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Praxis-Pkw/FirmenwagenBFH beendet das Dezember-Leasing-Modell
| Im Zusammenhang mit dem Leasing bei – teilweise – betrieblich genutzten Pkw wird gerne das „Dezember-Leasing-Modell“ genutzt. Der BFH hat dem Modell aber soeben für die Fälle den Boden entzogen, in denen das geleaste Fahrzeug nicht dauerhaft, also über die gesamte Leasinglaufzeit, zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird (BFH 12.3.24, VIII R 1/21). |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Das Dezember-Leasing-Modell hat – eigentlich – folgenden Ablauf: Ein Einnahmen-Überschussrechner least einen Firmenwagen für beispielsweise 36 Monate. Der Beginn des Leasingzeitraums ist der 1.12.23. Der Unternehmer leistet im Dezember eine hohe Leasingsonderzahlung und führt zudem ein Fahrtenbuch. Ausgerechnet im Dezember ist er fast ausschließlich betrieblich unterwegs, wie aus dem Fahrtenbuch hervorgeht. Privatfahrten gibt es so gut wie keine. Folge: Er zieht die Leasingsonderzahlung bei Zahlung zu fast 100 % als Betriebsausgabe ab. Nach dem Dezember-Modell soll der volle Abzug auch dann erhalten bleiben, wenn das Kfz in den Folgejahren erheblich weniger betrieblich genutzt wird.
Sachverhalt und Entscheidung der Vorinstanz |
Der Kläger, ein Freiberufler, ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Anfang Dezember 2013 leaste er einen Pkw mit einer Laufzeit von 36 Monaten. Er leistete im Dezember 2013 für das Fahrzeug eine Leasingsonderzahlung in Höhe von rund 36.500 EUR netto. Der Kläger nutzte das Kfz im Dezember 2013 zu 71,03 % für seine freiberuflichen Zwecke, in den Folgejahren hingegen im Durchschnitt nur zu 12,16 %. Er machte im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr den betrieblichen Anteil der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe geltend, also 71,03 % von 36.500 EUR. Das FA rechnete hingegen anders: Es verteilte die Leasingsonderzahlung auf 36 Monate und ließ für das Jahr 2013 nur 1/36 von 71,03 % zum Abzug zu. Der BFH stimmt dem FA zu. Gestaltungs-
missbrauch? Die Vorinstanz (FG Schleswig-Holstein 23.11.20, 3 K 1/20), hatte in der vom Kläger gewählten Gestaltung im Zusammenhang mit der Leasingsonderzahlung einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vermutet. Dennoch hatte es der Klage teilweise stattgegeben und kam sogar zu einem etwas günstigeren Ergebnis als der BFH: Es gewährte den Betriebsausgabenabzug bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit nämlich in Höhe von 12,16 % des Betrags der Leasingsonderzahlung, also in Höhe der durchschnittlichen betrieblichen Nutzung über die gesamte Laufzeit des Leasingvertrags. Doch – wie aufgezeigt – rechnet der BFH anders. |
2. Entscheidung
Dem Dezember-Leasing-Modell hat der BFH die Grundlage entzogen, wenn er urteilt: Zur Ermittlung der jährlichen Gesamtaufwendungen für betriebliche Fahrten im Rahmen einer Nutzungseinlage ist eine Leasingsonderzahlung, die für ein teilweise betrieblich genutztes Fahrzeug aufgewendet wird, den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags unabhängig vom Abfluss im Rahmen einer wertenden Betrachtung zuzuordnen. Die betriebliche Nutzung von über 50 % ausschließlich im Monat der Leistung der Leasingsonderzahlung reicht nicht aus, um die Betriebsvermögenseigenschaft des Nutzungsrechts „Leasing“ zu begründen. Vereinfacht ausgedrückt: Bei der Leasingsonderzahlung darf nicht nur der Monat Dezember berücksichtigt werden, sondern vielmehr der gesamte Leasingzeitraum. Die Sonderzahlung ist also beispielsweise über 36 Monate zu verteilen und im Dezember, also bei Leasingbeginn, darf der betriebliche Anteil nur mit 1/36 als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Für den konkreten Fall weist der BFH darauf hin, dass der Kläger als Leasingnehmer weder zivil- noch wirtschaftsrechtlicher Eigentümer des Kfz war. Im Übrigen gehört das Leasing als reines Nutzungsrecht nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen des Klägers. Folglich führt lediglich der Anteil der Fahrten, die beruflich unternommen worden sind, zu Betriebsausgaben („Nutzungseinlage“). Die Zuordnung zum Privatvermögen liegt daran, dass der Kläger das Fahrzeug nur vorübergehend und nicht dauerhaft in einem Umfang von über 50 % betrieblich genutzt hat. Über die Gesamtnutzungsdauer von 36 Monaten betrug die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs nur 12,16 % der gefahrenen Gesamtstrecke. Die betriebliche Nutzung von über 50 % nur im Dezember des Streitjahrs ist danach nicht geeignet, die Betriebsvermögenseigenschaft des Nutzungsrechts „Leasing“ zu begründen. Für die betrieblichen Fahrten im Dezember des Streitjahres 2013 ist die Leasingsonderzahlung bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit im Rahmen einer Nutzungseinlage als Betriebsausgabe abzugsfähig – allerdings nur in Höhe von 1/36 × 71,03 % (also 1,97 % von 36.500 = 720 EUR).
