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PraxisangebotBleiben Sie am Ball! Der Pezziball in der Physiotherapiepraxis

Abo-Inhalt24.06.2024699 Min. LesedauerVon Physiotherapeut/Sportwissenschaftler M. A. Thomas Colshorn, Bremen

| Sie gehören zur Grundausstattung jeder Praxis: Gymnastikbälle, meist geläufiger unter der Bezeichnung Pezziball. Hier und da werden sie in der Therapie eingesetzt, andernorts verstauben sie in der Ecke. Dabei belegen gerade neuere wissenschaftliche Untersuchungen ihre Wirksamkeit: Die Bälle sind ein hervorragendes und vielseitiges Kleingerät, mit dem sich Therapie und Training anspruchsvoll und unterhaltsam gestalten lassen. |

Nach vielversprechendem Beginn ging dem Ball die Luft aus

Die Ursprünge des heutzutage allgegenwärtigen Pezziballs nachzuvollziehen, ist keine ganz einfache Sache. Einigen Quellen zufolge wurde er in den 1960er-Jahren von Aquilino Cosani in Italien erfunden, allerdings sind diese Quellen sich nicht ganz einige darüber, ob er lediglich Kunststoffabrikant oder selber Physiotherapeut war. Andere wiederum verorten die Schweiz als Geburtsort des Pezziballs (der daher im englischsprachigen Raum auch als „Swiss Ball“ bekannt ist), wo die legendäre Susanne Klein-Vogelbach ihre Funktionelle Bewegungslehre (FBL) entwickelte und mit der Bitte an Cosani herangetreten sei, einen Gymnastikball gemäß ihren Ideen herzustellen. Fest steht nur, dass die Wortmarke „Pezziball“ später von der italienischen Herstellerfirma Ledragomma registriert wurde zumindest und im deutschsprachigen Raum synonym für den Gymnastikball steht.

Wer immer auch der eigentliche Erfinder gewesen sein mag – der Pezziball trat seinen Siegeszug in der Physiotherapie an, wo er zunächst Verwendung im Rahmen des Bobath-Konzeptes fand. Auch hier bleibt die Geschichte unklar: So wird die Therapeutin, die den Ball als erste maßgeblich in die Physiotherapie integriert haben soll, je nach Quelle wahlweise als Elsbeth Köngan oder Elseth Kong bezeichnet. Fest steht, das der Ball seitdem integraler Bestandteil nicht nur der Therapie war, sondern auch zunehmend des Breiten- und Gesundheitssports. Spätestens seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts kommt kein Fitnessstudio mehr ohne Bälle aus. Nur im neuen Jahrtausend ging dem Ball dann sprichwörtlich die Luft aus: Neben zahlreichen neuen Trainingsgeräten und -methoden wirkte er ein wenig altbacken.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit führten zur Wiederentdeckung

Seit einiger Zeit allerdings wird er wiederentdeckt, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass wissenschaftliche Studien seine Wirksamkeit als Trainingsgerät belegen. So haben mehrere Untersuchungen der vergangenen Jahre die positiven Effekte eines Pezziballtrainings auf Gesundheit und Fitness hin untersucht. Forschungsergebnisse belegen, dass ein Training auf dem Pezziball vor allem die Rumpfmuskulatur je nach Übung mehr anspricht als ein Training auf stabilem Untergrund [1, 2]. Darüber hinaus wird der Ball vor allem in der Pädiatrie und der Neurologie eingesetzt.

Günstig und gut: Beim Material machen Sie wenig falsch

Gymnastikbälle sind nicht nur vielfältig im Training einsetzbar, sondern auch kostengünstig. Ob man sich dabei für den Original-Pezziball oder ein vergleichbares Modell aus anderer Herstellung entscheidet, macht keinen großen Unterschied. Die Standardversion mit einem Durchmesser von 65 cm kostet rund 15 Euro. Diese Größe ist für Personen mit einer Körpergröße zwischen 158 und 181 cm gedacht und damit für die meisten Menschen passend. Es empfiehlt sich aber, noch einige Bälle mit kleinerem und größerem Durchmesser ins Sortiment aufzunehmen (53 cm und 75–85 cm), die für Menschen bis zu 157 cm bzw. über 182 cm gedacht sind.

Praxistipp | Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, sollte Bälle mit einer Anti-Burst-Technologie wählen. Kommt es zu einem Einriss des Balls, platzt er nicht, sondern die Luft entweicht langsam und gleichmäßig. Kontrollieren Sie die Bälle auch regelmäßig auf kleinere Beschädigungen und sortieren Sie diese Bälle konsequent aus. Tun Sie dies nicht, können geschädigte Patienten oder Kunden Sie in Regress nehmen [3].

Kursorganisation: Für viele Teilnehmergruppen geeignet

Pezziballtraining eignet sich sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene. Insbesondere Senioren profitieren von der erhöhten Instabilität und dem damit verbundenen Anforderungen an die Rumpfmuskulatur. Damit ist der Pezziball prädestiniert als Hilfsmittel zur Sturzprophylaxe (PP 07/2017, Seite 12 f.). Aber auch andere Patientengruppen, Teilnehmer für Präventionssport oder sogar Athleten können mit dem Gymnastikball umfassend, abwechslungsreich und vor allem mit ausreichender Intensität trainieren.

Praxistipps |

  • Sorgen Sie für einen Trainingsraum mit ausreichend Platz, damit sich die Teilnehmer mit ihrem Ball frei bewegen können, ohne einander zu behindern.
  • Geben Sie den Teilnehmern ausreichend Zeit, sich mit dem Ball vertraut zu machen – gerade Anfänger müssen sich erst an das neue wackelige Gefühl gewöhnen und austesten, wie weit sie sicher mit dem Ball gehen können.
  • Legen Sie immer eine Matte unter! Denn Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann immer mal ein Teilnehmer vom Ball rutschen oder fallen.
Weiterführende Hinweise
  • [1] José M. Oliva-Lozano and José M. Muyor: Core Muscle Activity during Physical Fitness Exercises: A Systematic Review. In: Int J Environ Res Public Health. 2020 Jun; 17 (12):4306. Published online 2020 Jun 16. doi.org/10.3390/ijerph17124306
  • [2] Rafael F Escamilla et al: Core muscle activation during Swiss ball and traditional abdominal exercises. In: J Orthop Sports Phys Ther 2010 May; 40 (5): 265–76. doi.org/10.2519/jospt.2010.3073
  • [3] Ein Knall und dann der Fall vom Ball: So beugen Sie Haftungsansprüchen von Patienten vor (Beitrag online vom 20.06.2024, Abruf-Nr. 50071469)

AUSGABE: PP 7/2024, S. 14 · ID: 50067582

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