschritten hat. Eine erfolglose Abmahnung mit anschließend hinreichender Gelegenheit, die schuldhafte Schlechtleistung abzustellen, muss der Arbeitgeber beweisen.
  • 5. Personenbedingte Kündigung: Der Arbeitgeber weiß meist nicht, ob der „Low-Performer“ schlecht leistet, weil er die vertragsgerechte Leistung nicht erbringen will (Bereich der verhaltensbedingten Kündigung) oder weil er die vertragsgerechte Leistung nicht erbringen kann (Bereich der personenbedingten Kündigung). Die Schlechtleistung ist meist auf fehlende Einsatzbereitschaft und fehlendes Leistungsvermögen zurückzuführen. Der Arbeitgeber muss bei personenbedingter Kündigung beweisen, dass die Leistung der Kollegen um ein Drittel unterschritten wird. Zudem: negative Prognose, dass auch in Zukunft weiter mit einer Schlechtleistung des Mitarbeiters zu rechnen ist und dass es keine milderen Mittel als eine Kündigung gibt, wie z. B. Umschulung, Fortbildung oder Versetzung auf einen geeigneten Arbeitsplatz.

Der Arbeitnehmer, der häufig kurz erkrankt

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich:

  • Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen (1. Stufe).
  • Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes festzustellen ist (2. Stufe). Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen.
  • Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung (3. Stufe) ist zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG, Urteil vom 25.04.2018, Az. 2 AZR 6/18, Abruf-Nr. 202660).

Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbilds, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG, Urteil vom 20.11.2014, Az. 2 AZR 755/13, Abruf-Nr. 176329). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der 1. Stufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG a. a. O.). Dann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2022, Az. 14 Sa 825/21). Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG a. a. O.).

Bei einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen kann die Berücksichtigung eines zweijährigen Referenzzeitraums im Einzelfall ausreichend sein (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2022, Az. 14 Sa 825/21; Revision anhängig beim BAG, Az. 2 AZR 252/22).

Das Arbeitsgericht (ArbG) Dortmund (Urteil vom 08.06.2021, Az. 5 Ca 4375/20) kam dabei zum Ergebnis: Wird bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ordnungsgemäß nach Vortrag des Arbeitgebers durchgeführt und sind dessen Teilnehmer und Ergebnisse belegt, genügt das einfache Bestreiten der ordnungsgemäßen Durchführung nach § 167 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX nicht, um die Rechtsfolge der Unverhältnismäßigkeit der Kündigung auszulösen.

Vortäuschen einer Krankheit

Das ArbG Siegburg (Urteil vom 01.12.2022, Az. 5 Ca 1200/22) kam zum Ergebnis, dass eine Arbeitnehmerin, die sich krankmeldet und in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit Partys feiert, die fristlose Kündigung riskiert. Hintergrund des Streits war eine Party, zu der die Arbeitnehmerin ging, obwohl sie sich krankgemeldet hatte. Im WhatsApp-Status der Arbeitnehmerin und auf der Homepage des Partyveranstalters befanden sich Fotos von der feiernden Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. Das Gericht wies die Klage ab (ausführliche Fallbesprechung in PP 03/2023, Seite 8).

Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.03.2023, Az. 8 Sa 859/22) entschied dabei kürzlich: Nur weil ein Arbeitnehmer sich am Tage einer Kündigung krankgemeldet habe, sei der Beweiswert einer AUB noch nicht erschüttert. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Arbeitnehmer just am Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in anderer Position wieder tätig geworden sei (PP 09/2023, Seite 6). Allerdings hat das BAG die Entscheidung des LAG Niedersachsen kassiert (Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23) und damit am nahezu unerschütterlichen Beweiswert der AUB gekratzt. (PP 04/2024, Seite 7).

Der Arbeitszeitbetrug

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Nach Auffassung des LAG Hamm gilt dies für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr und das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Das Gericht wies die Kündigungsschutzklage einer Raumpflegerin ab (Urteil vom 27.01.2023, Az. 13 Sa 1007/22). Besonders schwerwiegend war für das Gericht der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch. Ein solcher lag aus Sicht des Gerichts irreparabel vor, insbesondere, weil die Arbeitnehmerin den Cafébesuch im Personalgespräch mit dem Arbeitgeber so beharrlich geleugnet hatte. Eine Abmahnung hielt es aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung für entbehrlich (ausführliche Fallbesprechung in (PP 10/2023, Seite 6 ff.).

Rechtsprechungsübersicht / Das Gewicht der Pflichtverletzung bei einer Kündigung

LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2023, Az. 11 Sa 433/22

Die Vorlage eines gefälschten Impfpasses stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar. Einen schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Mitarbeiter ist deshalb nach 19 Jahren im Betrieb seinen Job los.

ArbG Dortmund, Urteil vom 20.09.2022, Az. 5 Ca 253/22

Die Nichtbeachtung der Anzeige- und Nachweispflicht trotz mehrfacher einschlägiger Abmahnungen kann auch bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

ArbG Dortmund, Urteil vom 23.11.2021, Az. 5 Ca 1545/21

Verstöße gegen Anweisungen sind insbesondere bei Diensten höherer Art (Bereichsleiter IT) substanziiert zu protokollieren und ggf. abzumahnen. Unterbleibt dies, ist allein der enttäuschte Erwartungshorizont des Arbeitgebers nicht ausreichend, um eine verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen.

ArbG Dortmund, Urteil vom 23.02.2021, Az. 5 Ca 3415/20

Veranlasst ein Arbeitnehmer zusammen mit einem Kunden die Auszahlung eines Retourenbelegs zu Unrecht, stellt dies typischerweise ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgeber dar, das geeignet ist, einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.

Wilder Streik

Streiken ist arbeitsrechtlich erlaubt, wenn die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Streik vorliegen. Dazu gehört, dass ein Streik von einer tariffähigen Partei geführt wird. Nicht umfasst ist ein wilder Streik, ein Arbeitskampf, der ohne eine Gewerkschaft geführt wird. Die Teilnahme an einem wilden Streik ist eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Sie kann nach erfolgter Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

In diesem Zusammenhang entschied das LAG Berlin-Brandenburg (Urteile vom 25.04.2023, Az. 16 Sa 868/22, Az. 16 Sa 869/22 und Az. 16 Sa 871/22), dass die fristlosen Kündigungen gegenüber zwei Fahrradkurieren (sog. Rider) wirksam waren. Das LAG wertete die Beteiligung an den „wilden“ Streiks als erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen und ging davon aus, dass die nicht gewerkschaftlich organisierte Protestaktion nicht als zulässige Ausübung des Streikrechts gemäß Art. 9 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz (GG) zu beurteilen sei, dies auch nicht unter Berücksichtigung von Teil II Artikel 6 Nr. 4 der Revidierten Europäischen Sozialcharta (RESC).

AUSGABE: PP 5/2025, S. 14 · ID: 50259316

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