3. Praxishinweise
Die Praxis wird sich auf das Urteil einstellen müssen. Das Dezember-Leasing-Modell funktioniert jedenfalls dann nicht mehr, wenn das Kfz über die gesamte Leasingdauer betrachtet nur in einem geringen betrieblichen Umfang genutzt wird.
3.1 Die Finanzverwaltung könnte Altfälle wieder aufgreifen
Es steht sogar zu befürchten, dass die Finanzverwaltung nun bereits bestandskräftige Fälle neu aufrollt und eine Änderung auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO stützt, wenn sich die betriebliche Nutzung während des Leasingzeitraums als wesentlich geringer erweist als bei Leistung der Leasingsonderzahlung.
Die OFD Nordrhein-Westfalen hat vermeintliche Steuergestaltungen sogar bereits seit dem Jahre 2016 im Blick und verfügt dazu (Kurzinfo ESt 17/2016 vom 1.9.16): Für den Betriebsausgabenabzug ist sowohl die Nutzung des Pkw im Jahr des Abflusses der Sonderzahlung als auch die zukünftige Nutzung innerhalb des gesamten Leasingzeitraums maßgeblich. Die Entscheidung über den Betriebsausgabenabzug nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG fällt zwar zunächst nach den Nutzungsverhältnissen im Zahlungsjahr (kein Betriebsausgabenabzug bei einer betrieblichen Nutzung unter 10 %), spätere Nutzungsänderungen in Jahren nach der Zahlung, aber innerhalb des Zeitraums, für den die Sonderzahlung als Vorauszahlung geleistet wurde, führen dann zu Korrekturen des Steuerbescheids des Zahlungsjahres, soweit dieser verfahrensrechtlich noch änderbar ist. Neben § 164 AO kommt als Korrekturvorschrift § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht, da es sich bei der Nutzungsänderung um ein rückwirkendes Ereignis i. S. dieser Vorschrift handelt.
3.2 Leasingsonderzahlung bei nichtselbstständigen Einkünften
Ganz überraschend ist das aktuelle BFH-Urteil nicht, denn bereits das Urteil des BFH 15.4.10 (VI R 20/08, BStBl II 10, 805) ließ eine Tendenz in diese Richtung erkennen. Seinerzeit ging es um folgenden Fall:
Sachverhalt |
Arbeitnehmer least einen Pkw für Fahrten zur Arbeit Im November des Streitjahres 2004 schloss der Kläger, ein Arbeitnehmer, einen Leasingvertrag ab und vereinbarte eine Leasingsonderzahlung von 23.000 EUR. Diese wurde Ende Dezember 2004 bezahlt. Das Fahrzeug wurde am 2.1.05 an den Kläger ausgeliefert. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Leasingsonderzahlung in Höhe von 21.418 EUR zu fast 100 % als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. |
Der BFH hat hier entschieden, dass die Leasingsonderzahlung durch die Entfernungspauschale abgegolten ist, auch wenn die entsprechenden Fahrten erst in den Folgejahren unternommen worden sind. Die Tatsache, dass der Kläger mit dem erst im Jahr 2005 ausgelieferten Fahrzeug im Streitjahr noch keine Fahrten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG durchgeführt hat, stehe dem nicht entgegen. Der Werbungskostencharakter der Aufwendungen und damit die Möglichkeit ihrer Abziehbarkeit schon im Streitjahr ergeben sich aus der beabsichtigten zukünftigen beruflichen Nutzung. Eine Leasingsonderzahlung gehöre zwar gegebenenfalls zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Dies scheide jedoch aus, soweit der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Leasingvertrags die Kraftfahrzeugkosten nach pauschalen Kilometersätzen als Werbungskosten geltend macht.
Beachten Sie | Der letzte Satz betrifft sowohl die Geltendmachung von Fahrtkosten mittels Entfernungspauschale als auch – bei Auswärtstätigkeiten – mittels Dienstreisepauschale.
3.3 Leasingsonderzahlung und Kostendeckelung
Es sind im Übrigen nicht die einzigen Urteile, in denen der BFH eine Leasingsonderzahlung „auf kaltem Wege“ und entgegen § 11 Abs. 2 EStG auf die Nutzungs- bzw. Leasingdauer verteilt und eben nicht allein auf den Abflusszeitpunkt abstellt. Als weiterer Punkt ist die Kostendeckelung i. V. m. einer Leasingsonderzahlung zu nennen.
Beispiel |
Steuerberater Müller least einen Pkw mit einem Bruttolistenpreis von 120.000 EUR, beginnend im Dezember 2021 (Laufzeit 36 Monate). Im Erstjahr wird eine Sonderzahlung von 30.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Die monatlichen Leasingraten betragen anschließend nur noch 350 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Müller ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG und zieht die Leasingsonderzahlung in 2021 voll als Betriebsausgabe ab. In den Jahren 2022 und 2023 wählt er die Ein-Prozent-Regelung und müsste demnach monatlich 1 % des Bruttolistenpreises (jährlich also 14.400 EUR) als Privatentnahme versteuern. Er macht jedoch die Kostendeckelung (BMF 18.11.09, BStBl I 2009, 1326) geltend und versteuert pro Jahr lediglich einen Privatanteil von zum Beispiel 6.000 EUR. |
Die Finanzverwaltung hatte das Modell jedoch zunächst vereinzelt angegriffen und in Bezug auf die Leasingsonderzahlung entschieden, dass diese – für die Kostendeckelung – periodengerecht auf den jeweiligen Nutzungszeitraum, also Leasingzeitraum, zu verteilen ist. Nach und nach haben einzelne obere Finanzbehörden diese Linie auch offiziell verlautbart, so etwa die Finanzbehörde Hamburg (8.11.18, S 2177- 2018/001 – 52).
Für „Steuerberater Müller“ bedeutet das: Die Leasingsonderzahlung ist für die Prüfung der Kostendeckelung über die Laufzeit zu verteilen. Es ist damit in 2021 lediglich 1/36 der Leasingsonderzahlung für Zwecke der Kostendeckelung mit einzubeziehen. Im Jahr 2022 sind 12/36, im Jahr 2023 ebenfalls 12/36 und im Jahr 2024 11/36 der Leasingsonderzahlung anzusetzen. Die Kostendeckelung in 2022 würde also nicht bei 6.000 EUR, sondern erst bei 6.000 EUR + 10.000 EUR = 16.000 EUR greifen und damit oberhalb des Betrages laut Ein-Prozent-Regelung (14.400 EUR) liegen.
Der BFH teilt die Auffassung der Finanzverwaltung: Es ist nicht zu beanstanden, dass bei Anwendung der Billigkeitsregelung zur Kostendeckelung im Schreiben des BMF (18.11.09, BStBl I 09, 1326, Rz. 18) für Zwecke der Berechnung der Gesamtkosten eines genutzten Leasingfahrzeugs eine bei Vertragsschluss geleistete Leasingsonderzahlung auch dann periodengerecht auf die einzelnen Jahre des Leasingzeitraums verteilt wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt (BFH 17.5.22, VIII R 11/20, VIII R 21/20, VIII R 26/20).
4. Abschließende Einschätzung
Der BFH hat sich – weil nur insoweit entscheidungserheblich – lediglich mit dem Fall der Nutzungseinlage wegen der geringen betrieblichen Fahrleistung befasst. Wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn das Kfz z. B. dauerhaft zu 50 oder 60 % der Gesamtfahrleistung betrieblich genutzt worden wäre, ist nicht erkennbar. Man muss wohl davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung auch diese Fälle aufgreifen und vor den BFH bringen wird. Insofern sollte man sich über einen bereits gewährten Betriebsausgabenabzug für eine Leasingsonderzahlung nicht zu früh freuen, denn zumindest in Teilen der Finanzverwaltung wird ein Nutzungsanteil, der geringer ist als im Dezember des Vorjahres (bzw. bei Leasingbeginn), im Lichte des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO gewertet. Und der ermöglicht eine Korrektur von bereits bestandskräftigen Bescheiden.
AUSGABE: PFB 8/2024, S. 206 · ID: 50073209